# taz.de -- Regierungskrise in Großbritannien: Johnson bleibt vorerst Premier | |
> Premierminister Boris Johnson tritt als Vorsitzender der Konservativen | |
> zurück. Das Amt des Premierministers will er bis zum Herbst behalten. | |
Bild: Großbritanniens Regierungschef Boris Johnson hat sich am Mittag geäuße… | |
London taz | [1][Boris Johnson, der angeschlagene britische | |
Premierminister,] gibt auf: Nachdem über 40 Politiker zurückgetreten waren, | |
darunter auch Nordirland-Minister Brandon Lewis, zieht er die Reißleine und | |
tritt als Partei-Chef zurück. Als Regierungschef will er im Amt bleiben, | |
bis ein Nachfolger gewählt ist, ein neues Kabinett hat er bereits ernannt. | |
Das sagte Johnson am Donnerstag in einer Fernsehansprache. | |
Bei einem Auftritt vor dem Exekutivausschuss, dem Liaison Comittee, in dem | |
die Vorsitzenden aller Ausschüsse des Unterhauses Boris Johnson befragten, | |
warnte er am Mittwochnachmittag noch vor dem Chaos eines Führungswechsels | |
in Krisenzeiten. | |
Johnsons Auftreten im Exekutivausschuss ging noch in eine ganz andere | |
Richtung: Gegen Vorwürfe und Überlegungen, ob und wann er zurücktreten | |
könne oder würde, verteidigte er sich hartnäckig. Es gehe ihm darum, sein | |
Mandat von 14 Millionen Wähler:innen zu erfüllen. | |
Gleichzeitig verfälschte Johnson wiederholt klare Fakten. So weigerte er | |
sich, im Komitee zuzugeben, dass der Berater für ministeriales Verhalten, | |
Lord Geidt, vor wenigen Wochen zurückgetreten sei, weil ihm Johnson nicht | |
die Wahrheit über Partygate gesagt habe. | |
## Auslöser der Krise | |
Johnson schob Probleme wie jene mit dem Tory-Abgeordneten Chris Pincher, | |
der wegen sexueller Belästigung von Männern aus der Fraktion ausgeschlossen | |
worden und zum Auslöser [2][der jüngsten Krise] geworden war, auf die | |
Trinkkultur einiger Abgeordneter. | |
Das führte zu einer sofortigen Reaktion der konservativen Abgeordneten | |
Caroline Nokes. Sie machte Johnson klar, dass diese Ansicht das Bild | |
verzerre. Das eigentliche Problem sei die Toleranz gegenüber sexuellen | |
Triebtätern im Parlament. | |
Die Labour-Abgeordnete und Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, | |
Meg Hellier, rechnete dem Premier vor, dass er zum damaligen Zeitpunkt | |
bereits mit 32 Rücktritten konfrontiert gewesen sei. Sie fragte ihn | |
außerdem, ob er diese Zahl bereits zu den 148 Angeordneten addiert habe, | |
die ihn bei einem Misstrauensvotum vor einem Monat loswerden wollten. | |
Ein andererer Labour-Abgeordneter, Darren Jones, fragte Johnson, ob ihn | |
Michael Gove, Kabinettsmitglied und Minister für den Aufbau des Nordens, | |
aufgefordert hätte, zurückzutreten. Johnson wollte dazu keine Angaben | |
machen. Bernard Jenkins, der den Exekutivausschuss leitet und schon länger | |
ein Gegner Johnsons ist, stellte dem direkt danach eine unangenehme Frage: | |
Was denn wäre, wenn die Mehrheit der Fraktion ihn nicht mehr unterstütze? | |
Dabei forderte er Johnson auf, klarzustellen, ob er in diesem Fall | |
Neuwahlen ausrufen würde oder nicht. Johnsons Antwort:.„Eine Regierung mit | |
einem so großen Rückhalt bei den Wähler:innen muss in Ruhe gelassen | |
werden“. Und „Nein, Neuwahlen sind das letzte, was das Land braucht.“ | |
## Doch keine Gnadenfrist für Johnson | |
Unterdessen brachten sich parallel zu der Anhörung verschiedene Gruppen von | |
konservativen Abgeordneten in Stellung. Britische Medien berichteten, dass | |
Kabinettsmitglieder, darunter Aufbauminister Michael Gove, Innenministerin | |
Priti Patel und Verkehrsminister Grant Shapps, ja selbst Johnsons neuer | |
Finanzminister Nadhim Zadahwi dem Premier angeblich einen ehrenhaften | |
Rücktritt empfohlen hätten. | |
Am Abend empfing Johnson dann einzelne Minister in der 10 Downing Street, | |
die Zahl der Rücktritte seiner Regierung war da auf 45 angestiegen. | |
Je später es am Mittwoch wurde, umso klarer schien es, dass Johnson | |
weiterkämpfen würde. Kulturministerin Nadine Dorries und Brexit-Minister | |
Jacob Rees-Mogg gaben sogar an, Johnson weiter zu 100 Prozent zu | |
unterstützen. | |
Laut der konservativen Zeitung Daily Telegraph stehen nur noch 65 der 360 | |
konservativen Abgeordneten hinter Johnson. Das erschwert nicht nur das | |
Regieren, sondern auch Neubesetzungen der vakanten Posten. Dass Johnson nun | |
zurücktritt, wird also wohl bei vielen für Freude statt Trauer sorgen. | |
7 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Ruecktritte-bei-Grossbritanniens-Tories/!5866080 | |
[2] /Regierungskrise-in-Grossbritannien/!5866109 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
## TAGS | |
Boris Johnson | |
Großbritannien | |
Tories | |
Großbritannien | |
Großbritannien | |
Boris Johnson | |
Boris Johnson | |
Boris Johnson | |
Schwerpunkt Brexit | |
Großbritannien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Großbritanniens neue Premierministerin: Liz Truss hat nur diese Chance | |
Die neue Premierministerin hat gar keine Zeit für neoliberale Pläne. | |
Angesichts der Energiekrise muss sie es erst einmal durch den Winter | |
schaffen. | |
Großbritanniens Noch-Premier Johnson: Lahme Ente von Downing Street | |
Boris Johnson nahm es mit Fakten nie so genau – lange mit Erfolg. Mit | |
seinem Vermächtnis könnte Großbritannien noch lange zu kämpfen haben. | |
Rücktritt von Boris Johnson: Die Konservativen schütteln ihn ab | |
Boris Johnson hatte für die Tories den größten Wahlsieg seit der Ära | |
Margaret Thatchers eingefahren. Aber sein Politikstil wird ihm nun zum | |
Verhängnis. | |
Boris Johnsons langer Rücktritt: Nach ihm ein Trümmerfeld | |
Der Abgang des britischen Premierministers kommt spät. In seinen drei | |
Jahren Amtszeit hat er viel Schaden angerichtet, auch abseits des Brexit. | |
Johnson-Nachfolge bei den Tories: Zwischen Patrioten und Liberalen | |
Bei den britischen Konservativen laufen sich die Politiker:innen für | |
Johnsons Nachfolge warm. Die Bandbreite der Kandidat:innen ist groß. | |
Rücktritte bei Großbritanniens Tories: Nur noch eine Frage der Zeit | |
Die britischen Konservativen beginnen sich von Boris Johnson zu lösen, um | |
an der Macht zu bleiben. Nun beginnt der Erbfolgestreit. | |
Regierungskrise in Großbritannien: Das Kartenhaus bricht zusammen | |
Nach neuen Vorwürfen der sexualisierten Gewalt wackelt die Regierung von | |
Boris Johnson. Seine Fraktion arbeitet wieder an einem Misstrauensvotum. |