# taz.de -- CDU Sachsen-Anhalt und „Das Erste“: Symbol ohne Substanz | |
> CDU-Parlamentarier aus Sachsen-Anhalt fordern, dass „Das Erste“ | |
> abgeschafft wird. Bei genauerer Betrachtung bleibt von dem Vorstoß aber | |
> wenig übrig. | |
Bild: Was würden wohl Mady Manstein und Ingrid Ernest sagen? Ansagerinnen der … | |
BERLIN taz | Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt ist für ihre eher | |
ablehnende Haltung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt. | |
Nun spricht sie sich für die Abschaffung des Ersten Programms aus. Das hat | |
ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Markus Kurze, am Montag der | |
Mitteldeutschen Zeitung mitgeteilt. | |
Langfristig solle es „Das Erste“, das überregionale Hauptprogramm der ARD, | |
nicht mehr geben, sondern nur noch das ZDF und die regionalen „dritten“ | |
Programme. „Wir unterstützen den Vorschlag von Staatsminister Robra, | |
langfristig den Sender ‚Das Erste‘ als eigenständigen Kanal abzuschaffen�… | |
teilte Kurze der Zeitung mit. | |
Was folgt, ist Aufregung. [1][Denn gerade erst am Tag zuvor hatte die | |
britische Regierung in Aussicht gestellt, die BBC abzuwickeln]. | |
Sachsen-Anhalt ist ohnehin schon als „das Land mit dem Veto“ gegen die | |
letzte Erhöhung des Rundfunkbeitrags bekannt. Droht also die nächste | |
Blockade aus Mitteldeutschland? | |
Der Parlamentsgeschäftsführer der Linken im Landtag kritisierte umgehend: | |
„Ohne ‚Das Erste‘ gäbe es keinen Wettbewerb mehr im öffentlich-rechtlic… | |
Rundfunk.“ Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner twitterte: „Die | |
CDU Sachsen-Anhalt dreht wieder mal rechts frei – ein intakter | |
öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein Grundpfeiler unserer | |
#Demokratie.“ | |
## Staatsminister Robra weiß von nichts | |
In der zuständigen Staatskanzlei, deren Chef der besagte Rainer Robra | |
(ebenfalls CDU) ist, gibt man sich derweil ganz und gar überfahren von dem | |
Vorstoß der Fraktion. Auf Nachfrage der taz sagt Sprecher Matthias Schuppe, | |
es gebe gar keinen Vorschlag des Staatsministers, „Das Erste“ abzuschaffen | |
– und habe es noch nie gegeben. „Mit Herrn Robra hat niemand gesprochen.“ | |
Die Fraktion beziehe sich auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2017. Damals | |
hatte Robra in der Tat vorgeschlagen, Das Erste radikal zu verändern. | |
[2][Als nationaler Sender reiche das ZDF aus, sagte Robra damals, die ARD | |
solle stattdessen „ein Schaufenster der Regionen“ werden]. „Es ging aber | |
auch damals schon nicht ums ‚abschaffen‘“, sagt sein Sprecher Schuppe nun, | |
„sondern darum, dass im ARD-Hauptprogramm die regionalen Themen stärker zum | |
Tragen kommen sollten.“ Diesen Grundgedanken hätten die Sender sogar | |
aufgenommen. Daher sei der über vier Jahre alte Vorschlag, auf den sich die | |
Fraktion jetzt bezieht, auch nicht mehr aktuell. | |
Hinter der Aussage der CDU-Fraktion, wie sie in der Mitteldeutschen zitiert | |
wird, steht also keine Substanz, die man analytisch bewerten und | |
diskutieren könnte, sondern vor allem Symbolpolitik. Parlamentarier Markus | |
Kurze begründet die Haltung seiner Fraktion mit der Ausrichtung der | |
ARD-Sender. „Wir sind der Meinung, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk | |
oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit“, | |
wird Kurze zitiert. „Zum Beispiel sollten die Sender nicht nur diejenigen | |
zu Wort kommen lassen, die immer noch mehr und mehr Klimaschutz wollen, | |
sondern auch diejenigen, die das bezahlen müssen.“ Auch eine Abschaffung | |
der „Gender-Sprache“ fordert Kurze. | |
Hintergrund des Vorstoßes dürfte sein, dass dieses Jahr eine Änderung des | |
Medienstaatsvertrags zwischen den Ländern verhandelt wird. Es geht darin | |
auch um den Auftrag der ARD-Anstalten und mögliches Einsparpotenzial, zum | |
Beispiel bei Spartensendern. Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt hat sich in | |
der Vergangenheit wiederholt rundfunkkritisch positioniert und scheint den | |
Moment nutzen zu wollen, dies erneut zu tun. | |
Dass die Vorstellungen einer Regierungsfraktion eines einzelnen | |
Bundeslandes zum Fernsehen überhaupt Gewicht haben, liegt an der | |
gesetzlichen Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese ist | |
Ländersache und wird in Staatsverträgen zwischen den Bundesländern | |
festgeschrieben. Diesen Staatsverträgen müssen alle Landesparlamente | |
einzeln zustimmen, sonst treten sie nicht in Kraft. | |
## Es geht um inhaltliche Beschwerden | |
Im Jahr 2020 hatte die CDU in Sachsen-Anhalt auf diese Weise eine | |
beschlossene Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockiert. Zwar waren ihre | |
damaligen Koalitionspartner, SPD und Grüne, für die Erhöhung, aber die | |
CDU-Fraktion verließ sich auf eine Stimmenmehrheit im Landtag, die sie | |
zusammen mit der AfD hat. [3][Erst das Bundesverfassungsgericht setzte 2021 | |
das Veto Sachsen-Anhalts außer Kraft], wonach der Rundfunkbeitrag wie | |
geplant erhöht wurde. | |
In absehbarer Zeit wird die Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender und | |
damit die Debatte über den Rundfunkbeitrag erneut losgehen. Inzwischen | |
regiert die CDU in Sachsen-Anhalt mit SPD und FDP. Eine effektive Mehrheit | |
mit der AfD im Landtag hat sie weiterhin. | |
Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern allerdings untersagt, den | |
Rundfunkbeitrag alleine mit inhaltlichen Argumenten zu blockieren. Sollte | |
der CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt also vor allem daran gelegen sein, mehr | |
Klimaschutz-Gegner*innen und weniger Gendersprache im Fernsehen zu | |
sehen, dann wird sie darauf ohnehin kaum eine wirksame Kampagne für die | |
Beitragsdebatte 2024 aufbauen können. | |
18 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunft-der-BBC/!5826338 | |
[2] https://www.mz.de/mitteldeutschland/sachsen-anhalt/offentlich-rechtlicher-r… | |
[3] /Erhoehung-des-Rundfunkbeitrags/!5791816 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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