# taz.de -- Zu Fuß im Gebirge: Eine blauschwarze Stille | |
> Die Mehrheit der Menschen will im Sommerurlaub an den Strand. In den | |
> Bergen, abseits der Zivilisation, kann man sich aber im Verzicht üben. | |
Bild: Urlaub in den Bergen ist nichts für Warmduscherinnen | |
Wenn ich in den Sommerurlaub fahre, ist mein Schlaf kurz und wird oft | |
unterbrochen. Ich esse wenig und meistens das Gleiche. Oft kehre ich mit | |
verfilztem Haar, Schrammen und blauen Flecken zurück. Und doch bin ich so | |
froh und leicht, wie man sich das wünscht, wenn jemand aus dem Urlaub | |
kommt. | |
Wenn ich in den Sommerurlaub fahre, zieht es mich dorthin, [1][wo die | |
anderen nicht sind]. Und wo auch nichts ist, das mich an sie erinnert. So | |
ein Ort ist nicht leicht zu finden, so ein Ort ist unzugänglich, rau und | |
wild. Da ist Gestrüpp und Getier und der Körper muss arbeiten, um ihn zu | |
erreichen. Oft liegt dieser Ort viele hundert Meter über dem Meeresspiegel, | |
manchmal mehr als zweitausend. | |
Dort oben, wenn durch das Blauschwarz der Nacht die Konturen der Wildnis | |
unscharf werden, drehe ich eine letzte [2][kleine Zecke] aus dem Bein, | |
puste nochmal in das Ventil meiner Isomatte, dann schlüpfe ich in den | |
Schlafsack. | |
Wie eine dicke Raupe liege ich da, reglos in der Stille, die mit dem | |
Blauschwarz den Berg umarmt. Mein Körper klebt, jetzt spüre ich: Ich bin | |
hier hochgelaufen, die letzten Höhenmeter haben die Waden gebrannt, ist der | |
Schweiß in dicken Tropfen meinen Körper runtergerannt. | |
## „Dieser Berg ist ein Gebrösel“ | |
Eine Eule gleitet über mich hinweg, geräuschlos. Meine Gedanken kreisen um | |
den Ort. Wem gehört der Berg, der Wald, der Gipfel, die Wiese? Der Eule? | |
Passt ihr das, dass ich hier liege? Was, wenn das alle machen würden? Oder | |
wird das, was ich hier tue, für immer ein heimliches Privileg der | |
Freizeit-Unzivilisierten bleiben? | |
Neulich las ich auf [3][GoogleMaps] eine Rezension, da schrieb eine Lola: | |
„Dieser Berg ist ein Gebrösel“, drei von fünf Sternen hat sie für ihn | |
übrig. Die Aussichten sind gut, auch was das betrifft, denke ich. Mein | |
Körper wird schwer, ich dämmere davon. | |
Etwas knackt, etwas raschelt. Nicht direkt neben mir, aber auch nicht weit | |
weg. Ich bin hellwach, setze mich auf, nur ein paar Zentimeter. Ich habe | |
keine Angst, aber ein bisschen kribbelt es überall. Ich sehe nichts, aber | |
ich höre. Wieder ein Rascheln, dumpfe Tritte, der Boden vibriert, fast bis | |
zu mir. Es muss schwer sein, dieses Tier. Dann wieder Stille. Über mir, | |
sehe ich jetzt: Eine Trilliarde Sterne. Mein Körper wird schwer, ich | |
dämmere davon. | |
So geht das noch ein, zwei Mal, bis das Lichtgemach das Blauschwarz ablöst. | |
Die Ohren sind kalt, alles ist klamm. Ich schäle mich aus dem Kokon, laufe | |
ein paar Schritte, schaue runter – zu den anderen, unten im Tal, wo die | |
Straße ist, die Stromleitung, Wasser aus dem Hahn und ein Supermarkt, ein | |
Bäcker, eine Bar. Sie genießen die Errungenschaften unserer Zivilisation. | |
Aber was für ein Glück, denke ich – ich entbehre nicht, ich verzichte! | |
7 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nora Belghaus | |
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