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# taz.de -- Mit der Bahn durch Europa: Zugfahren ist zu oft eine Zumutung
> Viele wollen lieber mit der Bahn verreisen als zu fliegen. Aber wer
> regelmäßig durch Europa pendelt, weiß: Das läuft oft anders als geplant.
Bild: Bahnfahren in Europa: Die Fahrpläne sind nicht abgestimmt und für Versp…
Wir müssen übers Zugreisen reden. Eigentlich wollen viele Bekannte wirklich
auf Zug umsteigen, und vermeintlich wird das in Europa immer leichter:
Endlich wieder mehr Nachtzüge, mehr Streckenangebote, und jetzt geht es
sogar in 16 Stunden von Berlin nach London.
Ja, das sind gute Nachrichten – wenn man einmal im Jahr mit Direktzug in
den Urlaub fährt. In einem ökologischen Europa aber, in dem auch nötige
Geschäftsreisen oder die Fernbeziehung nach Portugal über den Zug
funktionieren sollen, müsste Zugfahren möglich sein wie in einem
ÖPNV-System: von Kleinstadt zu Großstadt, mit Umstiegen und unkomplizierter
Hilfe bei Verspätung. Leider ist es das nicht.
Lebensbedingt pendele ich aktuell öfter durch Europa, und auch sonst bin
ich nett und fahre transnational oft Zug – als Freiberuflerin geht das,
Festangestellte zahlen mit freien Tagen drauf. Gut, für Anstand in jeder
Hinsicht draufzuzahlen ist im Kapitalismus ja schon Gewohnheit.
Das größere Problem ist die schlichte Unmöglichkeit der Praxis: Fährt man
nicht gerade von Hamburg nach Wien, sondern länger und komplizierter, ist
immer irgendein Zug so verspätet, dass der Anschluss nicht erreicht wird
und bei fünf Umstiegen alles dominoartig kollabiert.
In Deutschland kann man sich damit vielleicht arrangieren, in Europa
strandet man bei Nachtanbruch irgendwo – und darf Hotelzimmer oder
Flugticket selbst zahlen. Denn niemand haftet dafür; die ursächliche
Verspätung ist schon acht Stunden vorher passiert, und die Anschlusstickets
liefen ja über einen ganz anderen Betreiber.
Aus zig frustrierenden Debatten in überfüllten Servicecentern habe ich
gelernt: Der Deutschen Bahn ist es ziemlich egal, dass ich ihretwegen einen
Zug in Italien verpasse. Umgekehrt übrigens genauso. Die einzige
kostenfreie Option: Die nächste Dominoreihe buchen, auch wenn die wegen
nächtlichen Fahrplantakts zehn Stunden später ankommt.
Klingt scheiße? Ist es auch. Und wer Pech hat, zahlt noch drauf: Wer zum
Beispiel in Italien beim Sprint zum letzten Zug keine Zeit hat, das Ticket
am Bahnhof umschreiben zu lassen, wird schon mal vor die Wahl gestellt:
entweder 60 Euro Bußgeld für Schwarzfahren oder aussteigen. Dass ich
riskiert hätte, auf eigene Kosten eine Nacht hängenzubleiben? „Nicht mein
Problem“, fand der Kontrolleur.
Ich fürchte, diese Antwort sagt viel über den Zustand des transeuropäischen
Verkehrs jenseits schöner Direktfahrten. Ist es eigentlich sehr schwer, ein
einheitliches Ticketing mit synchronisierten Fahrplänen und etwa
kostenlosen Bahnhofsbetten für Gestrandete zu schaffen? Gerade ist das
europäische Zugsystem vor allem eines: Werbung fürs Flugzeug.
13 Jul 2023
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
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