# taz.de -- Zahlungen an AKW-Betreiber: Geld statt längerer Laufzeiten | |
> Das Umweltministerium will RWE und Vattenfall mit rund einer Milliarde | |
> für den Atomausstieg entschädigen – weit weniger als von ihnen gefordert. | |
Bild: Wie hoch die Entschädigung für die AKW-Betreiber ausfällt, soll erst i… | |
BERLIN taz | Die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke werden – anders | |
als von manchen Kritikern befürchtet – nicht verlängert. Stattdessen sollen | |
die Betreiber Vattenfall und RWE finanziell in der Größenordnung von einer | |
Milliarde Euro dafür entschädigt werden, dass sie beim schwarz-gelben | |
Atomausstieg aus dem Jahr 2011 gegenüber dem Atomkonsens von 2002 | |
schlechter gestellt wurden. Das geht aus dem Entwurf des | |
Bundesumweltministeriums für eine Änderung des Atomgesetzes hervor, der der | |
taz vorliegt. | |
Notwendig geworden war die Gesetzesänderung aufgrund eines Urteils des | |
Bundesverfassungsgerichts aus dem Dezember 2016. Der Atomausstieg von 2011, | |
gegen den die AKW-Betreiber geklagt hatten, war darin zwar grundsätzlich | |
für rechtmäßig erklärt worden. In zwei Randbereichen hatte das Gericht aber | |
einen Anspruch auf Entschädigung bestätigt: zum einen für Investitionen, | |
die die Betreiber zwischen der von Union und FDP im Oktober 2010 | |
beschlossenen Laufzeitverlängerung und dem fünf Monate später infolge der | |
Fukushima-Katastrophe verkündeten erneuten Atomausstieg vorgenommen haben. | |
Zum anderen konnten RWE und Vattenfall im Gegensatz zu Eon einen Teil der | |
Atomstrommengen, die ihnen im Jahr 2002 beim rot-grünen Atomkonsens | |
zugestanden worden waren, unter dem schwarz-gelben Ausstieg nicht mehr | |
produzieren, weil dieser statt Reststrommengen ein fixes Abschaltdatum für | |
jedes AKW vorsah. | |
Für die notwendige Entschädigung hatte das Gericht drei Lösungswege | |
aufgezeigt: erstens eine Verlängerung der im Gesetz genannten Laufzeiten | |
für einzelne Atomreaktoren. Zweitens eine Pflicht, die Reststrommengen, die | |
bei einem Betreiber übrig bleiben, an jene zu verkaufen, die zu wenig | |
haben. Und, drittens, eine finanzielle Entschädigung für die Unternehmen, | |
die ihre Reststrommengen nicht nutzen können. | |
Entschädigung statt Verpflichtung zum Handel | |
Das in dieser Frage federführende Umweltministerium hat sich nun für die | |
dritte Möglichkeit entschieden: Die Betreiber sollen Geld bekommen. Wie | |
viel genau, steht noch nicht fest. Im Gesetzentwurf steht, dass die | |
Ausgaben „einen niedrigen einstelligen Milliardenbereich nicht | |
überschreiten, wahrscheinlich jedoch im oberen dreistelligen | |
Millionenbereich liegen werden“. Das wäre deutlich weniger als jene 19 | |
Milliarden Euro, die die Konzerne ursprünglich gefordert haben. | |
Für die Investitionen rechnet das Ministerium mit keinerlei relevanten | |
Entschädigungen, weil der Zeitraum zwischen Laufzeitverlängerung und | |
-verkürzung zu kurz gewesen sei, um Baumaßnahmen genehmigt und beauftragt | |
zu bekommen. Gezahlt werden muss hingegen für die verfallenen | |
Reststrommengen. | |
Wie hoch die Entschädigung ausfällt, soll laut Gesetzentwurf erst im Jahr | |
2023 berechnet werden, wenn feststeht, wie viel Strom tatsächlich nicht | |
produziert werden konnte. Grundlage ist der durchschnittliche | |
Börsenstrompreis zwischen dem Ausstiegsbeschluss von 2011 und dem | |
Abschaltdatum des letzten AKW im Jahr 2022 abzüglich der Produktionskosten | |
für den Atomstrom. | |
Im Bundeswirtschaftsministerium, das für die Energiepolitik zuständig ist, | |
war nach taz-Informationen lange die zweite Option des Gerichts bevorzugt | |
worden, bei der die Konzerne zum Handel mit Reststrommengen verpflichtet | |
worden wären. Auch im Finanzministerium gab es Sympathie für diese Lösung, | |
weil sie für den Staat billiger geworden wäre. Das Umweltministerium hält | |
dies laut internen Unterlagen jedoch für „ein sehr komplexes Verfahren“. | |
Die Zeit drängt | |
Vor allem hätte dieses Verfahren faktisch verlängerte AKW-Laufzeiten zur | |
Folge. „Eine zwangsweise Übertragung von Reststrommengen würde bedeuten, | |
dass die Atomkraftwerke, die zusätzliche Reststrommengen erhalten, dann in | |
jedem Fall länger laufen würden als derzeit betriebswirtschaftlich | |
geplant“, schreiben die Experten des Umweltministeriums. | |
Denn derzeit müssen einige AKWs, etwa Brokdorf oder Isar 2, real vor dem im | |
Gesetz genannten Datum abgeschaltet werden, weil ihre Reststrommenge | |
verbraucht ist. Atomkraftgegner, etwa von BUND und ausgestrahlt, hatten | |
sich darum stets gegen eine solche zwangsweise Übertragung ausgesprochen. | |
Das Gesetz ist am Freitag zur Abstimmung in die anderen Ressorts geschickt | |
worden. Wann der Entwurf im Kabinett beraten wird, ist noch unklar. Die | |
Zeit drängt. Für die Umsetzung hatte das Bundesverfassungsgericht eine | |
Frist bis zum 30. Juni gesetzt. | |
30 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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