| # taz.de -- Schadenersatz wegen Atomausstieg: Konzerne fordern 276 Millionen Eu… | |
| > Eon, RWE und EnBW wollen Schadenersatz für angebliche Investitionen in | |
| > Folge der Laufzeitverlängerung – zum Ärger der Grünen. | |
| Bild: Auf diesen Rat zu hören, wäre billiger gewesen: Schuh bei einer Demo ge… | |
| Das Glück der Atomkonzerne währte nur kurz: Am 28. Oktober 2010 | |
| verabschiedete die damalige Koalition aus CDU/CSU und FDP die | |
| Atomgesetznovelle, mit der die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um 8 | |
| bis 14 Jahre verlängert wurden. Viereinhalb Monate und eine Atomkatastrophe | |
| im japanischen Fukushima später kam die Kehrtwende: Mit einem Moratorium | |
| und einer anschließenden Gesetzesänderung machte Schwarz-Gelb den eigenen | |
| Beschluss rückgängig und verkürzte die Laufzeiten wieder. | |
| Neun Jahre später wollen die Energiekonzerne RWE, Eon und EnBW nun Geld | |
| dafür bekommen, dass man ihnen das erhoffte Geschenk so schnell wieder | |
| genommen hat: Sie haben beim Bundesumweltministerium | |
| Schadenersatzforderungen in Höhe von insgesamt 276 Millionen Euro | |
| eingereicht – für Investitionen, die sie im Vertrauen auf die beschlossene | |
| Laufzeitverlängerung in ihren Reaktoren getätigt haben wollen. | |
| Das hat der zuständige Abteilungsleiter bei der Erläuterung des Haushalts | |
| des Ministeriums gegenüber dem Grünen-Haushaltspolitiker Sven Kindler | |
| berichtet. „Die schwarz-gelbe Politik für die Atomlobby birgt heute noch | |
| große finanzielle Risiken“, kommentiert Kindler – und kritisiert die | |
| Bundeskanzlerin: „Das ist die direkte Folge des Laufzeitengeschenks im | |
| Herbst 2010 von Angela Merkel an die Atomkonzerne.“ | |
| Das Umweltministerium bestätigte die Forderungen gegenüber der taz. Ob und, | |
| wenn ja, in welcher Höhe sie erfüllt werden, sei aber noch offen, sagte | |
| eine Sprecherin. Die Anträge der Unternehmen würden derzeit „eingehend | |
| geprüft“. Vorsorglich wurde bereits eine Summe von 250 Millionen Euro in | |
| den Haushalt 2020 eingestellt. | |
| Wenn die Konzerne in vollem Umfang Erfolg hätten, wäre das überraschend. | |
| Denn dass in den wenigen Monaten zwischen der Laufzeitverlängerung und | |
| anschließenden Verkürzung in größerem Umfang Planungen getätigt und | |
| umgesetzt wurden, hatten Expert*innen schon bei der [1][Verabschiedung der | |
| Gesetzesnovelle] für wenig wahrscheinlich gehalten. Zwar war im | |
| Zusammenhang mit den geplanten längeren Laufzeiten von Bund und Ländern | |
| eine Liste mit notwendigen Nachrüstungen erstellt worden. Doch bereits im | |
| Jahr 2017 hatten die meisten der für Atomaufsicht zuständigen | |
| Landesministerien auf Anfrage der Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl | |
| erklärt, dass keine dieser Maßnahmen umgesetzt wurde. | |
| ## Keine Investitionen für Nachrüstungen | |
| „In der Zeitspanne sind zumindest keine Investitionen in anlagentechnische | |
| Nachrüstungen geflossen“, hieß es etwa aus Baden-Württemberg in Bezug auf | |
| die AKWs Philippsburg 1 und 2 sowie Neckarwestheim I und II. Hessen teilte | |
| mit, dass im AKW Biblis zwar einige „sicherheitserhöhende Maßnahmen“ | |
| durchgeführt wurden. Diese seien aber unabhängig von der | |
| Laufzeitverlängerung realisiert worden. In Bayern wurden im betreffenden | |
| Zeitraum keine Nachrüstmaßnahmen beantragt; allerdings befanden sich einige | |
| bereits in der „Konzeptions- und Planungphase“. | |
| Eon machte auf Anfrage keine Angaben zur Höhe seiner Forderung und zur Art | |
| der getätigten Investitionen. RWE und EnBW sprachen jeweils von einem | |
| „mittleren zweistelligen Millionenbetrag.“ Angefallen ist dies laut EnBW | |
| unter anderem für Brennstoff, der für die längeren Laufzeit erworben wurde. | |
| RWE sprach allgemein von „anlagentechnischen Nachrüstungen“. Der vierte | |
| AKW-Betreiber Vattenfall hat aktuell keine Forderungen eingereicht; er | |
| klagt aber vor einem [2][internationalen Schiedsgericht] auf hohen | |
| Schadenersatz. Grünen-Atomexpertin Kotting-Uhl hält die Forderungen der | |
| Konzerne für „arg überzogen“ und fordert: „Die Regierung muss alle | |
| haltlosen Forderungen der AKW-Betreiber rigoros abweisen.“ | |
| Die Möglichkeit, Schadenersatz zu beantragen, hatte die Regierung im | |
| letzten Jahr mit einer Novelle des Atomgesetzes möglich gemacht und damit | |
| eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Neben den | |
| möglichen Investitionen, die die Konzerne jetzt entschädigt sehen wollen, | |
| steht ihnen auch Geld für Strommengen zu, die ihnen beim rot-grünen | |
| Atomausstieg im Jahr 2002 zugesichert wurden, die aber aufgrund des | |
| verschärften schwarz-gelben Ausstiegs von 2011 verfallen. | |
| Diese können aber erst nach 2022 beantragt werden, wenn die genaue Menge | |
| und deren Wert feststeht. Während bei den Investitionen keine relevanten | |
| Zahlungen erwartet wurden, ging das Bundesumweltministerium hierfür im | |
| Gesetz „von einem Betrag im oberen dreistelligen Millionenbereich“ aus. | |
| 30 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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