Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Entschädigung für Atomausstieg: Etappensieg für Vatten…
> Das Schiedsgericht der Weltbank urteilt über Schadensersatz wegen des
> deutschen AKW-Aus. Es hält sich für interne EU-Konflikte zuständig.
Bild: Bald ist in Deutschland Schluss mit Atomkraft. Vattenfall verlangt dafür…
Freiburg taz | Im Streit um Vattenfalls Entschädigungsklage gegen den
deutschen Atomausstieg ist bald mit einer Entscheidung zu rechnen. Das
Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) in Washington lehnte jetzt den Einwand
der Bundesregierung ab, es sei für ein Urteil gar nicht mehr zuständig. Der
74-seitige Beschluss liegt der taz vor.
Vattenfall hat 2012 die Bundesrepublik vor dem Washingtoner Schiedsgericht
verklagt. Das schwedische Unternehmen [1][verlangt von Deutschland 4,4
Milliarden Euro] plus Zinsen. Durch den beschleunigten Atomausstieg nach
Fukushima seien Vattenfalls Reststrommengen entwertet worden.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 2016 Vattenfall bereits Kompensation
zugesprochen. Doch Vattenfall verlangt vor dem Schiedsgericht ein
Mehrfaches davon. Dabei beruft sich Vattenfall auf den
Energiecharta-Vertrag von 1994, der ausländische Investoren in der
Energiebranche vor Enteignung und unfairer Behandlung schützt.
Eigentlich sollte das Washingtoner Urteil im ersten Quartal 2018 verkündet
werden. Doch dann sorgte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg
für einen Paukenschlag. In seinem „Achmea“-Urteil vom März 2018
beanstandete er generell bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen
EU-Staaten.
Begründung: Die [2][darin vorgesehenen Schiedsgerichte] könnten das
EU-Recht anders auslegen als der EuGH. Manche Beobachter riefen schon das
„Ende der Schiedsgerichtsbarkeit“ aus. Daraufhin eröffnete das
ICSID-Schiedsgericht das Vattenfall-Verfahren erneut und bat um
Stellungnahmen zum EuGH-Urteil.
## Einwand kam nicht zu spät
Die Bundesregierung nutzte die Gelegenheit, um nun das Schiedsverfahren in
Washington generell in Frage zu stellen. Streitigkeiten innerhalb der EU –
also auch zwischen einem schwedischen Staatsunternehmen und Deutschland –
dürften nach dem Achmea-Urteil nicht mehr vor Schiedsgerichten ausgetragen
werden. Vattenfall hielt das Schiedsgericht jedoch weiter für zuständig,
das Achmea-Urteil passe nicht auf den Energiecharta-Vertrag. Deutschland
komme mit seinem Einwand ohnehin viel zu spät, „sechs Jahre nach Beginn des
Verfahrens“.
Das Schiedsgericht hat nun ein Zwischenurteil verkündet. Danach durfte
Deutschland seine neuen Einwände durchaus vorbringen. Das EuGH-Urteil habe
nämlich eine „neue Situation“ geschaffen. Inhaltlich wurden die deutschen
Einwände gegen das Verfahren jedoch in vollem Umfang zurückgewiesen.
## Urteil noch in diesem Jahr
Der [3][Energiecharta-Vertrag erlaube es] stets, so das
ICSID-Schiedsgericht, bei Streitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat und
einem Investor aus einem anderen Vertragsstaat ein Schiedsgericht
anzurufen. Es gebe nicht den leichtesten Hinweise im Vertragstext, dass
dies nicht gelten solle, wenn beide Streitparteien aus der EU kommen. Eine
entsprechende Klausel sei ausdrücklich nicht in den Vertrag aufgenommen
worden.
Der Energiecharta-Vertrag könne auch nicht (wie von Deutschland gewünscht)
im Lichte des EU-Rechts und des EuGH-Urteils ausgelegt werden, so die
Schiedsrichter. Denn das EuGH-Urteil gelte nur für zweiseitige
Investitionsschutz-Abkommen. Der Energiecharta-Vertrag sei aber ein
multilateraler Vertrag mit 53 Vertragspartnern. Ein Schiedsgericht dürfe
nicht aus dem Achmea-Urteil eine neue Regel des Völkerrechts „hochrechnen“,
es dürfe nur eindeutige Regeln des Völkerrechts anwenden.
Beobachter gehen davon aus, dass das Schiedsgericht sein Urteil nun bald,
also noch in diesem Jahr, verkünden wird. Wie die Schiedsrichter über die
Klage von Vattenfall entscheiden werden, deuteten sie nicht an.
Die Bundesregierung hatte schon spekuliert und gewarnt, ein Urteil des
Schiedsgerichts könne in der EU nicht vollstreckt werden, weil das
Schiedsgericht nach EU-Recht ja nicht zuständig sei. Wenn Vattenfall das
Verfahren fortführe, verletze es EU-Recht. Die Schiedsrichter hielten sich
zurück und nahmen hierzu keine Stellung.
5 Sep 2018
## LINKS
[1] /Entschaedigung-fuer-Atomkonzerne/!5516965
[2] /EuGH-Urteil-zu-Schiedsgerichten/!5486429
[3] /Kohlekraftwerk-Morburg/!5158485
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Atomausstieg
Schiedsgericht
Vattenfall
ISDS
Atomgesetz
Schiedsgericht
Weltbank
Atomausstieg
Anti-Atom-Bewegung
Schwerpunkt Atomkraft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Expertin über Schiedsgerichtsreform: „Keine Privilegien für Konzerne“
Die EU will einen Gerichtshof für Investorenklagen. Das würde die
Klageprivilegien der Konzerne festigen, sagt Pia Eberhardt von der NGO CEO.
Schadenersatz wegen Atomausstieg: Konzerne fordern 276 Millionen Euro
Eon, RWE und EnBW wollen Schadenersatz für angebliche Investitionen in
Folge der Laufzeitverlängerung – zum Ärger der Grünen.
Kampagne gegen Schiedsgerichte: Schluss mit den Privilegien
Die EU soll die Möglichkeit von Konzernklagen aus Handelsdeals streichen,
fordern über 150 NGOs. Weltweit gibt es mehr als 900 solcher Klagen.
Experte über Tagung der Weltbank: „Falsches Entwicklungsmodell“
Die Weltbank tagt und schreibt Fatales über die Zukunft der Arbeit,
kritisiert Knud Vöcking von Urgewald. Immerhin: Sie steigt aus
Kohleinvestments aus.
Entschädigung für Atomkonzerne: Millionen für RWE und Vattenfall
Der Bundestag setzt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um: Die
Energiekonzerne werden für den Atomausstieg entschädigt.
Kritik an Atomgesetz: Zu viel Geld für AKW-Betreiber
Experten halten die Entschädigungen für AKW-Betreiber für zu hoch. Es gibt
Forderungen, die Stromübertragung an norddeutsche Reaktoren zu verbieten.
Vattenfall klagt gegen Deutschland: Regierung lehnt Schiedsverfahren ab
Die GroKo hält die Vattenfall-Klage zum Atomausstieg jetzt erst recht für
unzulässig. Sie begründet dies mit einem EuGH-Urteil.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.