# taz.de -- Strafanzeigen gegen belgische AKW: Bürger erhöhen Druck auf Reakt… | |
> Belgiens AKW sind sicher – sagen die Regierung und der Betreiber. In der | |
> Grenzregion beklagen aber viele schwere Mängel bei Tihange und Doel. | |
Bild: Voller Haarrisse: das belgische AKW Tihange | |
BRÜSSEL/EUPEN dpa | Julie Vandegaar lächelt, obwohl es für ihren | |
Polizeibesuch im Eupener Kommissariat keinen Grund zur Freude gibt. Sie | |
will Anzeige gegen den belgischen Staat und die Kernkraftwerke Tihange und | |
Doel erstatten. „Es geht um meine Zukunft, ich will hier in der Region | |
weiterleben können“, sagt die 19-Jährige. | |
Ähnlich sieht das Beate Haupt aus Aachen: „Ich habe Tschernobyl erlebt, ich | |
habe Fukushima erlebt. Vielleicht werde ich nicht mehr Tihange oder Doel | |
mitbekommen, aber was ist mit meiner Tochter und meinen Enkeln?“ An die | |
Hundert Menschen stehen dem Veranstalter zufolge im Hinterhof Schlange – | |
deutlich mehr als in Tongeren oder Namur, wo das [1][Bündnis „Stop | |
Tihange“] ebenfalls zur Aktion aufgerufen hat. | |
Seit Jahren stehen die beiden Kernkraftwerke Tihange nahe Lüttich und Doel | |
kurz vor der niederländischen Grenze wegen [2][Tausender Haarrisse an den | |
Behältern] in der Kritik. 2003 beschloss die belgische Regierung auf Druck | |
der Grünen den Atomausstieg. Seitdem die Partei aber nicht mehr in der | |
Koalition ist, hat sich kaum etwas getan. Anfang April bestätigte die | |
belgische Regierung: Bis spätestens 2025 sollen alle sieben Kernreaktoren | |
abgeschaltet sein. | |
Doch dagegen sträubt sich die größte Partei im Parlament N-VA. „Die | |
Abschaltung aller Kernkraftwerke bis 2025 kostet die Belgier jährlich | |
zwischen 1 und 1,8 Milliarden Euro zusätzlich“, sagt Andries Gryffroy, | |
Abgeordneter im Flämischen Parlament. Er wirbt für Tihange und Doel: | |
„Erschwinglichkeit, Energiesicherheit, Nachhaltigkeit.“ | |
## International anerkannte Sicherheitsmaßstäbe verletzt | |
15 Jahre nach dem Gesetzesabschluss geben sich die Grünen heute kleinlaut. | |
Auf die Argumente der N-VA haben sie trotz mehrfacher Anfragen keine | |
Antwort. Die Grünen sprechen von Meinungsumfragen, aus den hervorgehen | |
soll, dass eine Mehrheit der Belgier für einen frühzeitigen Atomausstieg | |
ist. Details dazu gibt es auf Nachfrage aber nicht. | |
Im Vergleich zu den Deutschen nehmen die Belgier ihre Kernkraftwerke und | |
deren Mängel gelassener – mit Ausnahme weniger kleinerer Gruppen. Ende | |
Februar machte zum Beispiel der Stadtrat in Lüttich Schlagzeilen, als er | |
einem Antrag für die sofortige Schließung von Tihange 2 und Doel 3 fast | |
einstimmig zustimmte. | |
Derweil machen die Grenzregionen und internationale Organisationen weiter | |
mobil gegen die Reaktoren. Tihange 2 verletze international anerkannte | |
Sicherheitsmaßstäbe, so jüngst das Atomexperten-Netzwerk Inrag. Die | |
Herkunft der Risse im Reaktordruckbehälter sei nicht mit ausreichender | |
Sicherheit geklärt. „Ein Reaktorbehälter darf nicht kaputtgehen. Wenn er | |
kaputtgeht, gibt es keine Sicherheitssysteme, die das auffangen“, sagt | |
Wolfgang Renneberg, früherer Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im | |
Bundesumweltministerium. | |
## Druck aus Deutschland | |
Anfang Februar bestätigte die belgische Atomaufsicht (FANC) acht sogenannte | |
„Precursor“-Fälle (deutsch: Vorbote) in Tihange 1 zwischen 2013 und 2015. | |
Ein Sprecher betonte aber, daraus könnten keine Rückschlüsse auf die | |
Sicherheit des Meilers gezogen werden. „Da wird ein Zusammenhang | |
hergestellt, aber es gibt keinen.“ | |
[3][Betreiber Engie Electrabel betont], dass die Wiederinbetriebnahme der | |
beiden vermeintlichen Pannen-Reaktoren nach einer umfangreichen | |
wissenschaftlichen Analyse durch unabhängige Experten genehmigt worden sei. | |
Tihange 2 war nach Entdeckung von Haarrissen 2014 wegen Sicherheitsbedenken | |
abgeschaltet worden, ging aber 2015 wieder ans Netz. Die Risse seien zwar | |
„marginal mechanischen Belastungen“ ausgesetzt, hätten aber „keinen | |
negativen Einfluss auf die strukturelle Unversehrtheit des Reaktorgefäßes“. | |
Während die Atomkraftwerke weiter Energie produzieren, wird der Druck der | |
Nachbarländer auf Brüssel größer. Im vergangenen Jahr hatte das | |
niederländische Parlament gefordert, vor allem das Pannen-Kraftwerk Tihange | |
so schnell wie möglich zu schließen. Dieses Votum hatte die Regierung auch | |
an Brüssel weiter gegeben. Die Regierung rechne fest damit, dass Belgien | |
die Pannen-Kraftwerke spätestens 2025 schließt. | |
Auch die Bundesregierung hatte Zweifel an der Sicherheit bei einem | |
möglichen Störfall und bat das Nachbarland, Tihange 2 vorerst vom Netz zu | |
nehmen. Die belgische Atomaufsicht sah aber bisher keinen Grund dafür. | |
Jüngst forderte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) | |
[4][die Abschaltung des Pannen-Reaktors]: „Je schneller, desto besser.“ | |
Bislang scheiterte er damit. | |
22 Apr 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stop-tihange.org/de/ | |
[2] https://fanc.fgov.be/nl/informatiedossiers/kerncentrales-belgie/actualiteit… | |
[3] http://corporate.engie-electrabel.be/de/lokaler-erzeugungspark/kernenergie/… | |
[4] /!5479883 | |
## AUTOREN | |
Khang Nguyen | |
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