# taz.de -- Entscheidung zum Atomausstieg: Vattenfall-Urteil verschoben | |
> Es geht um eine Milliardenklage des schwedischen Energiekonzerns gegen | |
> Deutschland. Das Schiedsgericht entscheidet frühestens im Mai. | |
Bild: Der Klagegrund: die Reststrommengen des AKW Krümmel in Geesthacht | |
KARLSRUHE taz | Das Schiedsurteil über die Milliardenklage von Vattenfall | |
wegen des Atomausstiegs verzögert sich. Statt im März wird der | |
Schiedsspruch nach Informationen der taz nun wohl frühestens im Mai | |
verkündet werden. Grund sind neue Zweifel an der Vereinbarkeit des | |
Verfahrens mit EU-Recht. | |
Vattenfall verlangt 4,4 Milliarden Euro Schadenersatz von Deutschland. Mit | |
Zinsen beläuft sich die Forderung inzwischen auf rund 6 Milliarden Euro. | |
Der schwedische Energiekonzern behauptet, durch den beschleunigten | |
Atomausstieg nach Fukushima seien die Reststrommengen für das AKW Krümmel | |
2011 entschädigungslos enteignet worden. Die Bundesregierung bestreitet | |
einen Schaden, Vattenfall könne die Reststrommengen noch verkaufen. | |
Bereits 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht Vattenfall eine | |
Entschädigung zugesprochen. Doch Vattenfall hielt seine parallele Klage vor | |
dem Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) in Washington aufrecht. Einerseits | |
hofft Vattenfall dort auf eine höhere Entschädigung. Außerdem versucht die | |
Betreibergesellschaft von Krümmel, auch Schäden in Höhe von 1,8 Milliarden | |
Euro einzuklagen, die letztlich Krümmel-Miteigentümer Eon betreffen. | |
Vattenfall beruft sich als ausländischer Investor auf die Energiecharta von | |
1994, denn Vattenfall gehört dem schwedischen Staat. Die Charta ist ein | |
Vertrag mit 53 Unterzeichnern, der nach dem Ende des Kalten Kriegs | |
Investitionen in den Energiesektor Osteuropas lenken sollte. Die Charta | |
schützt laut Vattenfall aber auch schwedische Unternehmen vor Enteignungen | |
in Deutschland. | |
## Neue Fragen an die Streitparteien | |
Eigentlich hatte das Schiedsgericht angekündigt, sein Urteil im „ersten | |
Quartal 2018“ zu sprechen. Das wäre spätestens Ende März gewesen. Nun haben | |
die drei Schiedsrichter unter Leitung des niederländischen Professors und | |
Anwalts Albert Jan van den Berg neue Fragen an die Streitparteien gestellt. | |
Anlass ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Anfang März. | |
Darin hat der EuGH bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen | |
EU-Staaten beanstandet, weil die darin vorgesehenen Schiedsgerichte das | |
EU-Recht anders auslegen könnten als der EuGH. Im konkreten Fall „Achmea“ | |
ging es um einen Vertrag zwischen den Niederlanden und der Slowakei. | |
Die ICSID-Schiedsrichter wollen nun wissen, welche Auswirkungen das | |
Achmea-Urteil auf die Energiecharta und die dort vorgesehene | |
Streitschlichtung hat. Für Vattenfall ist die Antwort klar: Das | |
Achmea-Urteil passe nicht auf die Energiecharta. Denn dort sei die EU | |
selbst als Vertragspartei beteiligt. Außerdem könnten ICSID-Schiedsgerichte | |
dem EuGH Fälle vorlegen, um dessen Auslegung des EU-Rechts zu | |
berücksichtigen. | |
Die Bundesregierung tut sich mit der Antwort deutlich schwerer. Eigentlich | |
befürwortet sie die Schiedsgerichtsbarkeit zum Schutz ausländischer (also | |
auch deutscher) Investoren. Deshalb kann sie nun nicht einfach das | |
Achmea-Urteil nutzen, um die Vattenfall-Klage generell infrage zu stellen. | |
Erst einmal hat Berlin Fristverlängerung für eine Stellungnahme beantragt. | |
Offiziell kommentiert der neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die | |
Entwicklung nicht. | |
Dagegen sehen sich Gegner einer Investorenschutz-Schiedsgerichtsbarkeit | |
nach dem Achmea-Urteil im Aufwind. So fordert Karl Bär, Handelsreferent | |
beim Münchener Umweltinstitut, den sofortigen Ausstieg Deutschlands aus der | |
Energiecharta. Sein Vorbild ist Italien, das schon 2015 ausgetreten ist. | |
Allerdings kann Italien noch jahrzehntelang verklagt werden, wenn alte | |
Investitionen betroffen sind. | |
21 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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