# taz.de -- Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft: Die Ecowas schrumpft | |
> Die Ecowas verliert drei Mitglieder. Die Militärregierungen von Mali, | |
> Burkina Faso und Niger wollen austreten. Die Organisation weiß davon noch | |
> nichts. | |
Bild: Am Ecowas-Tisch werden Plätze frei – Archivbild vom Verteidigungsminis… | |
COTONOU taz | Es sorgt für Wirbel in Westafrika: Die Länder [1][Mali], | |
[2][Burkina Faso] und Niger, in [3][denen Militärregierungen an der Macht | |
sind], wollen [4][die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas] – | |
derzeit hat sie 15 Mitgliedstaaten – mit sofortiger Wirkung verlassen. Die | |
vor 49 Jahren gegründete Regionalorganisation würde „unter dem Einfluss | |
ausländischer Mächte“ stehen und deren Gründungsprinzipien verraten. Das | |
sei eine Bedrohung für die Mitgliedstaaten, heißt es in einer gemeinsamen | |
Presseerklärung. Für Mali las diese Oberst Abdoulaye Maïga, in der | |
Übergangsregierung Minister für territoriale Verwaltung und | |
Dezentralisierung, im Staatsfernsehen vor. | |
Weiter heißt es, dass die Organisation Mali 2012 im Kampf gegen | |
terroristische Gruppierungen nicht unterstützt habe. Die damalige | |
Entwicklung gilt als Auslöser für [5][die schwere Sicherheitskrise im | |
Sahel]. Aufgrund der Ausbreitung von Terrorbewegungen, die dem „Islamischen | |
Staat“ (IS) und al-Qaida nahestehen, sind mehr als drei Millionen Menschen | |
auf der Flucht. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung geht allerdings auch von | |
staatlichen Sicherheitskräften aus. | |
In ihrer Erklärung betonen die Staats- und Regierungschefs der drei | |
Sahel-Staaten außerdem, sie wollten Verantwortung für die Geschichte | |
übernehmen und auf Erwartungen, Sorgen und Sehnsüchte der Bevölkerung | |
reagieren. Die Wortwahl erinnert an den in der Region hoch verehrten | |
burkinischen Nationalhelden Thomas Sankara, der nach einem Putsch 1983 die | |
Macht übernahm und im Oktober 1987 ermordet wurde. In seiner berühmten Rede | |
vor den Vereinten Nationen betonte auch er, Burkina Faso wolle sein | |
Schicksal künftig selbst in die Hand nehmen. | |
Im Kurznachrichtendienst X gab die Ecowas bekannt, bisher nicht formell | |
über den Austritt informiert worden zu sein. Atiku Abubakar, der bei | |
[6][der Präsidentschaftswahl in Nigeria im vergangenen Jahr] hinter Bola | |
Tinubu Zweiter wurde, nannte die Entwicklung „besorgniserregend“. Es | |
handele sich um einen ernsthaften diplomatischen Zusammenbruch. | |
Nigerias Präsident Tinubu, der aktuell Vorsitzender der Organisation ist, | |
äußerte sich bisher nicht. Er befindet sich privat in Frankreich. Auch | |
andere Staats- und Regierungschefs haben die Entwicklung noch nicht | |
kommentiert. | |
Mali ignorierte Forderungen der Ecowas | |
Mit der Ankündigung erreichen die Spannungen zwischen der | |
Regionalorganisation und den drei Sahel-Staaten einen neuen Höhepunkt. Seit | |
dem ersten [7][Putsch im August 2020 in Mali] hat die Ecowas Wahlen und | |
somit die Rückkehr zu einer zivilen Regierung gefordert. Mali ignorierte | |
das mehrfach und setzte dafür erarbeitete Zeitpläne mehrfach aus. Vor zwei | |
Jahren verhängte Sanktionen änderten daran nichts, sondern schürten | |
innerhalb der Bevölkerung die Wut auf die Ecowas. Vermittlungen | |
scheiterten. | |
Ungewohnt deutlich wurde der regionale Block nach dem [8][Putsch in Niger | |
im Juli 2023]. Tinubu drohte mit einer Militärintervention, zu der es | |
jedoch nie kam. Wirtschaftssanktionen bestehen allerdings weiterhin, wozu | |
auch eine geschlossene Grenze zum südlichen Nachbarland Benin gehört. | |
Lebensmittelpreise sind gestiegen. Hilfsorganisationen warnten in den | |
vergangenen Monaten mehrfach, dass auch medizinische Produkte knapp werden | |
und sich verteuern, weil kein Nachschub ins Land kommt. | |
Die Kritik an dem regionalen Zusammenschluss, der einst wirtschaftliche | |
Beziehungen vereinfachen wollte, ist allerdings nicht neu. Beispielsweise | |
kritisierten Aktivist:innen, dass die Organisation Verfassungsänderungen | |
zulasse, damit Präsident:innen länger als vorgesehen an der Macht | |
bleiben können. Das betraf die Elfenbeinküste und Togo. | |
Die Ecowas gilt auf dem Kontinent als stärkste Regionalorganisation. | |
Zentral ist das Protokoll zur Personenfreizügigkeit aus dem Jahr 1979. Es | |
regelt, dass Ecowas-Bewohner:innen innerhalb der Region keinen Reisepass | |
brauchen, sich bis zu 90 Tage ohne Visum in allen Mitgliedstaaten aufhalten | |
und ihren Wohnsitz frei wählen können. | |
Bisher hat es erst einen Austritt gegeben: Gründungsmitglied Mauretanien | |
verließ die Organisation im Jahr 2000. Seit 2019 gibt es allerdings wieder | |
ein Kooperationsabkommen. Eins der Ziele der Ecowas ist es, die | |
Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung zu stärken. | |
29 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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