# taz.de -- UN-Abzug aus Mali: Alleingelassen im Sahel | |
> Der UN-Abzug aus Mali und die Sanktionen gegen Niger erschweren die | |
> Arbeit internationaler Hilfswerke. Die langfristigen Folgen im Sahel sind | |
> unklar. | |
Bild: Minusma Konvoy in der Nähe von Gao | |
COTONOU taz | In wenigen Wochen ist die UN-Mission für Mali (Minusma) | |
Geschichte. Bis Jahresende sollen alle Blauhelmsoldaten das Land verlassen | |
haben, wie es der UN-Sicherheitsrat [1][im Juni auf Wunsch von Malis | |
Militärregierung] beschloss. Neun der ursprünglich 12 UN-Basen im Land | |
wurden bereits geräumt. Das Bundeswehrkontingent im ostmalischen Gao | |
befindet sich nach eigenen angaben im „Endspurt“, um Mali fristgerecht zu | |
verlassen. | |
„Der Rückbau läuft auf Hochtouren, viele Einheiten sind bereits abgezogen�… | |
erklärte an diesem Montag die Bundeswehr. Bundesverteidigungsminister Boris | |
Pistorius (SPD) sagte bei einer Regierungsbefragung am Mittwoch im | |
Bundestag, dass er bis Mitte Dezember mit einem vollständigen Abzug der | |
Bundeswehr aus dem westafrikanischen Krisenland rechne. | |
Vor Ort gehen mit dem UN-Abzug enorme Konsequenzen einher. Im Norden Malis | |
haben Kämpfe zwischen Regierungsarmee und bewaffneten Gruppen enorm | |
zugenommen, etwa weil Regierung und Tuareg-Rebellen sich um die Übernahme | |
von UN-Basen stritten. | |
Mitte November feierte Malis Armee die Rückeroberung der Stadt Kidal nach | |
elf Jahren in Tuareg-Rebellenhand. In Timbuktu und Umgebung starben | |
Dutzende Menschen, als Anhänger der islamistischen Terrorgruppe JNIM | |
(Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime) einrückten. | |
Vergangene Woche besetzte JNIM die nahe Stadt Nianfunke und vertrieb die | |
dort stationierte Armee. | |
Das führe zu einer steigenden Zahl an Binnenflüchtlingen, sagt Mahamadou | |
Issoufou-Wasmeier, Regionaldirektor für West- und Zentralafrika der | |
Welthungerhilfe. „Gemeinden, die sie aufnehmen, sind durch den steigenden | |
Druck auf die wenigen vorhandenen Ressourcen vermehrt auf humanitäre Hilfe | |
angewiesen.“ Gleichzeitig sinke die landwirtschaftliche Produktivität, etwa | |
aufgrund von Verlusten von Ernten durch eingeschränkten Zugang zu den | |
Feldern. „Es ist noch nicht absehbar, inwiefern sich die Sicherheitslage | |
verändern wird und sich beispielsweise durch zusätzliche Sicherheitsrisiken | |
die Durchführung von humanitären Maßnahmen erschweren wird“, so | |
Issoufou-Wasmeier. | |
Auch Ilaria Allegrozzi, Sahel-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human | |
Rights Watch, bezeichnet den Minusma-Abzug als „Grund zur Sorge“. Nicht nur | |
im Bereich Sicherheit entstehe ein Vakuum, sondern auch bei der Überwachung | |
von Menschenrechtsverletzungen durch alle Konfliktparteien. „Wer wird diese | |
Aufgabe übernehmen? Wird es die malische Menschenrechtskommission? Wird die | |
Übergangsregierung externe Beobachter zulassen?“ Die UN-Mission könne | |
durchaus kritisiert werden, so Ilaria Allegrozzi. „Sie hat allerdings den | |
Dialog zwischen verschiedenen Gruppen erleichtert. Sie hat sich um Logistik | |
gekümmert und war zentral bei der Organisation des Verfassungsreferendums.“ | |
## Burkina Faso und Niger, ohne hochrangige UN-Mitarbeiter | |
Seit den Staatsstreichen in Burkina Faso und Niger sind auch dort mehrere | |
hochrangige UN-Mitarbeiter:innen ausgewiesen worden. UN-Koordinatorin | |
Barbara Manzi musste Burkina Faso im Dezember 2022 verlassen. Mitte Oktober | |
wies in Niger die Militärjunta Abdourahamane Tiani Louise Aubin aus, | |
höchste UN-Vertreterin im Land. Nur einen Tag zuvor hatten die USA die | |
Kürzung von 500 Millionen US-Dollar an Wirtschaftshilfe angekündigt. | |
Paolo Cernuschi, Niger-Landesdirektor des Hilfswerks International Rescue | |
Committee (IRC), sagt: „Sie hatte die Möglichkeit, auf höchster Ebene | |
Gespräche zu führen. Der Dialog wird schwieriger werden. Nichtstaatliche | |
Organisationen müssen diese Rolle übernehmen.“ Wichtig seien die | |
UN-Strukturen außerdem, um Hilfe zu koordinieren. | |
Auf nichtstaatliche Organisationen kommen noch weitere Aufgaben hinzu. Seit | |
der Machtübernahme des Militärs haben zahlreiche Länder, darunter auch | |
Deutschland, die bilaterale Zusammenarbeit mit Niger ausgesetzt. | |
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze kündigte im Oktober an, dass | |
Deutschland verstärkt auf Nichtregierungsorganisationen setze und rund acht | |
Millionen Euro zusätzlich bereitstelle. | |
Niger ist in hohem Maße abhängig von internationalen Geldern. Prognosen | |
zufolge sollte der Haushalt 2023 in Höhe von 5,3 Milliarden US-Dollar zu | |
gut 40 Prozent von externen Partnerländern finanziert werden. | |
Anfang Oktober kündigte die Junta an, ihn um rund 40 Prozent zu kürzen. | |
Gleichzeitig verschlechtert sich die Versorgungslage. Nigers Grenzen zu | |
Benin und Nigeria bleiben aufgrund der [2][von der Westafrikanischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verhängten Sanktionen] geschlossen. Waren | |
aus Übersee, die sonst über Benins Hafen Cotonou nach Niger kommen, müssen | |
jetzt kompliziert und kostenintensiv über Togo und Burkina Faso ins Land | |
gebracht werden. | |
„Gesundheitszentren, die wir unterstützen, gehen die Vorräte aus“, sagt | |
Cernuschi. Problematisch für alle sei die schlechte Stromversorgung, die | |
für Kühlketten für Impfstoffe wichtig sei – Nigeria hat die Stromversorgung | |
für Niger gekappt. Die Ausfälle mithilfe von Dieselgeneratoren zu | |
überbrücken, sei teuer. | |
Auch wird [3][Bargeld knapp] und Überweisungen zunehmend komplizierter. | |
Dabei wird viel Hilfe für die Ärmsten in Niger mit Bargeld geleistet: Die | |
Empfänger:innen entscheiden selbst, was sie am nötigsten brauchen und | |
kaufen das auf lokalen Märkten, was zielführender und billiger ist, als | |
wenn auswärtige Hilfswerke einkaufen und dann verteilen. Aber bei | |
Geldmangel wird auch dies schwieriger. „Die Hilfe wird immer teurer, und | |
gleichzeitig steigt der Bedarf. Der Druck auf uns wächst“, sagt Cernuschi. | |
30 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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