# taz.de -- Wegen Streit mit der EU: Lachs aus Norwegen nicht mehr bio | |
> Die gesamte Ware des Landes verliert das Siegel der EU, auch der beliebte | |
> Edelfisch. Importeure kaufen in Irland, die Preise ziehen an. | |
Bild: Hier zwei noch ganz junge Lachse | |
BERLIN taz | Norwegischer Biolachs darf derzeit nicht mit dem Biosiegel der | |
Europäischen Union gekennzeichnet werden. „Der Regelungsausschuss für die | |
biologische Produktion in der EU hat Mitte Juli entschieden, dass die | |
Mitgliedstaaten nicht mehr als bio ausgelobten Lachs aus Norwegen | |
importieren dürfen“, teilte die staatliche Marketingorganisation Norwegian | |
Seafood Council der taz mit. Der Grund sei, dass Norwegen und Brüssel sich | |
bislang nicht einigen konnten, EU-Ökoverordnungen aus den Jahren 2007 und | |
2008 in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum zu integrieren. | |
Jetzt dürfe nur noch norwegischer Ökolachs als bio verkauft werden, der vor | |
der Entscheidung importiert wurde. | |
Das Nicht-EU-Mitglied Norwegen ist einer der wichtigsten Lieferanten von | |
Biolachs für den deutschen Markt. Schätzungen zufolge werden dort jährlich | |
etwa 16.000 Tonnen im Wert von 100 Millionen Euro erzeugt, was einem | |
Prozent der norwegischen Lachsproduktion insgesamt entspricht. Das meiste | |
geht nach Deutschland. | |
Dass im Moment die EU als Absatzmarkt für Biolachs aus Norwegen gesperrt | |
ist, hat nichts mit dem Fisch selbst zu tun. Er ist offensichtlich genauso | |
öko wie der aus der EU. „In Fachkreisen besteht kein Zweifel an der | |
verordnungskonformen Produktion in Norwegen“, erklärt die Geschäftsstelle | |
der deutschen Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau. | |
Es geht vielmehr um die norwegischen Regeln für die Ökohaltung von Schafen. | |
Diese weichen von denen der EU ab. Norwegen will weiter Stallböden mit | |
Spalten zulassen, durch die die Exkremente fallen können. Brüssel schreibt | |
aus Tierschutzgründen hingegen vor, dass höchstens die Hälfte des Bodens | |
Spalten haben darf. Deswegen ist Norwegen nicht bereit, die neuen | |
EU-Verordnungen zu akzeptieren. Deshalb betrifft die Aberkennung des | |
EU-Ökosiegels alle norwegischen Bioprodukte – auch den Lachs, wie eine | |
Sprecherin der EU-Kommission bestätigte. | |
## „Alles nur, weil der Öko-Amtsschimmel laut wiehert“ | |
„Norwegen ist der größte Lieferant von Biolachs, und deshalb kann die Lücke | |
momentan nicht geschlossen werden“, sagt Martina Buck, Sprecherin des | |
Fischverarbeiters Deutsche See. Andere Anbieter weichen zum Beispiel auf | |
Lieferanten aus Irland aus. „Der Preis für irischen Biolachs ist von einem | |
Tag auf den anderen um 1 Euro gestiegen“, sagt ein Brancheninsider. Die | |
Gefahr sei, dass die Leute wegen höherer Preise und geringerer | |
Verfügbarkeit nun mehr konventionelle Ware kauften. „Und das alles nur, | |
weil der Öko-Amtsschimmel laut wiehert.“ | |
Keine Lieferengpässe hat der Friedrichshafener Importeur followfood, dessen | |
Fischmarke „followfish“ im Biofachhandel mit schätzungsweise 40 Prozent | |
Marktanteil die größte ist. Im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel | |
gehört sie zu den fünf wichtigsten. Bisher reichten die Lagerbestände, um | |
den Markt zu versorgen, auch weil followfish nur Tiefkühlware verkaufte. | |
Das mittelständische Unternehmen bezieht bislang seinen Biolachs | |
ausschließlich aus Norwegen. „Aber natürlich prüfen wir im Hintergrund | |
schon Alternativen. Falls Norwegen rausfallen sollte, könnten wir das auf | |
jeden Fall durch andere Lieferanten etwa in Schottland oder Irland | |
ersetzen“, sagte Firmensprecherin Ingeborg Trampe der taz. | |
EU-Agrarkommissar Phil Hogan will den zuständigen norwegischen Minister am | |
27. September treffen. Dabei werden sie wohl versuchen, eine Lösung zu | |
finden. Hogan kommt übrigens aus Irland. | |
Das EU-Ökologo gibt es nur für Lachs aus Aquakulturen, nicht für Fisch aus | |
dem Wildfang. Die Europäische Union verlangt für Aquakulturen zum Beispiel | |
mehr Platz pro Fischals in konventionellen Anlagen üblich. Der | |
Medikamenteneinsatz ist beschränkt, pflanzliche Futtermittel müssen aus der | |
Ökolandwirtschaft stammen, Fischmehl und -öl im Futter aus der Verarbeitung | |
von Speisefischen. Das soll Fischerei eigens zu Futterzwecken verhindern. | |
5 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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