# taz.de -- Biobauern-Chef über Agrarindustrie: „Wir wollen echte Bauern“ | |
> Dürfen Agrarindustrielle bei Bioland mitmachen? Jan Plagge, Chef des | |
> Öko-Bauernverbands, verteidigt die Verhandlungen. | |
Bild: Ist ein Hof mit vielen Schweinen noch bio oder dann Agrarindustrie? | |
taz: Herr Plagge, große Investoren erobern auch die Öko-Landwirtschaft | |
immer mehr. Wo verläuft für Sie die Grenze zur Agrarindustrie, die kein | |
Biolandbetrieb überschreiten darf? | |
Jan Plagge: Wir haben bei Bioland sieben Prinzipien. Zum Beispiel, dass wir | |
die biologische Vielfalt fördern und die Bodenfruchtbarkeit bewahren | |
wollen. Die Grenze zwischen bäuerlicher und industrieller Landwirtschaft | |
ziehen wir dann, wenn Unternehmensstrukturen an einem Hof beteiligt sind, | |
die in ihrer täglichen Arbeit das Gegenteil von dem machen, was in den | |
Bioland-Prinzipien festgelegt ist. Deshalb ist es das absolute No-Go, wenn | |
Höfe etwa Investoren aus der Futtermittelbranche gehören, die mit | |
gentechnisch veränderten Pflanzen handeln, die auf eine Landwirtschaft mit | |
dem wahrscheinlich krebserregenden Pestizid Glyphosat setzen, also in der | |
Breite die konventionelle Landwirtschaft fördern. | |
Welche Rolle muss der Bauer Ihrer Meinung nach in den Betrieben spielen? | |
Wir wollen nur echte, eigenständige Bauern. Bioland ist vor über 40 Jahren | |
gegründet worden, damit Bauern eine möglichst freie und unabhängige Zukunft | |
haben. Aus diesem Grund lehnen wir Modelle ab, wo der, der auf dem | |
Bauernhof arbeitet, nur noch ein Teil einer aus der Agrarindustrie | |
gesteuerten Kette ist. | |
Warum haben Sie keine Obergrenze für die Tiere pro Betrieb? | |
Weil jede Obergrenze an manchen Standorten zu niedrig und an anderen zu | |
hoch wäre. Wir haben zum Beispiel mal ein Limit von zwei | |
Geflügelstallgebäuden mit je 6.000 Legehennen auf einem Hof diskutiert. Im | |
Allgäu wäre aber nur ein Stallgebäude angemessen, weil dort sonst nicht | |
genügend Geflügelfutter erzeugt werden könnte. In anderen Regionen wie | |
Ostdeutschland dagegen habe ich sehr viel Fläche für Auslauf und Futter. | |
Dort kann ein Betrieb Futter für mehr Tiere produzieren. | |
Was sagen Sie zu dem Gegenargument, auf größeren Höfen hätten die | |
Mitarbeiter im Schnitt weniger Zeit für das einzelne Tier? | |
Da sehe ich keinen automatischen Zusammenhang. Der Arbeitsaufwand je Tier | |
sinkt in größeren Betrieben aufgrund der Mechanisierung, dadurch sinkt aber | |
nicht zwangsläufig der Betreuungsaufwand. Bioland kontrolliert jedes Jahr | |
die Gesundheit der Tiere und damit auch die Betreuung und das | |
Gesundheitsmanagement von allen Betrieben. Größere Betriebe werden viermal | |
häufiger kontrolliert als kleine Betriebe. | |
Jetzt redet Bioland mit dem als „Agrarindustrie-Konzern“ kritisierten | |
Schweinezuchtunternehmen Kläne-Menke über eine eventuelle Mitgliedschaft. | |
Verraten Sie Ihre Prinzipien? | |
Nein, Bioland lehnt agrarindustrielle Strukturen ab. Die Kläne-Menkes sind | |
keine Firmengruppe, sondern wir sprechen mit der Firma AFC Kläne-Menke der | |
Brüder Matthias und Markus Kläne-Menke. Die sind auf uns zugekommen, weil | |
sie in ihrer Region Cloppenburg, die sehr stark von konventioneller | |
Schweinehaltung und Geflügelmast geprägt ist, in die ökologische | |
Landwirtschaft einsteigen wollen. Es ist die Aufgabe von Bioland, mit | |
Bauern zu sprechen, die so etwas vorhaben. | |
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft wirft Kläne-Menke | |
Massentierhaltung vor – mit mindestens 5.000 Sauen und 10.000 Stallplätzen | |
für die Mast. | |
Für den Betrieb, mit dem wir sprechen, sind die Zahlen falsch. | |
Möglicherweise beziehen sie sich auf die gesamte Großfamilie Kläne-Menke. | |
Ich kann doch nicht die beiden Brüder, die auf biologische Tierhaltung | |
umstellen wollen, in einen Topf mit der gesamten Verwandtschaft werfen. Die | |
Brüder planen einen Biobetrieb mit 400 bis 450 Sauen zur Ferkelerzeugung. | |
Das ist für einen Bioland-Betrieb nicht wenig, aber auch nicht riesig. Sie | |
haben noch zwei weitere Standorte mit konventioneller Sauenhaltung in einer | |
ortsüblichen Größenordnung. Die genauen Zahlen können wir nicht nennen, | |
weil sie aus vertraulichen Gesprächen stammen. | |
Wie viele Sauen hat denn der durchschnittliche Bioland-Betrieb? | |
Die Bioland-Sauenhalter, die mit jeweils über 20 Sauen im nennenswerten | |
Umfang Ferkel für den Verkauf produzieren, halten im Schnitt 96 Sauen. | |
Wenn die Kläne-Menkes ihre drei Standorte auf Bioland umstellen, sind das | |
so viele Sauen wie auf keinem anderen Bioland-Betrieb. Könnten die | |
Kläne-Menkes kleinere Höfe verdrängen? | |
Die Nachfrage nach Bioland-Tieren ist riesengroß, und wir können sie | |
momentan nicht abdecken. Deswegen sehe ich überhaupt keine Gefahr, dass | |
irgendwer verdrängt wird. Im Gegenteil: Davon könnten andere | |
Bioland-Mastbetriebe profitieren, weil sie dann ausreichend mit Ferkeln | |
versorgt werden. | |
Aber große Betriebe können doch die Stückkosten senken, so dass kleine Höfe | |
unter Druck geraten. | |
Jeder Betrieb, der kleinere Stückzahlen hat, hat andere Stärken, die er | |
wirtschaftlich ausspielen kann. Und die größeren Betriebe haben die | |
Herausforderung, dass sie mit Angestellten arbeiten müssen und damit in der | |
Regel auch hohe Kosten haben. | |
Warum helfen Sie nicht kleineren Sauenhaltern stärker, um den Bedarf zu | |
decken? | |
Wir fördern kleinere Betriebe. Wir beraten und fördern jeden. Wir haben | |
einen Berater eingestellt für den Aufbau oder die Erweiterung der | |
Sauenhaltung. | |
AFC kann nach eigenen Angaben pro Woche 2.700 Ferkel liefern, die von | |
Zuchtsauen stammen, die oft mehr Ferkel werfen, als sie säugen können. Das | |
ist aus Tierschutzsicht sehr umstrittenen. Ist das nicht „Agrarindustrie“? | |
Die Produktion ist derzeit natürlich eindeutig nicht nach unseren Vorgaben. | |
Bei der Umstellung auf Bio geht es jetzt auch um einen Rückbau des | |
Betriebs. Wir verlangen, dass die beiden Kläne-Menke-Brüder schrittweise | |
100 Prozent Bioland machen – an allen Standorten und in allen | |
Unternehmensbeteiligungen. Die Menschen, die sich bei Bioland engagieren, | |
dürfen nicht nebenher noch konventionelle Betriebe betreiben und wenn doch, | |
muss es einen Plan geben, wann sie 100 Prozent umstellen. | |
Ausgerechnet der größte deutsche Ackerbaukonzern, KTG Agrar mit | |
Zehntausenden von Hektar in Deutschland und anderen Staaten, liefert seine | |
Ernte auch an Bioland-Betriebe. Wie kann das sein? | |
Wenn Bioland-Ware etwa für Kraftfutter knapp oder nicht verfügbar ist, | |
suchen unsere Futtermittelmühlen nach Alternativen. In solchen | |
Ausnahmefällen ist es möglich, dass auch Ware ohne Bioland-Siegel, aber mit | |
EU-Bio-Zertifizierung und zusätzlicher Prüfung der Bioland-Vorgaben im | |
Futtertrog landet. Es gibt KTG-Betriebe in Osteuropa, die an diesem | |
Zulassungssystem teilnehmen. | |
Liefert KTG Rohstoffe lediglich für Futter oder auch für Lebensmittel? | |
Das gilt nur für Futtermittel. | |
Wie viel KTG-Ware wird in Bioland-Produkten verarbeitet? | |
Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahren lag der Anteil bei den | |
zugelassenen Futtermitteln unter drei Prozent. | |
KTG ist das Sinnbild für die Agrarindustrie im Ackerbau schlechthin. | |
Schadet die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen nicht Ihrem Image als | |
bäuerlichem Verband? | |
Das entspricht nicht zu 100 Prozent unseren Zielen und Prinzipien. Deshalb | |
will ich die Liefermengen von KTG an die Bioland-Futtermittelwerke auf null | |
reduzieren. Unsere Vorgaben werden erweitert, so dass auch Lieferanten von | |
zugelassener Ware nur Biolandwirtschaft und nicht noch in anderen Betrieben | |
konventionelle Landwirtschaft betreiben. | |
9 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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