# taz.de -- Vorwürfe aus Niedersachsen: Holland-Hühner nicht ganz bio | |
> Zoff zwischen Niedersachsen und den Niederlanden: Wenn der Nachwuchs | |
> konventioneller Hennen Eier legt, sind die dann bio? | |
Bild: Das Ei ist bio, die Hühner aber auch? | |
BERLIN taz | Der niedersächsische Agrarminister Christian Meyer wirft | |
holländischen Ökohühner-Haltern Verstöße gegen die EU-Bioverordnung vor. | |
„Die Niederlande exportieren in sehr großem Umfang billige Junghennen für | |
die Bioeier-Produktion, die nach Auffassung Niedersachsens zu Unrecht das | |
Ökosiegel tragen“, sagte der Grünen-Politiker der taz. Anders als von der | |
Europäischen Union vorgeschrieben stammten die holländischen Hühner von | |
konventionellen Elterntieren. Zudem würden 24.000 oder mehr Junghennen in | |
einem Stall gehalten, obwohl maximal 4.800 erlaubt seien. „Wo ‚Bio‘ | |
draufsteht, müssen auch die Eltern bio gehalten werden“, forderte Meyer, in | |
dessen Bundesland die meisten Öko-Legehennen der Republik gehalten werden. | |
Angebliche Bio-Jungtiere aus den Niederlanden seien 1 bis 2 Euro billiger | |
als deutsche, ergänzte der Agrarminister. So würden die Holländer es | |
schaffen, jedes Jahr schätzungsweise 1 bis 1,5 Millionen Junghennen in | |
mehrere deutsche Bundesländer zu verkaufen. Das entspricht ungefähr der | |
Produktion der niedersächsischen Lieferanten von Öko-Junghennen. | |
Meyer befürchtet, dass die deutschen Halter von Bio-Elterntieren „diese | |
Situation nicht lange durchhalten können“ und bald aufgeben müssten. „Dann | |
muss wieder auf konventionelle Elterntierhaltungen zurückgegriffen werden. | |
Aus Sicht des Tier- und des Verbraucherschutzes wäre das ein fatales | |
Signal.“ Denn konventionelle Tiere haben, anders als Biohühner, keinen | |
Auslauf, weniger Platz im Stall und bekommen kein Ökofutter. | |
Niedersachsen hat deshalb Meyer zufolge vor wenigen Tagen das | |
Bundeslandwirtschaftsministerium in einem Schreiben darum gebeten, die | |
EU-Kommission einzuschalten. Meyer will, dass sie kurzfristig eine | |
einheitliche Vorgabe zu den Mindeststandards für Bio-Legehennen- und | |
-Masthähnchen-Elterntieren erlässt. „Legehennen und Masthähnchen von | |
Elterntieren, die in Zukunft nicht nach diesen Mindeststandards erzeugt | |
werden, sollten nicht mehr unter dem Siegel ‚Bio‘ in der EU vermarktet | |
werden dürfen“, sagt er. | |
## Viel Unmut gegenüber den Niederländern | |
Auch in anderen Bundesländern regt sich Unmut gegen die holländischen | |
Konkurrenten. Zum Beispiel bei Friedrich Behrens, der die größte deutsche | |
Elterntierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern betreibt. „Wir haben uns | |
bereits im Januar bei der EU-Kommission beschwert“, sagt der | |
Agrarunternehmer. „Derzeit beträgt unser Schaden zigtausend Euro pro Tag. | |
Das macht natürlich keinen Spaß. Wir überlegen, ob wir aus den | |
Bio-Elterntieren ganz normale Legehennen machen.“ | |
Doch die zuständige niederländische Bio-Kontrollstelle, der Monopolist | |
Skal, hält an ihrer Linie fest. „Gemäß der EU-Bio-Verordnung 889/2008 nutzt | |
die holländische Geflügelbranche konventionelle Küken, die nicht älter als | |
3 Tage sind, und wandelt sie direkt in Bio-Hühner um“, schrieb der | |
zuständige Projektmanager Jan Hoekman der taz. In den Niederlanden seien | |
keine Bio-Küken verfügbar, weil „es keine europäische Bio-Regulierung für | |
Bio-Elterntiere gibt.“ Auch die Haltung von Öko-Junghennen sei von der EU | |
nicht geregelt. „Deshalb haben die Niederlande nationale Gesetze | |
entwickelt.“ Und die erlauben eben, sehr viele Tiere in einem Stall zu | |
halten. | |
Niedersachse Meyer hält dem die EU-Bio-Verordnung entgegen, in der für alle | |
Tierarten zum Beispiel festgelegt sei: „Die Tiere müssen ständigen Zugang | |
zu Freigelände, vorzugsweise zu Weideland, haben, wann immer die | |
Witterungsbedingungen und der Zustand des Bodens dies erlauben“. Der Grüne | |
verweist außerdem auf die Öko-Vorschriften speziell für „Hühner“, die l… | |
EU-Kommission ebenso für Elterntiere gelten würden. | |
Allerdings könnten auch die Niederlande Deutschland Verstöße gegen diese | |
Regeln vorwerfen. Denn Mecklenburg-Vorpommern erlaubt Ökolandwirt Behrens | |
bislang nur, dass er 11.700 seiner 25.700 Elterntiere auf einem | |
unbefestigten Boden unter freiem Himmel hält. Der Rest hat lediglich einen | |
überdachten Auslauf mit Betonboden. Das soll das Risiko reduzieren, dass | |
etwa Wildvögel die Tiere mit Infektionskrankheiten anstecken, deren Erreger | |
dann mit den Junghennen in andere Betriebe übertragen werden. | |
Meyer hält diese Gefahr für übertrieben und hat seinen Hühnerhaltern | |
vorgeschrieben, allen seit Anfang vergangenen November eingestallten | |
Elterntieren Grünauslauf zu gewähren. Das betrifft Meyers Ministerium | |
zufolge bislang aber nur die Hälfte der 12.000 Legehennen-Elterntiere und | |
ein Drittel der Masthähnchen-Elterntiere. Immerhin werden die sonstigen | |
Anforderungen etwa an den Platz im Stall zu 100 Prozent erfüllt. Und | |
demnächst sollen alle Elterntiere ins Freie dürfen. | |
Das Bundesagrarministerium teilte mit, es stehe mit der EU-Kommission in | |
Kontakt, „um in dieser Angelegenheit eine praxisgerechte Lösung zu | |
vereinbaren“. | |
12 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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