# taz.de -- Neue Regeln für Ökoprodukte: Aus für die EU-Bio-Agentur | |
> Eine zentrale Kontrollstelle scheitert am EU-Parlament. Die sollte | |
> eigentlich in Betrugsfällen tätig werden und so das Vertrauen in die | |
> Branche steigern. | |
Bild: Echt bio? Zentral überprüfen lassen wird sich das wohl nicht | |
Berlin taz | Eine zentrale Bioagentur für die EU wird es wohl nicht geben: | |
Das Europäische Parlament konnte sich bei seiner Abstimmung zur Reform der | |
EU-Ökoverordnung in der vergangenen Woche nicht auf eine solche | |
Kontrollstelle einigen. Sie war ein zentraler Punkt in dem Entwurf, den der | |
Grüne Martin Häusling als Berichterstatter im Auftrag aller Fraktionen des | |
EU-Parlaments vorgelegt hatte und sollte unter anderem in Betrugsfällen | |
tätig werden. | |
Mit der Erneuerung der EU-Ökoverordnung will die EU-Kommission das | |
Vertrauen von VerbraucherInnen in Bioprodukte stärken und Regeln | |
vereinheitlichen. Noch ist der Reformprozess nicht abgeschlossen: Mit der | |
jetzigen Abstimmung des Landwirtschaftsausschusses beginnen die | |
Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament für den | |
endgültigen Entwurf. | |
Häusling hatte die Agentur unter anderem als Kontrollinstanz vorgesehen, | |
die sich in Verdachtsfällen von Biobetrug einschaltet und über die | |
Ländergrenzen hinweg Informationen dazu koordiniert. Bei den Skandalen in | |
den vergangenen Jahren war das Fehlen einer solchen Stelle immer wieder | |
bemängelt worden. Häusling beklagte nach der Abstimmung vor allem eine | |
heftige Einmischung der EU-Kommission in die Meinungsbildung der | |
Parlamentarier. | |
„Die Mehrheit im Agrarausschuss hat viele gute Kompromissanträge | |
mitgetragen, obwohl die Kommission in den letzten Tagen auf unfaire Weise | |
und am offiziellen Verfahren vorbei Abgeordnete in Einzelgesprächen unter | |
Druck gesetzt hat, um bestimmte Kompromisse zu Grenzwerten und zur | |
Einrichtung einer Agentur auf EU-Ebene zu verhindern“, schreibt Häusling in | |
einer Stellungnahme. Es sei schon sehr ungewöhnlich, dass der Kommissar | |
selbst drohe, er wolle die Verhandlungen platzen lassen, sagte Häusling der | |
taz. | |
Der Abgeordnete zeigte sich dennoch zuversichtlich: Die Bioagentur sei zwar | |
in den Abstimmungen nicht durchgekommen, aber sowohl die Kommission als | |
auch der Rat seien nun aufgefordert, in den Verhandlungen Vorschläge zu | |
machen, wie die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten etwa in der Kontrolle | |
verbessert werden könne. | |
## Deutsche Biobranche kritisiert Pestizid-Klausel | |
Die deutsche Biobranche bewertet die Ergebnisse der Abstimmungen | |
grundsätzlich positiv. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) | |
kritisiert allerdings, dass die Parlamentarier sich zwar dagegen | |
ausgesprochen haben, besonders niedrige Biogrenzwerte für | |
Pestizidverunreinigungen einzuführen, mit einer Klausel aber der | |
EU-Kommission die Möglichkeit offengehalten haben, das ab 2020 zu | |
revidieren. | |
Diese speziellen Grenzwerte waren in der deutschen Branche äußerst | |
umstritten. Ein Grund dafür ist, dass Biobauern fürchten müssten, dass der | |
Wind Pestizide von nicht ökologisch bewirtschafteten Nachbarfeldern auf | |
ihre Flächen weht – und sie die Grenzwerte trotz der eigenen Bemühungen | |
nicht einhalten könnten und so ihre Zertifizierungen verlieren. Das | |
EU-Parlament schaffe das Gegenteil von dem, was nötig sei, sagt Felix Prinz | |
zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW: „Wir brauchen Rechtsklarheit und | |
Investitionssicherheit für die Betriebe und Unternehmen, die in die | |
Bioproduktion einsteigen oder diese ausbauen wollen.“ | |
Häusling sagte dagegen, er glaube nicht, dass niedrigere Grenzwerte allein | |
jemanden davon abhalten könnten, in die Bioproduktion einzusteigen. Ihm | |
scheine der Preis, den die Landwirte etwa für einen Liter Biomilch | |
bekommen, ein wichtigeres Argument. Ähnlich sieht das Norbert Lins, | |
Bioexperte der konservativen EVP-Fraktion. Dass doch noch Grenzwerte | |
eingeführt werden könnten, gefalle ihm nicht. Aber die Parlamentsposition | |
sei klar: In der neuen Verordnung sollten keine besonderen Grenzwerte für | |
Bio stehen. Die Befürchtungen seien also übertrieben. | |
Doch die Branche zweifelt nach wie vor. „Die Diskussion und die lang | |
anhaltende Revision der Verordnung bringt Bio nicht nach vorn“, sagt | |
BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig. Schon jetzt stellten immer weniger | |
Bauern ihre Produktion neu um. | |
19 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Eva Oer | |
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