| # taz.de -- Vor den Wahlen in Polen: Das System PiS | |
| > Seit acht Jahren regiert die nationalpopulistische Partei PiS von | |
| > Jarosław Kaczyński in Polen. Sie hat das Land grundlegend verändert. | |
| Bild: Die Opposition hängt Plakate mit Kaczyński und der Warnung auf: „Ich … | |
| Warschau taz | Polens starker Mann setzt alles auf eine Karte. Jarosław | |
| Kaczyński ist Vizepremier und Chef der PiS, der | |
| nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit, die seit acht | |
| Jahren das Land regiert. Wegen des systematischen Abbaus von Demokratie und | |
| Rechtsstaat liegt die PiS im Dauerstreit mit der Europäischen | |
| Kommission. Und in den vergangenen Wochen [1][hat sich Warschau auch noch | |
| mit Kyjiw überworfen], dessen engster Bündnispartner Polen direkt nach | |
| Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 | |
| war. | |
| Kaczyński will das Desaster nun in einen Wahlerfolg ummünzen, wenn die | |
| Polen am 15. Oktober über ein neues Parlament abstimmen. | |
| Seine Strategie: Er belebt eine Verschwörungstheorie aus der Zeit des | |
| Kommunismus wieder, an die sich ältere Polen gut erinnern: „Die Gefahr | |
| droht aus dem Westen, insbesondere aus Deutschland. Wir aber schützen | |
| euch!“ | |
| Als [2][am 1. Oktober Hunderttausende Polen mit Sonderzügen und Bussen in | |
| die Hauptstadt Warschau kamen], um am oppositionellen „Marsch von einer | |
| Million Herzen“ teilzunehmen und gegen die PiS zu demonstrieren, flüchteten | |
| Kaczyński und seine Anhänger in die oberschlesische Industriemetropole | |
| Kattowitz. | |
| Während in Warschau Donald Tusk von der größten Oppositionspartei Polens, | |
| der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO), mit rund einer Million | |
| Menschen skandierte „Zwyciężymy – Wir werden siegen!“, schwor Kaczyńsk… | |
| der abgedunkelten Kattowitzer Sportarena, „Untertasse“ genannt, gut 8.000 | |
| Parteifunktionäre auf die PiS-Kampfbegriffe für den Wahlkampfendspurt ein. | |
| Ein Blick auf das System PiS zeigt, wie die Partei in den vergangenen | |
| Jahren den Diskurs und das Land verändert hat. Vieles davon wird Polen | |
| unabhängig vom genauen Wahlausgang am 15. Oktober auch weiterhin prägen. | |
| ## Sicherheitspolitik | |
| In seiner Rede in Kattowitz gab Kaczyński sich alle Mühe, seinen | |
| politischen Gegner als Gefahr für das Land darzustellen: In den | |
| Regierungsjahren von Tusk 2007 bis 2014 sei Polen zum Spielball | |
| Deutschlands und Russlands geworden, sagte Kaczyński. Das jahrelange | |
| Ausräubern des polnischen Staatsvermögens habe die Staatskasse geleert, die | |
| innere und äußere Sicherheit Polens sei dem zum Opfer gefallen. So seien | |
| unter Tusk Polizeikommissariate geschlossen worden. | |
| Auf Druck Russlands habe die Regierung von Tusk damals auch Soldaten der | |
| polnischen Armee aus Ostpolen abgezogen. Fast, fuhr Kaczyński fort, wäre es | |
| Tusk zudem gelungen, die USA als wichtigsten Nato-Verbündeten Polens aus | |
| Europa zu vertreiben – und zwar auf Wunsch der Deutschen und Russen. | |
| Mit der Realität hat all das wenig zu tun. Vielmehr soll die stete | |
| Gleichsetzung von Moskau und Berlin, der „russischen Wagner-Truppe und der | |
| deutschen Weber-Gruppe“, die Ängste vor einem neuen Hitler-Stalin-Pakt | |
| schüren. Die wenigsten Polen werden wissen, dass mit „Weber“ der | |
| Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament | |
| Manfred Weber gemeint ist und mit der „Gruppe“ die EVP-Mitgliedsparteien, | |
| zu denen auch die PO von Donald Tusk gehört. | |
| Das ist – aus Sicht der PiS – auch gar nicht nötig. Es reicht, wenn das | |
| Bedrohungsgefühl bleibt, dass Tusk mit dieser ominösen deutschen | |
| „Weber-Gruppe“ zu tun habe und von dieser „Instruktionen“ erhalte. | |
| Wenige Tage vor dem Parteikonvent in Kattowitz hatte die PiS zu | |
| Wahlkampfzwecken geheime Nato-Papiere aus dem Jahr 2011 publiziert. | |
| Angeblich sei Tusk als Premier bereit gewesen, bei einem angenommenen | |
| Überfall Russlands auf Polen ganz Ostpolen aufzugeben und das Land erst an | |
| der Weichsel verteidigen zu lassen. Im Wahlkampf jetzt soll Tusk einmal | |
| mehr als Handlanger der Russen diffamiert werden. | |
| Allerdings wiesen polnische Militärexperten umgehend darauf hin, dass es | |
| die PiS sei, die die Sicherheit Polens aufs Spiel setze, indem sie eines | |
| von mehreren geheimen Nato-Verteidigungsszenarien öffentlich zugänglich | |
| mache. Bei den Nato-Partnern Polens dürfte das Vertrauen in die | |
| PiS-Regierung sowieso am Nullpunkt angekommen sein. Denn es ist nicht das | |
| erste Mal, dass PiS-Minister Brüssel, Washington, Paris oder Berlin | |
| düpieren, um sich selbst als große Patrioten aufspielen zu können und im | |
| Wahlkampf Punkte zu sammeln. | |
| Die Vorwürfe gegen Tusk sollen auch davon ablenken, dass die PiS-Regierung | |
| dafür verantwortlich ist, [3][dass die polnische Flugabwehr eine russische | |
| Rakete nicht abwehrte, die Hunderte Kilometer durch halb Polen bis nach | |
| Bydgoszcz (Bromberg) flog und dort in einen Wald krachte.] Die von der PiS | |
| so hoch gelobte Armee sah sich anschließend auch außerstande, das | |
| feindliche Flugobjekt zu finden. Das tat nach Monaten dann eine | |
| Freizeitreiterin. | |
| Verschwiegen werden soll lieber auch, dass [4][der von der PiS eingesetzte | |
| Polizeipräsident Polens, Jarosław Szymczyk, in seinem Warschauer Büro einen | |
| Granatenwerfer abfeuerte, den er als Geschenk in der Ukraine erhalten | |
| hatte]. Angeblich mit der Zusicherung, das Gerät sei nur noch Schrott. Das | |
| Geschoss durchschlug zwei Stockwerke. Szymczyk erlitt einen Hörsturz im | |
| linken Ohr und wurde im Krankenhaus behandelt. Ein ziviler Angestellter ein | |
| Stockwerk tiefer bekam eine Schramme ab. | |
| Ungeklärt ist bis heute, wie der Polizeipräsident die Waffe über die Grenze | |
| gebracht hat. Eigentlich sollen Grenzschützer und Zöllner verhindern, dass | |
| scharfe Waffen nach Polen geschmuggelt werden. | |
| ## Migrationspolitik | |
| Zum PiS-Wahlversprechen „Eine sichere Zukunft für die Polen“ gehört auch | |
| das angeblich harte Nein der Regierung gegenüber Migranten und | |
| Geflüchteten. Seit Monaten werfen Parteifunktionäre und der PiS | |
| nahestehende Medien Brüssel und Berlin vor, den Polen zwangsweise | |
| „Illegale“ aufdrängen zu wollen. | |
| Dabei zeigt der Staatssender TVP vor allem Bilder von Brandstiftern und | |
| Gewalttätern in Paris, von unendlich erscheinenden Karawanen schwarzer | |
| Menschen, die „nach Europa“ wollen. Und von Migranten an der | |
| belarussisch-polnischen Grenze, die von den Sicherheitskräften des | |
| belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko eigens herangekarrt | |
| wurden. | |
| Diese Hetze hat für die PiS schon zweimal in Wahlkämpfen funktioniert: 2015 | |
| und 2019 gewann sie auch damit die Parlamentswahlen. Muslime würden in | |
| Polen Schariazonen einrichten und katholische Kirchen in öffentliche | |
| Toiletten verwandeln, rief Kaczyński den Abgeordneten zu. | |
| Auf einer Wahlveranstaltung warnte er 2015 vor schweren Krankheiten, die | |
| Migranten angeblich einschleppen würden: „Cholera auf den griechischen | |
| Inseln, Ruhr in Wien, alle Arten von Parasiten und Bakterien, die in den | |
| Organismen dieser Menschen harmlos sind, können hier gefährlich werden.“ Er | |
| wolle zwar „niemanden diskriminieren“, aber darüber müsse man reden. Es | |
| gehe nur darum, „die Sorgen der einfachen Menschen“ in Polen ernst zu | |
| nehmen. Allerdings: Ohne die PiS-Propaganda hätten die meisten Polen diese | |
| „Sorgen“ gar nicht. | |
| Auch wenn Polens Regierungspartei bei jeder Gelegenheit öffentlich vor den | |
| „Fremden, den Muslimen und den Migranten“ warnt, ist sie doch eine | |
| heimliche Einwandererfreundin. In den vergangenen 30 Monaten hat Polen zwei | |
| Millionen Visa ausgestellt, davon die meisten – 1,5 Millionen – an Ukrainer | |
| und Belarussen, die vor Krieg und Diktatur fliehen. Darüber hinaus aber | |
| auch rund 500.000 Arbeits-, Touristen- und Studienvisa sowie solche für | |
| Geschäftsreisende aus anderen Staaten. | |
| Das ist Rekord in den Schengenstaaten. [5][Über Vermittlerfirmen, die den | |
| polnischen Konsulaten bürokratische Arbeit abnehmen sollten, etablierte | |
| sich ein gut geöltes Schmiergeldsystem, womit die Visavergabe beschleunigt | |
| werden konnte.] Dadurch entfiel oft jede Überprüfung der Antragsteller auf | |
| Terrorverdacht oder andere Straftaten. Verdächtigt werden insbesondere | |
| polnische Konsulate in Asien und Afrika, die in den letzten zweieinhalb | |
| Jahren rund 250.000 Visa ausgestellt haben. | |
| Eine Kontrolle, ob die mit einem Arbeits- oder Studienvisum eingereisten | |
| Ausländer tatsächlich ihre Arbeitsstelle oder ihren Studienplatz in Polen | |
| angetreten haben, gibt es nicht. Niemand weiß, wo genau im Schengenraum | |
| sich die 250.000 Menschen mit einem polnischen Stempel im Pass zurzeit | |
| aufhalten. | |
| Obwohl Polens Außenminister Zbigniew Rau eigenen Angaben zufolge seit einem | |
| Jahr von den kriminellen Machenschaften in den Konsulaten wusste, griff er | |
| nicht ein. Bis heute weist er jede Verantwortung von sich und will nicht | |
| zurücktreten. | |
| Im Wahlkampf erklärt Kaczyński, dass dies „keine Affäre, ja nicht einmal | |
| ein Affärchen“ sei, und wettert ungebremst gegen Brüssel und Berlin. Diese | |
| wollten dem „souveränen Polen“ Tausende „Illegale“ aufzwingen und so d… | |
| Sicherheit und Stabilität Polens gefährden. | |
| Unabhängige Medien haben den PiS-Funktionären deshalb das Etikett | |
| „Heuchler“ verpasst: Sie predigten das eine, machten aber das andere. Die | |
| Panik, die die PiS vor ein paar Tausend Geflüchteten auf der italienischen | |
| Insel Lampedusa schürt, wirkt noch absurder angesichts des Fakts, dass die | |
| Regierung Hunderttausende mit ihrer Visavergabe nach Europa holt. | |
| Bei EU-Kommissaren und EU-Parlamentariern sorgt das polnische Verhalten für | |
| großen Unmut. So bat Ylva Johansson, die aus Schweden stammende | |
| EU-Kommissarin für Inneres, die polnische Regierung schon kurz nach | |
| Bekanntwerden der Visa-Korruptionsaffäre um Aufklärung. Doch Polen schickte | |
| eine Antwort, die die Kommissarin als „nicht ausreichend“ empfand. Sie | |
| forderte Polen auf, bis zum 3. Oktober auf elf konkrete Fragen der | |
| Kommission zu antworten. | |
| Die PiS-Regierung ließ die Frist verstreichen, ohne die Fragen zu | |
| beantworten. Darauf angesprochen, erklärte PiS-Regierungssprecher Piotr | |
| Müller die Bitte um Aufklärung zu einer Lappalie: „Ach, da wollte wohl ein | |
| Kumpel in der EU von einem anderen Kumpel mehr zu dieser Geschichte wissen. | |
| Aber wirklich, bei allem Respekt für die Kommission: Unsere Antwort muss | |
| reichen. Mehr gibt es nicht!“ | |
| ## Rechtsstaat und Demokratie | |
| Der Ton zeigt, wie schlecht die Beziehungen zwischen Brüssel und Warschau | |
| sind. Der Streit begann schon Ende 2015, kurz nach dem Regierungsantritt | |
| der PiS. Die Partei änderte mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament als | |
| Erstes die Geschäftsregeln des Verfassungsgerichts und installierte dort | |
| mithilfe des ebenfalls aus der PiS stammenden Präsidenten Andrzej Duda drei | |
| sogenannte Doppelgänger. | |
| An die Stelle von drei Richtern, die noch das Vorgängerparlament rechtmäßig | |
| bestimmt hatte, traten nun drei Richter, die von den PiS-Abgeordneten | |
| gewählt wurden, zusätzlich zu den zwei Richtern, die sie legal ernennen | |
| konnten. Duda vereidigte die insgesamt fünf PiS-Verfassungsrichter noch in | |
| der Nacht, ohne den Protest der anderen Richter und Rechtsexperten im Land | |
| zu berücksichtigen. | |
| Zweck dieser Maßnahme war die allmähliche Übernahme des Verfassungsgerichts | |
| durch PiS-nahe Richter. Dabei zeigte sich zum ersten Mal, dass die PiS | |
| bereit war, geltendes Recht durch verfassungswidrige Gesetze zu brechen, um | |
| in Polen eine politische Justiz zu ihren Gunsten zu errichten. | |
| Ein weiteres Gesetz, das symptomatisch für das „System PiS“ werden sollte, | |
| peitschte die Regierungspartei ebenfalls zum Jahreswechsel 2015/2016 durchs | |
| Parlament. Mit dem ersten Mediengesetz liquidierte die PiS den | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk und gründete ihn sofort wieder neu – aber | |
| auf anderer Rechtsgrundlage und mit dem neuen Namen Nationale Medien. Mit | |
| der Liquidierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erloschen alle | |
| Arbeitsverträge. Wer in den Nationalen Medien als Journalist angestellt | |
| werden wollte, musste zunächst einen Gesinnungstest über sich ergehen | |
| lassen. Wer sich als nicht PiS-loyal erwies, war somit seinen Job los. | |
| Im Laufe der acht Regierungsjahre der PiS von 2015 bis 2023 strengte die | |
| Europäische Kommission mehrere Rechtsstaatsverfahren gegen Polen an. Hin | |
| und wieder gab die PiS nach, doch die meisten Verfahren verliefen im Sand. | |
| Das lag auch daran, dass die Staatschefs der EU-Mitgliedstaaten im | |
| Europäischen Rat Einstimmigkeit erreichen müssen, um einen Beschluss zu | |
| fassen. Polen und Ungarn, die beide eine „illiberale Demokratie“ anstreben, | |
| wie Ungarns Premier Viktor Orbán einmal sagte, stützen sich im Rat immer | |
| gegenseitig, sodass sie alle gegen sie gerichteten Entscheidungen | |
| blockieren können. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs hat die PiS | |
| mit der Zeit immer häufiger einfach ignoriert. | |
| In einem Urteil hat Polens Verfassungsgericht auch entschieden, dass | |
| polnisches Recht grundsätzlich über EU-Recht stehe. Richter, die dennoch | |
| EU-Recht in Polen anwenden wollten, landeten oft in der eigens von der PiS | |
| gegründeten Disziplinarkammer am Obersten Berufungsgericht und wurden | |
| entweder an ein anderes Gericht in Polen strafversetzt oder mussten sich | |
| juristisch plötzlich umorientieren – beispielsweise von Strafrecht auf | |
| Familienrecht. | |
| Die Europäische Kommission, die darauf achtet, dass alle EU-Mitglieder die | |
| gleichen Rechtsgrundsätze anerkennen und nach den gleichen Regeln spielen, | |
| sah sich gezwungen, Polen den Geldhahn zuzudrehen. Eine erste Möglichkeit | |
| dazu war der Corona-Wiederaufbaufonds. | |
| Jedes Mitgliedsland musste bestimmte Reformbedingungen für den | |
| wirtschaftlichen Wiederaufschwung erfüllen, sogenannte Meilensteine, bevor | |
| die Kommission die Fördergelder in Milliardenhöhe freigeben konnte. Das | |
| Programm wurde in mehrere Pakete aufgeteilt. Polen löste wie gefordert die | |
| Disziplinarkammer am Obersten Gericht auf, gründete sie aber sofort wieder | |
| neu – unter neuem Namen und am Obersten Verwaltungsgericht in Warschau. Die | |
| Aufgaben blieben dabei die gleichen: Es geht in erster Linie um die | |
| Abstrafung polnischer Richter, die politisch unliebsame Urteile fällen. | |
| Die Europäische Kommission bemerkte zwar, dass sie getäuscht werden sollte, | |
| anerkannte die Liquidierung der Richter-Disziplinarkammer aber, da sie | |
| selbst zu ungenaue Vorgaben gemacht hatte. Die Fördermilliarden flossen | |
| dann aber dennoch nicht Richtung Polen, weil das erste Paket wesentlich | |
| mehr Meilensteine vorsah, die von der polnischen Regierung zu erledigen | |
| waren. Dazu gehörte auch die Auflösung der neu gegründeten | |
| Landesjustizkammer. | |
| Die PiS hatte die alte Landesjustizkammer als eigene Organisation der | |
| Judikative aufgelöst und sie mit einem Gesetz der Kontrolle der Exekutive | |
| unterstellt. Aus dem Standesorgan der Richter, das über Beförderungen, | |
| Einstellungen und Versetzungen aller Richter in Polen entschied, wurde so | |
| ein politisches Organ, worin die PiS die Kontrolle übernahm. | |
| Polens Justizminister Zbigniew Ziobro weigerte sich auch nach Kritik aus | |
| Brüssel, das Herzstück seiner „Justizreform“ aufzugeben. Er monierte, dass | |
| er bei den Verhandlungen zu den Meilensteinen für den Coronafonds nicht | |
| zugegen war. Und er werde sich nicht den Erpressungsversuchen der EU | |
| beugen. Er habe sich bei seinen Reformen an Deutschland orientiert und | |
| verstehe nicht, wieso Brüssel und Berlin im Fall Polens gegen die | |
| politische Ernennung von Richtern seien. | |
| So hat Polen als einziges Land der EU bislang keinen Antrag auf Zuteilung | |
| der Fördergelder aus dem Coronafonds gestellt. Die PiS kümmert das insofern | |
| nicht groß, als das Geld vor allem den Städten zugutekommen würde – nicht | |
| der Regierung in Warschau. In den Städten aber hat die Opposition das | |
| Sagen. | |
| In der liberalen Opposition führte das zu Frustration. Enttäuscht von der | |
| EU sind insbesondere Polens junge Frauen. [6][Ihnen geht es nicht ums Geld, | |
| sondern um ihre Würde und ihre Menschenrechte als Frauen]. Nachdem das | |
| polnische Verfassungsgericht 2020 das strikte Abtreibungsrecht nochmals | |
| verschärft hatte, zogen acht junge Polinnen vor den Europäischen | |
| Menschenrechtsgerichtshof. Sie beanstandeten, auch bei | |
| Risikoschwangerschaften oder Komplikationen in Polen keinen Zugang zu | |
| legalen Abbrüchen mehr zu haben. Die Richter lehnten die Klage ab, da keine | |
| der Frauen persönlich betroffen sei. Erhofft hatten die Klägerinnen aber | |
| eine prinzipielle Entscheidung. „Betroffene“ Polinnen liegen nämlich seit | |
| 2020 immer häufiger auf dem Friedhof. | |
| 10 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Streit-zwischen-Polen-und-Ukraine/!5961643 | |
| [2] /Endspurt-im-Wahlkampf-in-Polen/!5964258 | |
| [3] https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/polen-russische-raket… | |
| [4] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-geschenk-aus-der-ukraine-exp… | |
| [5] /Handel-mit-Schengen-Visa-in-Polen/!5963048 | |
| [6] /Einsatz-nach-Abtreibungspille-in-Polen/!5945269 | |
| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Polen | |
| Jarosław Kaczyński | |
| Europäische Union | |
| Rechtspopulismus | |
| Longread | |
| GNS | |
| Polen | |
| Polen | |
| Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
| Kolumne Fernsicht | |
| Polen | |
| Polen | |
| Polen | |
| Polen | |
| Polen | |
| Polen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Regionalwahlen in Polen: Sieg für Städte und Regionen | |
| Die Mitte-links-Koalition von Ministerpräsident Tusk behauptet sich bei den | |
| Regionalwahlen in Polen. Die von der PiS gegängelten Städte dürfen | |
| aufatmen. | |
| Wahlen in Polen: Warten auf den Scheck vom Tätervolk | |
| Die Propaganda der polnischen Regierungspartei und ihrer Staatsmedien hatte | |
| in diesem Wahlkampf ein bevorzugtes Feindbild: Deutschland. | |
| Deutsch-polnische Beziehungen: Wider die deutsche Ignoranz | |
| Deutsches Unwissen ist Futter für die PiS, wenn sie gegen Deutschland | |
| wettert. Das Deutsch-Polnische Haus ist ein Schritt, um die Lektion | |
| nachzuholen. | |
| Polen vor den Wahlen: Ungarische Verhältnisse? | |
| Die Regierungspartei PiS hat mehr Ressourcen und Möglichkeiten als die | |
| Opposition. Auch die Staatsmedien helfen mit. | |
| Wahlen in Polen: Hürdenlauf zur Wahlurne | |
| Die Wahlen am Sonntag mobilisieren so viele Polen in Deutschland wie noch | |
| nie. Dabei hat Polens Regierung Bürgern im Ausland das Wählen erschwert. | |
| Parlamentswahl in Polen: Es wird sehr knapp | |
| Die Chancen der demokratischen Opposition steigen, die | |
| nationalpopulistische PiS abzulösen. Auf Koalitionspartner sind alle | |
| Parteien angewiesen. | |
| Parlamentswahl in Polen am Sonntag: Mit vereinten Kräften | |
| Eine Bürgerkoalition, angeführt von Ex-Premier Donald Tusk, fordert die | |
| Rechtspopulisten der PiS heraus. Ihre Chancen stehen erstaunlich gut. | |
| Endspurt im Wahlkampf in Polen: „Marsch von einer Million Herzen“ | |
| Die größte Oppositionspartei mobilisiert mit einer beeindruckenden | |
| Demonstration. Menschen aus ganz Polen kommen dafür nach Warschau. | |
| Handel mit Schengen-Visa in Polen: Erklärungsnot – kurz vor der Wahl | |
| Polens Regierung steht wegen einer Visa-Schmiergeldaffäre unter Druck. Aber | |
| sie sorgt dafür, dass die Bevölkerung davon kaum etwas erfährt. | |
| Streit zwischen Polen und Ukraine: Warschau stoppt Waffenlieferungen | |
| Polen steht seit Kriegsbeginn an der Seite der Ukraine. Doch auf Selenskis | |
| Kritik am Getreide-Einfuhrverbot reagiert Warschau verärgert. |