# taz.de -- Verbotsverfügung gegen „linksunten“: „Billigung von Straftat… | |
> Die Betreiber der Seite sollen selbst keine Strafdelikte begangen haben, | |
> aber sie hätten kommunikative Straftaten anderer ermöglicht, so der | |
> Vorwurf. | |
Bild: Während der Razzia in Freiburg | |
Am Freitag hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das | |
linksradikale Webportal „linksunten.indymedia“ verboten. Die 91-seitige | |
Verbotsverfügung liegt der taz vor. Wie wird das Verbot begründet? | |
Vereinsgesetz: Das Verbot ist auf das Vereinsgesetz gestützt. Dieses Gesetz | |
regelt ausschließlich das Verbot von gefährlichen Vereinen. Die Gründung | |
und die rechtliche Stellung von Vereinen ist dagegen im Bürgerlichen | |
Gesetzbuch (BGB) geregelt. | |
Verein: Um eine Struktur nach dem Vereinsgesetz verbieten zu können ist | |
kein förmlicher Verein mit Vorstand und Satzung erforderlich. Es genügt, | |
dass sich mindestens zwei Personen zusammenschließen und sich einem | |
gemeinsam gebildeten Willen unterordnen. Im Fall von „linksunten“ richtete | |
sich das Verbot an drei namentlich bekannte Freiburger, wobei die Behörden | |
davon ausgehen, dass der „Verein“ größer war. Die Gruppe habe die Webseite | |
arbeitsteilig betrieben und sich auf verbindliche Kriterien zum Umgang mit | |
den dort veröffentlichten Nachrichten und Kommentaren geeinigt. Das | |
Innenministerium nennt den verbotenen „Verein“ entsprechend der Webadresse | |
„linksunten.indymedia“. | |
Verbotsgründe: Die Verbotsverfügung stützt sich auf zwei Verbotsgründe: Die | |
Tätigkeit des Vereins laufe den Strafgesetzen „zuwider“ und er richte sich | |
gegen die verfassungsmäßige Ordnung. | |
Strafgesetze: Das Innenministerium wirft den Mitgliedern nicht vor, dass | |
sie selbst gegen Strafgesetze verstoßen haben, jedoch hätten sie die | |
Straftaten anderer „ermöglicht und erleichtert“, indem sie Straftätern | |
einen verlässlich anonymen Zugang zu einer Plattform mit großer Reichweite | |
anboten. Über 25 Seiten lang werden im Verbotsbeschluss Beispiele zitiert, | |
dass auf „linksunten“ von anonymen Personen Straftaten begangen wurden. | |
Dabei geht es ausschließlich um verbale Straftaten wie die öffentliche | |
Aufforderung zu Straftaten, die Androhung von Straftaten, die Anleitung zu | |
Straftaten, die Billigung von Straftaten, Beleidigung und üble Nachrede. | |
Zurechnung: Diese Taten seien „linksunten“ zuzurechnen, weil alle Beiträge | |
dort nach der Veröffentlichung von Moderatoren geprüft wurden. Strafbare | |
Beiträge seien überwiegend auf der Seite stehengeblieben. Die | |
strafrechtlich relevanten Beiträge seien auch „prägend“ für die Webseite, | |
gleichrangig neben den legalen Artikeln über Demos und Diskussionen. Nahezu | |
täglich, teilweise mehrmals täglich, seien dort strafbare Inhalte gepostet | |
worden. | |
Verfassungsmäßige Ordnung: Einerseits habe Indymedia linksunten selbst eine | |
verfassungsfeindliche Grundhaltung, weil die Betreiber das staatliche | |
Gewaltmonopol ablehnen. Sie hätten auch immer wieder dazu aufgefordert, | |
dass linke Gewalttäter nach Brandanschlägen und ähnlichem ihre | |
Selbstbezichtigungsschreiben auf „linksunten“ veröffentlichen. Zum anderen | |
diene die Plattform auch der Veröffentlichung verfassungsfeindlicher | |
Inhalte, in denen zum Beispiel Polizisten die Menschenwürde abgesprochen | |
wird und Nazis das Lebensrecht. | |
Grundrechte: Das Verbot ist ein Eingriff in die Rundfunk- und | |
Meinungsfreiheit der Betreiber von „linksunten“. Das Innenministerium hält | |
den Eingriff durch das Vereinsgesetz gedeckt. Entscheidend ist also, ob das | |
Vereinsgesetz hier korrekt angewandt wurde. Wenn die drei vermeintlichen | |
Vereinsmitglieder das bezweifeln, können sie gegen das Verbot klagen. | |
Rechtsmittel: Zuständig für eine Klage wäre in erster und einziger Instanz | |
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort dürfte es vor allem darum | |
gehen, ob die strafbaren und verfassungswidrigen Inhalte auf „linksunten“ | |
wirklich den Betreibern zuzurechnen und für das Projekt prägend sind. | |
Angesichts der Vielzahl eindeutig strafbarer Inhalte auf „linksunten“ kommt | |
es wohl nicht darauf an, ob das Innenministerium bei der Einschätzung jedes | |
einzelnen Postings richtig lag. Klagen gegen den Vollzug des Verbots haben | |
keine aufschiebende Wirkung. | |
Server: In einer Nebenverfügung ordnete das Innenministerium die | |
Abschaltung der Webseite an. Der Betreiber des Servers, der wohl in | |
Frankreich steht, wollte die Seite allerdings erst auf Grund eines | |
deutschen Rechtshilfeersuchens vom Netz nehmen. Ein entsprechendes Ersuchen | |
der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wurde am Freitag sofort auf den Weg | |
gebracht. Lange vor dessen Eintreffen wurde die Seite im Lauf des Tages | |
dann aber von den Hosts oder den Seitenbetreibern vom Netz genommen und | |
durch die Meldung „Wir sind zur Zeit offline“ ersetzt. | |
Fortführung: Technisch wäre es vermutlich gut möglich, die Inhalte von | |
„linksunten“ auf einen anderen Server in einem anderen Staat zu verlagern. | |
Allerdings ist durch die Verbotsverfügung nun jede Fortführung des Projekts | |
von Deutschland aus strafbar. Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen | |
bis zu einem Jahr. Das Betreiberteam oder neue Betreiber müssten | |
„linksunten“ also aus dem Ausland neu starten. | |
Strafverfolgung: Zunächst wurde gegen die drei Freiburger strafrechtlich | |
nichts unternommen. Die Durchsuchungen von Wohnungen und des autonomen | |
Zentrums KTS erfolgten im Rahmen des Verbotsverfahrens, nicht im Rahmen | |
einer Strafverfolgung. Beim Verbot der rechtsextremistischen Webseite | |
„Altermedia“ Anfang 2016 war das anders. Damals wurden die Betreiber | |
zugleich als Mitglieder einer „kriminellen Vereinigung“ verhaftet. | |
26 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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Christopher Lauer | |
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