Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- VVN-BdA nicht mehr gemeinnützig: Der Ärger begann in Bayern
> Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wurde die Gemeinnützigkeit
> entzogen. Wie konnte es so weit kommen? Die Ursache liegt in Bayern.
Bild: „Die Erinnerung wachhalten“: Angela Merkel in der Gedenkstätte Ausch…
BERLIN taz | Am Freitag erst war [1][Angela Merkel in der Gedenkstätte
Auschwitz]. „Barbarische Verbrechen“ seien in dem früheren KZ verübt
worden, sagte die Kanzlerin. Taten, welche „die Grenzen alles Fassbaren
überschreiten“. Der eindringliche Appell Merkels: „Dieser Ort verpflichtet
uns, die Erinnerung wachzuhalten.“
Und gleichzeitig steht in Deutschland ein Verein vor dem Aus, der ebendiese
Erinnerung hochhält: die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund
der Antifaschisten (VVN-BdA). Dem 1947 von Holocaust-Überlebenden
gegründeten Verband wurde gerade die Gemeinnützigkeit entzogen. Und die
Empörung ist groß.
„Bestürzt“ sei er darüber, [2][schrieb Marian Kalwary],
Holocaust-Überlebender aus Polen, anlässlich des Auschwitz-Besuchs an die
Kanzlerin. Er bitte „eindringlich“ darum, die Entscheidung zu revidieren.
[3][Jüdische Gemeinden solidarisieren sich mit dem Verband, ebenso
Gewerkschaften, Sozialverbände, Parteien]. Das Internationale
Auschwitz-Komitee spricht von einem „Skandal, der Deutschlands Ansehen
beschädigt“.
Wie konnte es so weit kommen?
Dokumente, die der taz vorliegen, weisen vor allem auf einen
Verantwortlichen: den bayrischen Verfassungsschutz.
Es war das Finanzamt für Körperschaften I in Berlin, das dem VVN-BdA die
Gemeinnützigkeit entzog. Schon im Frühjahr hatte das Amt dies dem
Bundesverband angedroht, einen Widerspruch lehnte es ab. [4][Im November
folgte nun der Vollzug] – samt Aufforderung einer Steuernachzahlung im
fünfstelligen Bereich. Die Begründung: Der Verein werde in einem
Verfassungsschutzbericht als „extremistische Organisation“ aufgeführt – …
bayrischen. Demnach sei die VVN-BdA „verfassungsfeindlich“. Der Verlust der
Gemeinnützigkeit sei rechtlich damit „zwingend“.
## Nur Bayerns Geheimdienst nennt VVN-BdA im Jahresbericht
Nur: Der bayerische Verfassungsschutz ist bundesweit der einzige, der die
VVN-BdA in einem Jahresbericht aufführt. Auch das Bundesamt tut dies nicht.
Einige Länder sehen „punktuell“ Bezüge zu Linksextremen, aber eben auch
viele bürgerliche Akteure. Für andere ist die VVN-BdA schlicht „kein
Thema“.
Die Bayern sehen es anders. Die VVN-BdA kooperiere mit „offen
linksextremistischen Kräften“, heißt es in deren Verfassungsschutzbericht.
Vertreten werde ein „kommunistisch orientierter Antifaschismus“ – was
freilich damit zu tun hat, dass viele Kommunisten vom NS-Regimes verfolgt
wurden. Der Verfassungsschutz attestiert der VVN-BdA indes auch, alle
nichtmarxistischen Systeme als „potenziell faschistisch“ zu betrachten.
Dazu komme ein „Schulterschluss“ mit der DKP und „gewaltorientierten
autonomen Gruppierungen“.
Und die Behörde bleibt auch nach dem jüngsten Trubel dabei. „Die Einordnung
gilt weiterhin“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums der taz. Und
diese sei auch gerichtlich unterlegt.
Tatsächlich streiten die VVN-BdA und der bayerische Verfassungsschutz seit
Jahren miteinander. Schon 2010 klagte der Landesverband gegen seine Nennung
im Verfassungsschutzbericht – und verlor. Ihm wird in Bayern deshalb
bereits seit Jahren die Gemeinnützigkeit versagt. Dem Bundesverband indes
wurde diese stets zuerkannt. Bis zur jetzigen Kehrtwende.
## Folgenschwer Erlass aus dem Finanzministerium
Der Grund? Das Finanzamt selbst und die Berliner Senatsverwaltung für
Finanzen äußern sich dazu nicht: Aufgrund des Steuergeheimnis dürfe man
dies prinzipiell nicht. Aber es gibt eine Anweisung aus dem
Bundesfinanzministerium vom 31. Januar 2019, ein Erlass zur Abgabenordnung,
welche die Gemeinnützigkeit von Vereinen regelt. Dort wird „klargestellt“:
Eine Institution verliert ihre Gemeinnützigkeit, sobald sie in einem
Verfassungsschutzbericht genannt wird und den vorgeworfenen Extremismus
nicht widerlegen kann.
Das Ministerium beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom
März 2018 gegen einen Moscheeverein – das ebendieses festlegte. Es ist eine
Beweislastumkehr: Nicht das Finanzamt muss nun belegen, dass ein Verein
verfassungswidrig ist, sondern dieser muss seine Verfassungstreue beweisen.
Tatsächlich ging nach dem Urteil und Erlass der Ärger für die VVN-BdA los.
Auch in NRW entzogen Finanzämter dem Landesverband und Kreisverbänden die
Gemeinnützigkeit. Danach folgte Berlin für den Bundesverband. Finanzsenator
Matthias Kollatz (SPD) sagte zuletzt, in solchen Fällen gebe es rechtlich
„keinen Spielraum“.
Dabei hätte es sehr wohl Spielraum gegeben, wie die Unterlagen zeigen. Denn
selbst der bayerische Verfassungsschutz nennt die VVN-BdA nur
„linksextremistisch beeinflusst“. Und unklar ist, warum das Amt nicht nur
den Landesverband der VVN-BdA, sondern auch den Bundesverband beurteilen
darf. NRW jedenfalls nutzte den Spielraum: Es zog seinen Beschluss, dem
VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, im Oktober wieder zurück.
## „Völlig abstruses Vorgehen“
„Das Vorgehen gegen unseren Verband ist völlig abstrus“, kritisiert denn
auch Thomas Willms, Geschäftsführer der VVN-BdA. „Das ist eine Posse, die
für uns allerdings existenzgefährdend ist.“ Auch Eberhard Reinecke, Anwalt
des Verbands, nennt die Aktion „schlicht rechtswidrig“. Er kritisiert den
bayerischen Geheimdienst scharf: „Statt etwa früher mal auf den NSU zu
schauen, pflegt man dort lieber eine fast hasserfüllte Ablehnung auf
Antifaschisten.“
[5][Inzwischen hat die VVN-BdA Einspruch beim Finanzamt eingelegt], die
Steuernachzahlung verweigert sie. Zudem verweist der Verband auf die vielen
Ehrungen seiner Mitglieder: Bundesverdienstkreuze, Ehrenbürgerschaften,
Stadtmedaillen. Es sei wohl ausgeschlossen, dass all dies möglich gewesen
wäre, wenn die Vereinigung der Geehrten tatsächlich extremistisch wäre, so
Anwalt Reinecke.
Auch politisch wächst der Druck. Grüne und Linke üben harsche Kritik,
[6][auch der neue SPD-Chef Norbert Walter-Borjans]. In Bremen trat
SPD-Chefin Sascha Aulepp aus Solidarität in die VVN-BdA ein – so wie, laut
Verband, rund 1.000 weitere. Die Linke forderte in einem Bundestagsantrag,
die „rechtsstaatlich höchst fragwürdige“ Praxis zu beenden, dass eine
Nennung durch den Verfassungsschutz zum automatischen Entzug der
Gemeinnützigkeit führe.
## Bundesfinanzminister Scholz arbeitet an Reform
Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) reagiert. Er arbeitet momentan
ohnehin an einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Gerichtsurteile hätten
hier „zuletzt Unsicherheit geschaffen“, räumt eine Sprecherin ein. „Das
vorrangige Ziel ist es, die Vereine zu schützen und ihnen weiterhin
politisches Engagement zu ermöglichen.“ Mit der Reform wolle man „negative
Auswirkungen auf den Status der Gemeinnützigkeit ausschließen“.
Auch die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, Ehrenvorsitzende der
VVN-BdA, hatte in einem Brief an Scholz appelliert, die „unsägliche,
ungerechte Entscheidung“ zu ihrem Verband rückgängig zu machen. Eine
Antwort steht aus.
Aber vielleicht erinnert sich Scholz noch an einen Auftritt vor vielen
Jahren, 1983 in Hamburg. Damals sprach er, noch als Juso-Vize, von einem
„gemeinsamen Kampf“ des Antifaschismus, übermittelte „solidarische Grü�…
Es war auf dem Bundeskongress des VVN-BdA.
9 Dec 2019
## LINKS
[1] /Auschwitz-Besuch-von-Angela-Merkel/!5647843
[2] /Gastbeitrag-zu-VVN-BdA/!5643942
[3] /Aberkennung-der-VVN-Gemeinnuetzigkeit/!5645383
[4] /Organisation-verliert-Gemeinnuetzigkeit/!5643507
[5] /VVN-BdA-erlebt-Mitgliederboom/!5641537
[6] /Gemeinnuetzigkeitsrecht-in-Deutschland/!5640409
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
VVN-BdA
Holocaust
Auschwitz
Gemeinnützigkeit
VVN-BdA
VVN-BdA
VVN-BdA
VVN-BdA
VVN-BdA
Antifaschismus
Schwerpunkt Antifa
## ARTIKEL ZUM THEMA
VVN-BdA wieder voll gemeinnützig: „Die Erleichterung ist riesig“
Der antifaschistischen VVN-BdA wurde 2019 die Gemeinnützigkeit entzogen.
Nun erhält sie diese vollständig wieder zurück. Der Verband jubelt.
Verband von Holocaustüberlebenden: VVN-BdA wieder gemeinnützig
Dem Verband der Holocaustüberlebenden wurde 2019 die Gemeinnützigkeit
entzogen. Nun lenkt das Finanzamt ein. Ganz ausgestanden ist der Streit
nicht.
VVN-BdA weiterhin nicht gemeinnützig: Das Finanzamt bleibt hart
Vor Monaten wurde der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die
Gemeinnützigkeit entzogen. Nun bekräftigt das Finanzamt: Es bleibt wohl
dabei.
Gemeinnützigkeit der VVN-BdA: „Ein kleiner Etappensieg“
Im Streit um die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA setzt das Finanzamt eine
Steuernachforderung aus. Der Verband hofft nun auf eine Kehrtwende.
VVN-BdA erlebt Mitgliederboom: Alle gegen das Finanzamt
Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes droht eine erste Frist für
Steuerrückzahlungen. Die Organisation wehrt sich.
Aberkennung der VVN-Gemeinnützigkeit: Antifaschistische Solidarität
Zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen zeigen sich empört über den
Entzug der Gemeinnützigkeit für die antifaschistische Organisation.
Organisation verliert Gemeinnützigkeit: Zu links fürs Finanzamt
Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sieht ihre Existenz bedroht.
Die Finanzbehörde streicht Steuervorteile und fordert Nachzahlungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.