| # taz.de -- Über elf Jahre nach Fukushima: Japan will neue Meiler bauen | |
| > Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine setzt die | |
| > Regierung auf Atomkraft. Doch dieser Strategieschwenk ist nicht leicht. | |
| Bild: Der Atomreaktor Kashiwazaki soll ausgebaut werden | |
| Tokio taz | Die japanische Regierung schlägt einen neuen Kurs in der | |
| Atompolitik ein. Über elf Jahre nach den [1][Kernschmelzen im AKW | |
| Fukushima] kündigte Premierminister Fumio Kishida an, Atomkraftwerke der | |
| nächsten Generation entwickeln und bauen zu wollen. „Atomkraft und | |
| erneuerbare Energien sind unerlässlich, um eine grüne Transformation | |
| voranzutreiben“, erklärte der 65-Jährige. „[2][Der Einmarsch Russlands in | |
| die Ukraine] hat die globale Energielandschaft erheblich verändert.“ | |
| Daher müsse Japan „potenzielle Krisenszenarien“ der Zukunft | |
| berücksichtigen. Im Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Handel (METI) | |
| liegen bereits Pläne für modernisierte Leichtwasser- sowie kleine modulare | |
| Reaktoren in der Schublade, die ab den 2030er Jahren in Betrieb gehen | |
| könnten. | |
| Nach der Fukushima-Katastrophe hatte die japanische Regierung auf den Bau | |
| neuer Meiler verzichtet und die Genehmigung für den Neustart von | |
| Atomkraftwerken der neu eingerichteten Atomaufsichtsbehörde NRA überlassen. | |
| Auch hier schwenkte Kishida nun um und rief dazu auf, bestehende, aber | |
| abgeschaltete Reaktoren wieder ans Netz anzuschließen. Bis zum Jahresende | |
| seien „konkrete Schlussfolgerungen“ nötig. METI-Minister Koichi Hagiuda | |
| hatte bereits im Juli verlangt, bis zum Winter vier AKWs neu zu starten. | |
| Darüber hinaus sollen laut der Wirtschaftszeitung Nikkei ab Sommer 2023 | |
| sieben weitere Atommeiler hochfahren. Dadurch würde die Zahl der | |
| betriebsbereiten Atomkraftwerke seit dem Fukushima-Unfall auf 17 von 33 | |
| verbliebenen Reaktoren steigen. Laut dem Nikkei-Bericht erwägt die | |
| Regierung von Kishida auch, die Laufzeit der Reaktoren über 60 Jahre hinaus | |
| zu verlängern. Derzeit ist die Betriebsdauer auf 40 Jahre begrenzt und darf | |
| nur im Ausnahmefall auf 60 Jahre steigen. | |
| ## Stimmungswechsel in der Bevölkerung | |
| Der Kurswechsel hängt auch damit zusammen, dass [3][Japan sich im Vorjahr | |
| nach langem Zögern verpflichtet hat, bis 2050 klimaneutral zu | |
| wirtschaften]. Dafür soll der Ausstoß an Treibhausgasen in einem ersten | |
| Schritt bis 2030 um 46 Prozent im Vergleich zu 2013 sinken. | |
| Der erzeugte Strom soll 2030 zu 36 bis 38 Prozent aus erneuerbaren Quellen | |
| stammen, ein doppelt so hoher Anteil wie vor der Pandemie. Die Atommeiler | |
| sollen dann 20 bis 22 Prozent des Stroms liefern. Dieses Ziel halten | |
| Experten für utopisch, denn dafür müssten 27 bis 30 Atomkraftwerke laufen. | |
| Derzeit sind aber nur 5 Meiler in Betrieb. Im vergangenen Jahr lieferte die | |
| Kernspaltung nur knapp 6 Prozent des Stroms. | |
| Der konservative Premier reagiert auf einen Stimmungswechsel in der | |
| Bevölkerung. Japan leidet unter stark gestiegenen Öl- und Gaspreisen, da | |
| das Inselland stark vom Import fossiler Brennstoffe für die Strom- und | |
| Industrieproduktion abhängig ist. Vor diesem Hintergrund sprach sich | |
| Umfragen zufolge erstmals seit 2011 wieder eine Mehrheit der Japaner für | |
| die weitere Nutzung der Atomkraft aus. | |
| Zugleich zielt Kishida auf einen Wechsel in der Führung der Atomaufsicht. | |
| Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Toyoshi Fuketa ist der designierte | |
| NRA-Chairman Shinsuke Yamanaka, der im September übernimmt, kein studierter | |
| Nuklearingenieur und gilt als Kritiker der Laufzeitbegrenzung auf 40 Jahre. | |
| ## Viele Betriebsgenehmigungen fehlen | |
| Dennoch kann die japanische Regierung die Neustarts nicht direkt | |
| beeinflussen. Bisher hat die NRA erst 17 Reaktoren eine neue | |
| Betriebsgenehmigung erteilt, nachdem sie die verschärften | |
| Sicherheitsauflagen gegen Erdbeben und Tsunami erfüllt hatten. Nur zehn | |
| davon wurden bisher angefahren. Denn ungeachtet der Genehmigung blockieren | |
| lokale und regionale Politiker sowie atomkritische Anwälte eine | |
| Inbetriebnahme, weil die Anwohner dem Betreiber misstrauen und um ihre | |
| Sicherheit fürchten. | |
| 25 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /10-Jahre-Fukushima/!5751324 | |
| [2] /Sechs-Monate-Krieg-in-der-Ukraine/!5873455 | |
| [3] /Japan-will-schneller-CO2-neutral-werden/!5719856 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Fritz | |
| ## TAGS | |
| Energie | |
| Atom | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Japan | |
| Fukushima | |
| Asien | |
| Fukushima | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| Japan | |
| Japan | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| Japan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Starke Bebenserie in Japan: Warnungen vor Tsunami-Flutwellen | |
| Wieder hat in Japan die Erde gebebt. Häuser sind eingestürzt, Straßen | |
| aufgerissen. Eine Katastrophe wie 2011 ist bisher ausgeblieben. | |
| Japan plant Einleitung: Wasser aus Fukushima soll ins Meer | |
| Die japanische Regierung will mehr als eine Million Tonnen aufbereitetes | |
| Wasser aus dem havarierten Atomkraftwerk ins Meer leiten – noch dieses | |
| Jahr. | |
| Energiekrise in Japan: Abkehr vom Ausstieg | |
| Um die aktuelle Energiekrise zu überwinden, setzt die japanische Regierung | |
| wieder auf Atomkraftwerke. Sie dürfen nun bis zu 70 Jahre lang laufen. | |
| Protest gegen Staatsakt: Japan will anders trauern | |
| Ein Mann zündet sich in Tokio an, aus Protest gegen den Staatsakt für den | |
| Ex-Premier Abe und gegen die engen Verbindung der Regierung zur Moon-Sekte. | |
| Größtes Handelsdefizit aller Zeiten: Japan verbucht Rekordimportkosten | |
| Die Energiekrise und der schwache Yen machen Japan zu schaffen. Die Exporte | |
| wachsen trotz schwacher Währung mengenmäßig nicht. | |
| +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Ukraine bangt um Stromversorgung | |
| Offenbar bereiten russische Truppen das Abschalten der noch betriebenen | |
| Reaktoren im AKW Saporischschja vor. Das würde vor allem den Süden treffen. | |
| Energiewirtschaft in Europa: Atomoffensive bleibt aus | |
| Trotz Energiekrise hat die Nuklearindustrie keine neuen Aufträge. | |
| Stattdessen kollabieren ältere Meiler, während Baukosten für neue AKWs | |
| steigen. | |
| Drohungen mit Atomwaffen: Das atomare Trauma kehrt zurück | |
| In Japan wurde der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gedacht. | |
| Mit den Konflikten um die Ukraine und Taiwan haben sie eine neue | |
| Aktualität. |