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# taz.de -- „Tag X“-Demonstration in Leipzig: Vermummter Staatsanwalt
> Eine Solidaritätsdemo in Leipzig für Lina E. durfte wegen Vermummung
> nicht laufen. Nun stellt sich raus: Vor Ort war auch ein maskierter
> Staatsanwalt.
Bild: Demonstrationsteilnehmer bei einem Protest gegen das Urteil im Prozess ge…
Berlin/Leipzig taz | Das Foto warf schon am Tag [1][der verhinderten „Tag
X“-Demonstration] vor zwei Wochen in Leipzig einige Fragen auf. [2][Zwei
vermummte Personen sind darauf zu sehen], mit Klemmbrett und im intensiven
Austausch mit Polizeibeamten. Waren es Zivilpolizisten? Ausgerechnet auf
einer Demonstration, die wegen vermummter Teilnehmenden aufgelöst wurde?
Nun gibt es die Auflösung. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigten
am Mittwoch der taz, dass die beiden Vermummten mit den Klemmbrettern ein
Leipziger Staatsanwalt und eine ihn unterstützende Kriminalbeamtin waren.
Diese seien vor Ort gewesen, um über Maßnahmen für festgesetzte
Demonstrierende zu entschieden, sagte ein Polizeisprecher der taz. Die
Vermummung sei dabei zum Eigenschutz gewählt worden – als „persönliche
Entscheidung“.
Auch ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig bestätigte den Vorgang –
und begründete das ebenso mit dem Eigenschutz der beiden Beamten. Die
Polizei verwies auf mehrere Fälle, in denen Polizeikräfte oder
Justizmitarbeitende zuletzt aus der linksradikalen Szene auch persönlich
bedroht worden seien. Daher habe auch für den Staatsanwalt und die
Kriminalbeamtin eine „latente Gefahr“ bestanden, so der Polizeisprecher.
Zunächst hatten die Leipziger Volkszeitung und der [3][Journalist Edgar
Lopez] über den Vorgang berichtet.
Autonome hatten am 3. Juni in Leipzig anlässlich eines „Tag X“ nach der
[4][Verurteilung der Gruppe um Lina E.] demonstrieren wollen. Die
Leipzigerin war mit drei Mitangeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen wegen
einer Angriffsserie auf Neonazis verurteilt worden. Die Stadt hatte die
„Tag X“-Demonstration wegen erwarteter Ausschreitungen jedoch verboten.
Ein Aufzug für Versammlungsfreiheit, der sich am gleichen Tag sammelte und
Lina E.-Unterstützer:innen anzog, wurde dann wegen vermummter Personen
untersagt. Darauf kam es zu Steinwürfen auf Polizist:innen – und
[5][einer elfstündigen Einkesselungen von gut 1.000 Demonstrierenden].
## Die Linke fordert Aufklärung
Das sächsische Innenministerium hatte zuvor bereits [6][in einer
Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag] bestätigt, dass sich auf der
Demonstration auch verdeckte Zivilbeamte befanden. Deren genaue Zahl wollte
die Polizei auch am Mittwoch auf taz-Nachfrage nicht nennen. Dass nun aber
auch ein Staatsanwalt unter den Vermummten war, ist angesichts der just
wegen Vermummung untersagten Demonstration pikant.
Der Sprecher der Leipziger Polizei behauptet aber, dass der Staatsanwalt
erst nach der Auflösung der Demo vor Ort eingetroffen sei, als bereits der
Polizeikessel bestand. Seine Aufgabe sei es gewesen, zu entscheiden, ob und
wie etwa die Identitäten der Eingekesselten festgestellt werden. Diese
Entscheidungen habe er nicht am Schreibtisch, sondern vor Ort treffen
wollen.
Die Linke fordert dennoch Aufklärung. „Es ist mehr als befremdlich, wenn
ein Vertreter der Justiz vermummt auftritt“, sagte die
Linken-Landtagsabgeordnete Jule Nagel der taz. „Das erschüttert das
Vertrauen in eine faire, neutrale Justiz.“ In Kombination mit der
aufgelösten Demonstration sei der Vorgang „umso mehr aufklärungsbedürftig�…
## Die Arbeit des Staatsanwalts hinterfragen
Auch der Grünen-Stadtverordnete Jürgen Kasek, der die aufgelöste
Demonstration geleitet hatte, nannte den vermummten Staatsanwalt „ein
Problem“. Dessen Arbeit müsse „sehr kritisch hinterfragt“ werden. Es
entstehe der Eindruck, dass der Staatsanwalt einseitig handele.
Die Linke Jule Nagel verweist zudem auf eine Hausdurchsuchung im Januar
dieses Jahres in Leipzig, bei welcher derselbe Staatsanwalt ebenfalls über
mehrere Stunden vermummt auftrat. Auch hier rechtfertigte das sächsische
Innenministerium den Vorgang im Nachhinein mit der Eigensicherung des
Beamten. Es sei mit „gefährdungsrelevanten Aktionen“ zu rechnen gewesen und
die Vermummung damit „geeignet, erforderlich und geboten“, um etwa Fotos
von dem Staatsanwalt zu erschweren. Auch gebe es keine Norm, die eine
Gesichtsverhüllung verbiete, antwortete das Innenministerium auf eine
Linken-Anfrage.
Nach der aufgelösten Leipzig-Demonstration wird weiterhin gegen die gut
1.000 Eingekesselten wegen schweren Landfriedensbruchs und Angriffen auf
Vollstreckungsbeamte ermittelt. Ein Vorwurf lautet auch auf versuchten Mord
– [7][wegen eines Brandsatzwurfes], der neben Polizeibeamten landete. Die
Täter sind hier weiter unbekannt, teilte die Staatsanwaltschaft Leipzig am
Mittwoch mit.
Nach dem Protestwochenende gab es zunächst auch zehn Haftbefehle.
Inzwischen sind, bis auf einen, alle außer Vollzug. Die letzte Haftprüfung
sollte am Mittwoch stattfinden.
21 Jun 2023
## LINKS
[1] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934
[2] https://twitter.com/Simmerl19/status/1665052807165009920
[3] https://twitter.com/EdLopez86/status/1671175373055307777
[4] /Urteile-im-Linksextremismus-Prozess/!5934710
[5] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934
[6] /Sondersitzung-nach-Tag-X-Protest/!5940546
[7] /Polizei-will-Fotos-von-Tag-X-Demo/!5939170
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
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