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# taz.de -- Sondersitzung nach „Tag X“-Protest: Eine milde „Umschließung…
> Die Polizeitaktik bei den Leipziger "Tag X"-Protesten nach der
> Verurteilung von Lina E. wird im Innenausschuss des Landtags kontrovers
> diskutiert.
Bild: Polizeieinsatz in Leipzig am „Tag X“, dem 3. Juni 2023
Dresden taz | Von einem „äußerst erfolgreichen Einsatz“ sprach Sachsens
Innenminister Armin Schuster (CDU) am Montag nach einer sechsstündigen
Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag. Gemeint ist das Vorgehen der
Polizei in Leipzig am ersten Juniwochenende. Die Demonstrationen waren der
Höhepunkt von [1][Reaktionen der linken Szene auf die Verurteilung von Lina
E.] und drei Mitangeklagten am 31. Mai in Dresden.
Dem Quartett wurde die Bildung einer kriminellen Vereinigung im
linksextremen Milieu vorgeworfen. In Leipzig hatten die Ordnungsbehörden
für das Wochenende nach dem Urteil das Demonstrationsrecht stark
eingeschränkt. [2][Elf Stunden lang kesselte die Polizei eine Gruppe von
etwa tausend Personen zur Identitätsfeststellung ein].
Die Reduzierung eines angemeldeten Aufzugs auf eine stationäre Kundgebung
und die spätere „Umschließung“ sei eine Folge der Gefahrenprognosen und d…
gewalttätigen Straftaten von Demonstranten gewesen, rechtfertigte der
Innenminister das Vorgehen der Polizeidirektion Leipzig. Das Stadtfest, ein
Grönemeyer-Konzert und das Fußball-Endspiel im Sachsenpokal hätten
ungestört stattfinden können.
„Die geplante Schlacht von Leipzig – das hat nicht stattgefunden“, erklä…
Schuster. Seine Wortwahl lag damit nicht weit entfernt von der des
AfD-Abgeordneten Sebastian Wippel. Der sprach von der Absicht der
linksextremen Szene, „eine ganze Stadt zu tyrannisieren und einen Stadtteil
in Schutt und Asche zu legen“.
## Versammlungsfreiheit „faktisch entleert“
Auch die CDU-Fraktion im sächsischen Landtag unterstützt die Leipziger
Polizeitaktik vorbehaltlos. Oppositionsvertreter wie die
Linken-Innenpolitikerin Kerstin Köditz, aber auch die beiden Partner der
Union in der Kenia-Koalition, verurteilten Attacken von Demonstranten.
„Eine nicht geringe Zahl von Demonstranten war nach Leipzig gekommen, um
Gewalt zu suchen“, stellte Valentin Lippmann für die Bündnisgrünen fest.
Das sei nicht entschuldbar.
Andererseits halten Grüne, Linke und Teile der SPD die Einkesselung einer
so großen und nicht durchweg gewaltbereiten Gruppe für unverhältnismäßig.
Lippmann sprach von einer „hohen Zahl von Unverdächtigen“. „Das Grundrec…
auf Versammlungsfreiheit wurde faktisch entleert“, scherte sich der grüne
Innenpolitiker wenig um die Koalitionsdisziplin. Die Gefahrenprognosen
überzeugten ihn nach wie vor nicht.
„Kollateralschäden dürfen dabei nicht billigend in Kauf genommen werden“,
kritisierte auch sein SPD-Kollege Albrecht Pallas, der selbst als
Polizeibeamter tätig war. Seine Liste von 30 Fragen blieb noch weitgehend
unbeantwortet.
Die Linke Köditz vermisst auch nach der sechsstündigen Ausschusssitzung
klare Informationen des Innenministeriums über die tatsächlichen Vorgänge
im Kessel. „Es ist ein Zufall gewesen, wer in diese Umschließung
hineingekommen ist“, resümiert sie. „Das war eine Ansage gegen die
Versammlungsfreiheit.“ Widersprüchliche Angaben gibt es über eine
angebliche Versorgung mit Essen, Getränken und Toiletten in dieser kalten
Samstagnacht.
## Innenminister Schuster verteidigt Einsatz
In der MDR-Fernsehdebatte „Fakt ist“ am Montagabend nach der
Ausschusssitzung bezeichnete Innenminister Schuster die „Umschließung“
nochmals als das mildeste Mittel. Viel zu riskant und provokant wäre
vielmehr der Versuch gewesen, identifizierte Straftäter aus der Menge
herauszuholen. Unklar bleibt weiterhin, ob sich der Werfer eines
Molotowcocktails überhaupt unter den Eingeschlossenen befand. Seine Attacke
[3][wertete die Polizei als Mordversuch und löste ein härteres Vorgehen
aus].
Der Innenminister behauptet auch weiterhin, jeder, der sich unschuldig
fühlte, hätte den Kessel verlassen können. Augenzeugen berichten
allerdings, dass sie dann ihr Handy hätten abgeben müssen. In den sozialen
Medien und in anonymen Schreiben an das Innenministerium schildern
Minderjährige unterbundene Telefonkontakte mit ihren Eltern und ihre teils
entwürdigende Behandlung bei Leibesvisitationen.
Unbeirrt spricht Armin Schuster dennoch von einer „ausgestreckten Hand“ der
Polizei. Die polizeiinterne Nachbereitung des Einsatzes sei aber noch nicht
abgeschlossen.
In der MDR-Fernsehsendung erfuhr man auch von einer erstaunlichen,
einstündigen Begegnung des Innenministers mit der direkt gewählten
[4][Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel aus Leipzig-Connewitz]. Sie
war eine der Anmelderinnen einer Versammlung und wurde ebenfalls bedrängt.
Für den Minister ist das Gespräch Teil einer neuen kooperativen Strategie
in Leipzig, zu der unter anderem die Abschaffung der Waffenverbotszone in
der Eisenbahnstraße gehört. Mit seinen Schlussbemerkungen verblüffte
Schuster viele: „Leipzig braucht eine linke Szene, dieser Kiez gehört zur
Stadt!“
13 Jun 2023
## LINKS
[1] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934
[2] /Kritik-an-Polizeieinsatz-in-Leipzig/!5936024
[3] /Polizei-will-Fotos-von-Tag-X-Demo/!5939170
[4] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934
## AUTOREN
Michael Bartsch
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