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# taz.de -- Tag X in Leipzig: Polizei räumt Handlungsbedarf ein
> Das Urteil gegen Lina E. hat Leipzig in den Ausnahmezustand versetzt.
> Nach Kritik am Polizeieinsatz bemüht sich der Polizeipräsident um
> Transparenz.
Bild: Leipzig, 03.06.2023: Polizisten im Einsatz am Tag X
Leipzig/Berlin dpa/taz | Der Leipziger Polizeipräsident René Demmler stuft
den massiven Einsatz am linksradikalen „Tag X“ im Rückblick als rechtmäß…
ein, sieht aber auch Handlungsbedarf. Es sei ein großes Problem gewesen,
dass die Polizei die Zahl der Menschen erheblich unterschätzt habe, die am
3. Juni viele Stunden lang in einem Kessel festgesetzt worden waren, sagte
Demmler. Auch die Kommunikation mit den Eingeschlossenen habe nicht
funktioniert. Die Polizei hat das Geschehen rund um den „Tag X“ minutiös
aufgearbeitet, Demmler stellte die [1][Ergebnisse am Donnerstag im
Innenausschuss des sächsischen Landtags vor.]
„Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das alles rechtmäßig ist“, sagte
Demmler. An dem Einsatz mit mehr als 3.000 Beamtinnen und Beamten [2][war
im Nachhinein viel kritisiert worden]. Vor allem der Kessel, in dem 1.043
Menschen teilweise bis zum Morgengrauen festgehalten worden waren, stand
dabei im Fokus. Es wurden Vorwürfe erhoben, dass die Betroffenen schlecht
versorgt wurden und dass sich auch 87 Jugendliche und zwei 13-jährige
Kinder in dem Areal befanden. Die Polizei stellte von jedem Einzelnen die
Identität fest. Es habe der Anfangsverdacht des schweren Landfriedensbruchs
bestanden.
„Ein Riesenproblem hatten wir beim Bestimmen der Personenanzahl in der
Umschließung“, sagte der Polizeipräsident. Dass sich dort mehr als 1.000
statt wie angenommen 300 bis 400 Menschen aufhielten, sei lange nicht klar
gewesen. „Wir haben es bis zuletzt nicht gewusst, bis der Letzte raus war“,
sagte Demmler. Der Kessel befand sich in einem kleinen Park, unter Bäumen
und zwischen Gebüschen. Hätte man die tatsächliche Größenordnung erkannt,
dann hätte man sich für eine verkürzte Identitätsfeststellung entschieden.
Die Frage, wie man besser zählen und schätzen könne, sei aber schwierig zu
beantworten.
Auch die Kommunikation mit den Menschen im Kessel habe nicht geklappt. Das
räume er „unumwunden“ ein, sagte Demmler. „Eine klare und nachvollziehba…
Kommunikation der Polizei ist in dem Bereich nicht gelungen.“ Hier gebe es
Handlungsbedarf. Der Polizeichef wies allerdings auch darauf hin, dass die
Eingeschlossenen nicht kooperativ waren. „Es wollte niemand mit uns reden.“
## Demo-Sanitäter übernahmen Versorgung
Zur Kritik an der Versorgung sagte Demmler, dass sowohl ein Anhänger mit
1.000 Liter Trinkwasser als auch ein Toilettenwagen bereitstanden –
allerdings außerhalb des Kessels. Auch Decken und Nahrung seien vorhanden
gewesen. [3][Letztlich hätten jedoch Demosanitäter die Versorgung der
Menschen übernommen]. Dafür bedanke er sich, sagte Demmler. Die
Polizeiführung habe entschieden, die Sanitäter agieren zu lassen,
allerdings auch das nicht klar kommuniziert.
Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) zeigte sich im Anschluss an
die Ausschusssitzung positiv überrascht, dass die Polizei bei einigen
Aspekten Fehler einräumte. Es blieben aber noch immer Fragen offen, deren
Beantwortung nun auf schriftlichem Wege erfolgen soll, sagte Köditz. „Es
ist wichtig, solche Einsätze parlamentarisch aufzuarbeiten. Wenn
Unbeteiligte in so großer Anzahl durch polizeiliche Maßnahmen gegen eine
viel kleinere Gruppe betroffen sind, muss man schon die Frage stellen
dürfen, ob die Einsatzstrategie die richtige war“, erklärte Albrecht Pallas
(SPD). Es seien massive Grundrechtsverletzungen geschehen: „Mein Eindruck
bleibt, dass zu sehr eskaliert wurde.“
Grünen-Politiker Valentin Lippmann sah sich nachher in seiner Auffassung
bestätigt, dass [4][die Einkesselung der Demonstranten unverhältnismäßig]
war. „Es ist weiterhin davon auszugehen, dass sich eine große Zahl von
Menschen im Kessel befand, die zu keiner Zeit tatverdächtig waren.“ Man
erwarte eine weitere Aufarbeitung des Einsatzes, Erkenntnisse müssten in
die künftige Arbeit einfließen.
Anders fiel das Urteil der CDU aus. Sie sprach von einer „starken Leistung
der Polizei“. „Versammlungsbehörde und Polizei haben bestmöglich dafür
gesorgt, dass Leipzig am ‚Tag X‘ sicher blieb (…). Die ergriffenen
Maßnahmen waren notwendig“, betonte CDU- Innenexperte Ronny Wähner. Die
Umschließung habe sich konkret gegen eine Gruppe gerichtet, aus der heraus
Gewalttaten begangen wurden. Unbeteiligte seien zuvor mehrfach
aufgefordert, sich zu entfernen. „Dass die Polizei dann die Personalien
potenzieller Straftäter aufnimmt, erwarten wir von ihr.“
## Molotow-Cocktail auf Polizei geworfen
Der Polizeieinsatz zum „Tag X“ hatte am 31. Mai [5][mit dem Urteil gegen
die Linksextremistin Lina E. begonnen.] An dem Mittwoch sowie am Freitag
und am Samstag kam es jeweils zu Ausschreitungen in Leipzig. Polizisten
wurden mit Steinen, Böllern und Flaschen beworfen, am Samstag vor Beginn
der Einkesselung war auch ein Molotow-Cocktail aus den Reihen der
Demonstranten geworfen worden. Die Staatsanwaltschaft sieht darin ein
versuchtes Tötungsdelikt, sie ermittelt wegen versuchten Mordes gegen eine
noch unbekannte Person, wie ein Sprecher sagte.
Der „Tag X“ sollte eine Reaktion der linken Szene auf das Lina-E.-Urteil
sein. Die [6][eigentliche Demo war von der Stadt Leipzig verboten] worden,
zwei Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht hatten das Verbot
bestätigt.
23 Jun 2023
## LINKS
[1] /Sondersitzung-nach-Tag-X-Protest/!5940546
[2] /Kritik-an-Polizeieinsatz-in-Leipzig/!5936024
[3] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934
[4] /Polizeieinsatz-in-Connewitz/!5935868
[5] /Urteile-im-Linksextremismus-Prozess/!5934710
[6] /Proteste-nach-Lina-E-Urteil/!5938276
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