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# taz.de -- Demos wegen Urteil gegen Lina E.: Polizei leugnet Linken-Checkliste
> Das Bundesinnenministerium bestätigt, dass die Polizei die Nordwestbahn
> um Meldung linker Reisender im Kontext der Lina-E.-Demos gebeten hat.
Bild: Könnten Sie ihn ohne Schild zuordnen? Linker Demonstrant in Hamburg
Berlin taz | Die Linke im Bundestag kritisiert die Bundespolizei für
Maßnahmen rund um Demos wegen der Verurteilung der Antifaschistin Lina E.
Die Bundespolizei habe ihre Zuständigkeit überschritten, sagt die
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Renner. Sie fordert
eine Untersuchung.
Renner reagiert auf eine Antwort des Bundesinnenministerium auf ihre Frage
nach einem taz-Bericht, in dem es unter anderem um Merkmalslisten ging,
anhand derer Zugpersonal vermeintlich linke Fahrgäste hätte erkennen
sollen.
Am 31. Mai war es [1][nach dem Urteil gegen Lina E. und drei weiteren
Angeklagten bundesweit zu linken Demos gekommen]. Laut einer internen
Anweisung der Nordwestbahn in Bremen sollten Mitarbeitende linke Fahrgäste
an die Betriebsleitzentrale melden.
Wörtlich hieß es: „Laut Bundespolizei sind linke Personen an folgenden
Merkmalen bzw. Aussehen zu erkennen: Alternatives Auftreten bzw. Aussehen,
evtl. mit Dreadlocks, links orientiert, besonders häufig auch Studenten,
Personen, die der ‚Öko-Szene‘, ‚Grünen-Szene‘ oder Generation-Z zuzuo…
sind.“
## Bundesweit Kritik
Die Liste sorgte bundesweit für Kritik. Rechtsanwalt Sven Adam aus dem
erweiterten Vorstand des Republikanischen Anwaltsvereins hielt schon die
Bitte der Bundespolizei, ihr Verdächtige zu melden, für empörend.
[2][Zugpersonal würde aufgefordert, zu Hilfspersonen rechtswidrigen
Handelns der Bundespolizei zu werden].
Auf Anfrage Renners erklärte das Bundesinnenministerium nun: Wegen der
Urteilsverkündung in Dresden habe die Bundespolizei „bundesweit
lageangepasst Aufklärungs-, Fahndungs-, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen
in Reisezügen durchgeführt“. Damit seien „bahnpolizeiliche Aufgaben nach …
3 Bundespolizeigesetz“ erfüllt worden.
Grundlage seien Gefahreneinschätzungen der Polizei- und
Verfassungsschutzbehörden. Man habe verhindern wollen, dass „gewaltbereite
bzw. kriminelle Personen“ anreisen. Die Maßnahmen dienten „der Abwehr der
von diesen ausgehenden Gefahren für den Bahnverkehr sowie Bahnreisende“.
Die [3][Ausübung staatlicher Befugnisse ist laut Grundgesetz] föderal
organisiert und Ländersache – Aufgaben der Bundespolizei entsprechend
eingeschränkt. [4][Jener Paragraf 3 des Bundespolizeigesetzes] (BPolG), den
das Innenministerium anführt, begrenzt die Gefahrenabwehr durch die
Bundespolizei auf zwei Fälle: auf Gefahren, die „1. den Benutzern, den
Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder 2. beim Betrieb der Bahn
entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen“.
Renner kritisiert nun: „Die Bundespolizei hat mit dieser Maßnahme die
landespolizeilichen Zuständigkeiten verletzt.“ Die Vorschrift des
Paragrafen 3 BPolG ermögliche das bahnpolizeiliche Einschreiten für
eisenbahnspezifische Gefahren. „Aber es wurde nie erwartet oder behauptet,
dass Züge gekapert und in Dresdner Gerichtssäle umgeleitet würden.“
Weiterhin ungeklärt bleibt die Herkunft der Merkmalsliste. Zwar stand die
Bundespolizei laut Innenministerium mit den Eisenbahnunternehmen im
Austausch: „Dies umfasste auch die Bitte an die Verkehrsunternehmen, der
Bundespolizei mögliche anlassbezogene Feststellungen mitzuteilen.“ Aber:
Äußere Merkmale zur Erkennbarkeit des betroffenen Personenkreises habe die
Bundespolizei nicht übermittelt.
Gleiches antwortete die [5][Bundespolizeidirektion Hannover auf eine
Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz]. Sie erklärte zudem: „Die
Bundespolizei distanziert sich ausdrücklich von den über diverse Medien
veröffentlichten Merkmalen.“
Nach Bekanntwerden der Liste hatte die Nordwestbahn den Mitarbeiter ihrer
Betriebsleitstelle, der sie an das Zugpersonal verschickt hatte, von seinen
Aufgaben entbunden. Es steht Aussage gegen Aussage: Nach der Bitte,
verdächtige Fahrgäste zu melden, kam es [6][nach taz-Informationen zwischen
Betriebsleitstelle der Nordwestbahn und der Bundespolizeiinspektion Bremen
zu einem Telefonat von mindestens einer Minute.] Der Inhalt des Gesprächs
wurde anscheinend aber nicht aufgezeichnet.
Die Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns wird indes auch in Leipzig im
Zusammenhang mit einer Demonstration wegen des Urteils gegen Lina E.
diskutiert. Am 3. Juni hatte die Polizei dort etwa Tausend Personen,
darunter auch Minderjährige, rund elf Stunden lang einkesselt, um ihre
Identität festzustellen. In einer Sondersitzung des Landtags verteidigte
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) den Einsatz. Die Festgenommenen
hatten von unwürdigen Zuständen berichtet.
20 Jun 2023
## LINKS
[1] /Sondersitzung-nach-Tag-X-Protest/!5940546
[2] /Bundespolizei-sucht-nach-Linken-in-Zuegen/!5938252
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_30.html
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/bgsg_1994/__3.html
[5] https://fragdenstaat.de/anfrage/hilfeersuchen-nordwestbahn/811141/anhang/bp…
[6] /Innenministerium-zu-linken-Fahrgaesten/!5936220
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Föderalismus
Bahn
Bundespolizei
Linksextremismus
Radikale Linke
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Lina E.
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