# taz.de -- Streit um Kirchenasyl: Berlin keilt zurück | |
> Hamburg wirft der Hauptstadt vor, die Abschiebung mehrerer Afghanen | |
> vereitelt zu haben. Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) verbittet sich | |
> den Tonfall. | |
Bild: Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU), Innensenatorin Iris Spranger und… | |
Berlin taz | Zwischen den Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist ein heftiger | |
Streit um das Thema Kirchenasyl entbrannt. Hamburgs Erster Bürgermeister | |
Peter Tschentscher (SPD) hatte den Berliner Behörden in einem ungewöhnlich | |
drastisch formulierten Schreiben an seinen Amtskollegen Kai Wegner (CDU) | |
vorgeworfen, die Abschiebung mehrerer Afghanen zu sabotieren. | |
Wegner und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) keilten jetzt in einem | |
gemeinsamen Statement zurück: „Über die Wortwahl eines Schreibens | |
entscheidet jeder selbst, unsere Tonlage ist dies nicht.“ | |
Konkret geht es um vier afghanische Flüchtlinge aus Hamburg, die die | |
Behörden der Hansestadt nach Schweden abschieben wollten. Die vom Islam zum | |
Christentum konvertierten Männer flüchteten sich daraufhin in eine | |
Steglitzer Freikirche und erhielten dort Kirchenasyl. In Schweden, so die | |
Befürchtung, drohe ihnen die Abschiebung nach Afghanistan – [1][mit | |
unabsehbaren Folgen]. | |
Die Hamburger Behörden interessierte das wenig. Sie forderten von Berlin | |
die Überstellung der Männer, auch mit Polizeikräften. Allein, Berlin | |
weigerte sich. Denn Kirchenasyl wird in der Hauptstadt nicht gebrochen, die | |
Polizei dringt aufgrund der in Berlin geltenden Weisungslage aus Respekt | |
vor der Institution Kirche nicht in sakrale Räume ein. [2][Anderswo ist das | |
inzwischen anders, auch in Hamburg.] | |
## Rauer Ton zwischen Amtskollegen | |
Hamburgs Regierungschef Tschentscher wollte dann auch nicht einsehen, warum | |
Berlin keine Polizisten in Kirchengemeinden schickt. Was folgte, war sein | |
geharnischter Brief an Berlins Regierenden Wegner. | |
Die Berliner Zeitung, der der Brief vorliegt, zitiert Tschentscher unter | |
anderem mit dem Vorwurf des „systematischen Missbrauchs des Kirchenasyls, | |
indem Flüchtlinge in Kirchenräume aufgenommen werden, (…) deren | |
Rückkehrpflicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat rechtskräftig | |
festgestellt wurde“. Weiter heißt es, es sei nicht hinnehmbar, dass „die | |
Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung von einer Berliner | |
Kirchengemeinde vereitelt“ werde. | |
Wegner und Innensenatorin Spranger widersprachen ungewöhnlich scharf. Die | |
Verantwortung für die Nichtüberstellung der Männer nach Schweden liege bei | |
Hamburg, nicht bei Berlin, schreiben sie in der gemeinsamen Stellungnahme. | |
„Das Hamburger Amt für Migration hatte Durchsuchungsbeschlüsse des | |
Amtsgerichts Tiergarten“ für die Kirchengemeinde erwirkt, bestätigen Wegner | |
und Spranger. Damit wäre die Hansestadt in der Lage gewesen, mit eigenen | |
Polizeikräften in die Berliner Kirchengemeinde einzudringen, was die | |
Hamburger Polizei demnach auch genauso durchziehen wollte. | |
## „Alleinige Entscheidung von Hamburg“ | |
Letztlich habe man „dann jedoch kurz vor Ablauf der Frist auf Intervention | |
des Hamburger Innenressorts auf einen Einsatz in Berlin verzichtet“, so | |
Wegner und Spranger. Und weiter: „Dies ist alleinige Entscheidung von | |
Hamburg.“ | |
Hamburg ersuchte daraufhin um Amtshilfe, um die Männer durch Berliner | |
Polizisten aus dem Kirchenasyl zu holen und nach Rostock zur Fähre nach | |
Schweden zu bringen. Diese habe man „jedoch nicht erhalten“, beklagte sich | |
nun Hamburgs Senatssprecher Christopher Harms. Nur deshalb habe der Erste | |
Bürgermeister den Regierenden Bürgermeister um Unterstützung gebeten, „in | |
diesem Sinne tätig zu werden“. | |
Pastor Gottfried Martens von der Evangelisch-Lutherischen | |
Dreieinigkeitsgemeinde, die die vier Männer aufgenommen hat, verweist | |
gegenüber der taz unterdessen darauf, dass Schweden mitnichten ein sicheres | |
Aufenthaltsland für die vier Afghanen wäre. | |
Alle vier Männer hätten bereits mehrere Jahre in Schweden gelebt. Doch die | |
[3][dortige Minderheitsregierung, die von den rechten Schwedendemokraten | |
toleriert wird,] hätte ihnen wie zahlreichen anderen Afghanen auch die | |
Aufenthaltserlaubnis entzogen und die Abschiebung nach Afghanistan | |
angedroht. | |
In einem Asylverfahren in Deutschland sähen sie eine Chance, der | |
Abschiebung in den Taliban-Staat zu entkommen. Martens sagt: „Die Afghanen | |
sind konvertierte Christen, unter den Taliban sind sie wegen ihres Glaubens | |
an Leib und Leben bedroht.“ | |
25 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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