| # taz.de -- Streit ums Kirchenasyl: Abschiebung in die Obdachlosigkeit | |
| > Trotz Kirchenasyls in Berlin schob Hamburg einen Afghanen nach Schweden | |
| > ab. Dort lebte er auf der Straße, sagt der Pastor der Berliner Gemeinde. | |
| Bild: Vier Afghanen hatte die Berliner Dreifaltigkeitskirche Kirchenasyl gewäh… | |
| Berlin taz | Anfang August hatte Hamburg den zum Christentum konvertierten | |
| Afghanen H., der in einer Berliner Kirchengemeinde im Kirchenasyl lebte, | |
| nach Schweden abgeschoben. | |
| Anders als von Hamburg verlangt, haben die Berliner Behörden das | |
| Kirchenasyl nicht gebrochen: H. hatte kurzzeitig den gemeindeeigenen Garten | |
| verlassen, ohne dass ihm dabei bewusst war, dass er sich nicht mehr auf | |
| Kirchengelände, sondern auf öffentlichem Grund befand. | |
| [1][Berliner Zivilpolizisten nahmen ihn dort in Amtshilfe für Hamburg | |
| fest.] Anders als von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher | |
| (SPD) von Berlin in einem ungewöhnlich scharfen Schreiben gefordert, hatte | |
| sich die Hauptstadt geweigert, das Kirchenasyl zu brechen, [2][in dem sich | |
| noch drei weitere Afghanen befanden, deren Zuständigkeit bei Hamburg lag.] | |
| Wie geht es H. heute? Die taz hat dazu mit Gottfried Martens, dem Pastor | |
| der evangelisch-lutherischen Dreieinigkeitsgemeinde in Berlin gesprochen, | |
| in der H. Aufnahme gefunden hatte. „Der Mann lebte wochenlang in Stockholm | |
| auf der Straße“, sagt Martens. „Am Wochenende hat er Schweden wieder | |
| verlassen. Ich weiß nicht, mit welchem Ziel innerhalb der EU.“ | |
| ## Schwarzarbeit oder Betteln | |
| Das erfuhr Martens, weil er selbst und afghanische Mitglieder von H.s Farsi | |
| sprechender freikirchlicher Gemeinde über das Handy mit H. im Kontakt | |
| stehen würden. „Noch“, fügt Martens hinzu, denn bald sei das noch in | |
| Deutschland aufgeladene Handyguthaben des Mannes aufgebraucht. | |
| In Schweden, das [3][nach der Dublin-Verordnung] für H.s Asylverfahren | |
| zuständig ist, hatte H. keine Zukunft. Das Asylverfahren des christlichen | |
| Konvertiten sei bereits vor seiner Flucht nach Deutschland negativ | |
| beschieden worden. Martens: „Damit hatte er nach schwedischem Recht keinen | |
| Anspruch auf irgendwelche Sozialleistungen. In Schweden gilt nicht einmal | |
| das Prinzip Brot, Bett und Seife.“ | |
| Auch ein Recht auf Arbeit habe er nicht. Das schließt das schwedische Recht | |
| für Menschen mit einer Abschiebeverfügung fünf Jahre lang aus. Was ihm | |
| blieb, war die Wahl zwischen Betteln und Schwarzarbeit. Doch, so Martens | |
| weiter, wäre er bei einem von beiden erwischt worden, wäre er in ein | |
| geschlossenes Lager verbannt und von dort aus früher oder später nach | |
| Afghanistan abgeschoben worden. | |
| Möglicherweise eher später als früher. Denn gegenwärtig hat Schweden keine | |
| Möglichkeit, nach Afghanistan abzuschieben. Zumindest nicht direkt. Denn es | |
| gab seit 2024 einzelne Abschiebungen auf dem Umweg über Usbekistan, das die | |
| Menschen dann weiter nach Afghanistan schickte. Auf diese Weise vermied es | |
| die Regierung in Stockholm, direkt mit den Taliban verhandeln zu müssen. | |
| ## Ein Mann ist noch im Kirchenasyl | |
| Im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan, davon ist Martens überzeugt, | |
| droht H. wegen seiner Abkehr vom Islam die Todesstrafe. In der Abschiebung | |
| des Mannes nach Schweden durch Hamburger Behörden sieht der Pastor einen | |
| klaren Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die, so | |
| Martens, verbietet eine Abschiebung, wenn jemandem gesichert die | |
| Obdachlosigkeit drohe. Und das sei in Schweden bei abgelehnten | |
| Asylbewerbern der Fall. | |
| Von den ursprünglich vier Hamburger Afghanen, die im Sommer im Kirchenasyl | |
| in der Freikirche in Berlin lebten, sei noch ein Mann dort, sagt Martens | |
| der taz. „Zwei Männer sind nach Hamburg zurückgekehrt und können jetzt dort | |
| ihr Asylverfahren absolvieren.“ Denn sechs Monate nach dem ersten Kontakt | |
| mit deutschen Behörden nimmt der nach der Dublin-Verordnung eigentlich | |
| zuständige Staat, in diesem Fall Schweden, die Menschen nicht mehr zurück. | |
| Diese Zeit haben die Männer im Kirchenasyl abgewartet. Die Zuständigkeit | |
| für das Asylverfahren geht dann an Deutschland über. | |
| Komplizierter sei es im vierten Fall, sagt Martens der taz. „Bevor dieser | |
| Mann zu uns kam, lebte er in Hamburg im Dublin-Zentrum. Das Lager hatte er | |
| tagsüber kurz verlassen, gerade als die Polizei dorthin kam. Daraus | |
| schließen die Hamburger Behörden, er sei flüchtig.“ Doch eine | |
| Verpflichtung, sich tagsüber in dem Dublin-Zentrum aufzuhalten, gebe es | |
| nicht, so Martens. | |
| Sehen Hamburgs Behörden den Mann aber als flüchtig an, dann ist Schweden | |
| verpflichtet, ihn nicht nur sechs Monate, sondern 18 Monate nach dem ersten | |
| Behördenkontakt wieder zurückzunehmen. Dem Pastor zufolge habe der Mann | |
| aber mithilfe eines Anwaltes gegen die 18-Monats-Frist geklagt. | |
| 16 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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| Kai Wegner | |
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