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# taz.de -- Springer stellt „Bild“-Chef Reichelt frei: Ende der Feldbett-Ge…
> Nun muss er doch gehen: Der Springer-Verlag hat „Bild“-Chef Julian
> Reichelt freigestellt. Die „New York Times“ hatte zuvor neue Details
> enthüllt.
Bild: Auch ein verhinderter kritischer Bericht half nicht mehr: der nun Ex-„B…
Berlin taz | Es war ruhig geworden um Bild-Chefredakteur Julian Reichelt.
Seit Sonntagabend ist die Ruhe allerdings vorbei: Am späten Abend
veröffentlichte [1][die New York Times einen Bericht] über den Axel
Springer Verlag. Konkret geht es darin um die Bild-Zeitung und ihren Chef
Reichelt. New York Times-Journalist Ben Smith beschreibt in seinem Artikel
eine Arbeitskultur in der Bild-Redaktion, in der sich „Sex, Journalismus
und Firmengeld“ vermischen. Smith legt außerdem weitere Details darüber
offen, wie Reichelt mit jungen Frauen in seiner Redaktion umgegangen sein
soll.
Am Montagabend veröffentlichte Axel Springer außerdem überraschend [2][in
einer Mitteilung], dass Julian Reichelt mit sofortiger Wirkung als
Chefredakteur von Bild entlassen wird. Sein Nachfolger wird Johannes Boie,
derzeit Chefredakteur der Welt am Sonntag. Der Vorstand habe erfahren, dass
Reichelt auch im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt
und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe, heißt es in der
Mitteilung. Das Unternehmen reagiere mit seiner Entscheidung auf Vorwürfe,
die es in den letzten Tagen über Reichelt erhalten habe.
Auch das neue Investigativteam der Ippen-Verlagsgruppe, zu der unter
anderem Frankfurter Rundschau und Münchner Merkur gehören, recherchierte zu
den Vorwürfen gegenüber Reichelt. Ihre monatelange Recherche sollte
ebenfalls am vergangenen Sonntag erscheinen. Verleger Dirk Ippen stoppte
allerdings die Veröffentlichung.
[3][In einem Brief] des gesamten Rechercheteams (Chefredakteur Daniel
Drepper, Stellvertreter Marcus Engert sowie die Senior-Reporterinnen
Juliane Löffler und Katrin Langhans), der mittlerweile öffentlich und an
Verlag und Geschäftsführung adressiert ist, zeigen sich die
Journalist:innen schockiert, denn die Recherche sei „redaktionell und
juristisch über Monate abgestimmt“ gewesen. „Die Entscheidung ist eine
absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag“,
heißt es in dem Brief. Man fühle sich in der Arbeit als Investigativteam
beschnitten.
Brisant ist, mit welcher Begründung die Recherche verhindert worden sein
soll. Denn für den Stopp der Veröffentlichung seien keine juristischen oder
redaktionellen Gründe angeführt worden, schreibt das Team. Auch seien
Anrufe von Verantwortlichen des Axel Springer Verlags beim Ippen-Verlag
nicht der Grund gewesen, „sondern persönliche Geschmacksfragen“. Welche
dies konkret sind, wird nicht weiter ausgeführt.
## Konkurrenten und Partner
Es drängen sich mehrere Fragen auf: Was missfiel Verleger Ippen an den
Rechercheergebnissen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht,
wie das Investigativteam schreibt? Welche Rolle spielten die genannten
Anrufe durch Springer-Verantwortliche? Was beinhalteten diese Telefonate?
Oder bewegten andere Gründe Dirk Ippen letztlich zu seiner Entscheidung?
Auf Anfrage der taz heißt es aus dem Ippen-Verlag, man müsse als
Mediengruppe, die in direktem Wettbewerb mit Bild stehe, „sehr genau darauf
achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber
wirtschaftlich schaden“. Eine Beeinflussung durch Springer habe es dabei
nicht gegeben. Das hat Dirk Ippen selbst in einem Mailverkehr mit
ZDF-Moderator Jan Böhmermann mitgeteilt, auf den der Verlag verweist und
[4][der auf Twitter veröffentlicht wurde].
Doch die Ippen-Gruppe und Bild sind nicht nur Konkurrenten auf dem
Medienmarkt, Bild ist auch Auftraggeber für Ippen. Seit 2005 wird eine
Teilauflage der Bild-Zeitung täglich von der Kreiszeitung bei Bremen
produziert. Haupteigentümer der Kreiszeitung ist Verleger Dirk Ippen.
Mittlerweile wurde der Auftrag zwar gekündigt, er läuft aber noch bis Ende
des Jahres.
Aus dem Axel Springer Verlag heißt es von einem Unternehmenssprecher auf
Anfrage der taz, man habe grundsätzlich kein Problem mit einer kritischen
Auseinandersetzung. „Auch eine solche Berichterstattung muss jedoch eine
Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre
von Mitarbeitern sowie insbesondere – in diesem konkreten Fall – von Zeugen
geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens
strikte Anonymität zugesichert wurde.“
Mit Wissen von Axel Springer habe es keinen Versuch gegeben,
Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung zu
verhindern. Weiter heißt es: „Davon unbenommen sind rechtliche Hinweise,
die der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens und seiner
Mitarbeiter dienen.“
[5][Mit „Vögeln, fördern, feuern“], Anführungszeichen inbegriffen, war e…
Spiegel-Artikel betitelt, der im März den Fall um Reichelt ausführlich
darlegte. Gegen einzelne Behauptungen des entsprechenden Artikels hatte
Reichelt später [6][eine einstweilige Verfügung erwirken können.]
Bild-Chef Reichelt soll, so wird es im Spiegel-Text beschrieben,
Volontärinnen und Praktikantinnen zum Abendessen eingeladen, junge
Mitarbeiterinnen schnell befördert und ebenso schnell wieder gekündigt
haben. Der Text vermittelt das Bild einer autoritären Führungskultur, in
der Reichelt den Ton angibt. Rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen
hätten Beschwerden gegen Reichelt vorgebracht, unter anderem wegen Mobbing,
Nötigung und Machtmissbrauch. Daraufhin hatte sich ein Compliance-Team im
Springer-Haus mit der Klärung der Vorwürfe beschäftigt.
## Vorwürfe des Machtmissbrauchs
Reichelt war am 12. März auf eigenen Wunsch für zehn Tage beurlaubt worden.
Er kehrte später wieder [7][auf seinen Posten als Chef der Bild-Zeitung
zurück], leitete die Zeitung allerdings dann zusammen mit Alexandra
Würzbach. Würzbach ist eigentlich Chefredakteurin der Bild am Sonntag und
Mitglied der Chefredaktion der Bild-Gruppe. In Reichelts Abwesenheit hatte
sie die Bild kommissarisch geleitet.
Nachdem Reichelt wieder auf seinem Posten war, hieß es in einer Mitteilung
des Springer-Verlags damals, Reichelt habe eingeräumt, berufliche und
private Beziehungen vermischt zu haben, die restlichen Vorwürfe habe er
aber bestritten und dies eidesstattlich versichert. Reichelt habe Fehler
gemacht, die strafrechtlich nicht relevant seien. Eine Trennung aufgrund
seiner Fehler, so wird Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von
Springer, zitiert, halte man aber für unangemessen.
Reichelt selbst kommt in der Mitteilung auch zu Wort und räumt Fehler ein:
„Ich weiß, ich habe im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht
und kann und will das nicht schönreden. Was ich mir vor allem vorwerfe,
ist, dass ich Menschen, für die ich verantwortlich bin, verletzt habe. Das
tut mir sehr leid.“
Nach dieser Mitteilung wurde es im Hause Springer und auch in der
Öffentlichkeit erst einmal ruhig. Es schien, [8][so schreibt es
Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier], als sei Reichelt damit rehabilitiert
gewesen. Das Ippen-Investigativteam aber blieb an den Vorwürfen dran, es
recherchierte weiter, im Hintergrund. Hunderte Dokumente habe das Team
recherchiert und die Belege in umfangreichen Faktenchecks besprochen.
Das Investigativteam, ehemals Buzzfeed News, arbeitet seit Juni unter dem
Namen „Ippen Investigativ“. Der Ippen-Verlag plante mit der Gründung,
investigativen Journalismus in seinem Netzwerk zu fördern. Das Team um
Gründer Daniel Drepper sollte demnach für das gesamte Netzwerk Recherchen
realisieren.
In seinem Brief schreibt das Team dazu: „Seit der Übernahme unseres Teams
wurde uns mehrfach gesagt, unsere Rolle sei auch die, einen Qualitätsschub
im Netzwerk auszulösen. Wir haben immer wieder kommuniziert, dass für
unsere Arbeit redaktionelle Unabhängigkeit die Grundlage ist.“
Dass eine lang recherchierte Geschichte vom neuen Arbeitgeber nun
verhindert wurde, bezeichnet das Team als „Vertrauensbruch in der
Zusammenarbeit“. Journalist:innen in den sozialen Netzwerken und
Vereine haben sich mittlerweile mit dem betroffenen Team solidarisiert. Die
Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, deren Vorsitzender Daniel
Drepper ist, [9][ruft in einer Stellungnahme den Verlag Ippen dazu auf],
„die Unabhängigkeit seiner Redaktionen zu respektieren“. Verleger Dirk
Ippen habe damit eine Grenze überschritten und der Pressefreiheit Schaden
zugefügt. Der Verein weist darauf hin, bei aller Kritik an Ippen „den
Gegenstand der zurückgehaltenen Recherche nicht aus den Augen“ zu
verlieren.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, Teil von Verdi,
kritisiert den Stopp der Recherche als einen skandalösen Eingriff in
unabhängige Berichterstattung bei Ippen. Die Journalist:innen-Gewerkschaft
stelle sich solidarisch an die Seite der betroffenen Kolleginnen und
Kollegen des Ippen-Investigativteams.
In den sozialen Medien diskutieren Journalist:innen über den Fall
hinaus darüber, unter welchen Bedingungen und gegen welche Widerstände
investigative Recherchen zu sensiblen Themen noch entstehen können. Offen
bleibt zum jetzigen Stand, wie eine weitere Zusammenarbeit zwischen „Ippen
Investigativ“ und dem Ippen-Verlag aussehen wird. Der Verlag teilte mit,
man wolle „die Arbeit mit den hervorragenden Journalistinnen und
Journalisten natürlich weiter fortsetzen“.
18 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2021/10/17/business/media/axel-springer-bild-julian…
[2] https://www.axelspringer.com/de/presseinformationen/nach-neuen-erkenntnisse…
[3] https://twitter.com/janboehm/status/1449860072037879812?s=20
[4] https://twitter.com/HHumorlos/status/1450022509466763264?s=20
[5] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bild-chefredakteur-julian-rei…
[6] /Julian-Reichelt-gegen-den-Spiegel/!5773863
[7] /Bild-Chef-Reichelt-nach-Freistellung/!5761445
[8] https://uebermedien.de/64361/recherchen-ueber-bild-chef-buzzfeed-verleger-i…
[9] https://netzwerkrecherche.org/blog/erklaerung-des-vorstands-von-netzwerk-re…
## AUTOREN
Erica Zingher
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