| # taz.de -- Schwaches EU-Renaturierungsgesetz: Zu wenig, zu spät | |
| > „Hauptsache, es gibt eine Einigung“ reicht nicht. Europas Gesetz zur | |
| > Wiederherstellung der Natur wird die ökologische Krise kaum beenden | |
| > können. | |
| Bild: Auf die Moore und die Wiedervernässung kommt es an | |
| Es lässt tief blicken, dass schon [1][die bloße Einigung der Europäischen | |
| Union für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur] als Erfolg gilt. | |
| Hauptsache, Kommission, Rat und Parlament konnten sich überhaupt auf einen | |
| Text einigen, egal, wie schwach er ist, möchte man angesichts der Versuche | |
| der Konservativen seufzen, das Gesetz ganz zu schleifen. | |
| Das offenbart den Zustand der Institutionen und vor allem den des | |
| Parlaments. Der Green Deal für Klimaschutz, für Biodiversität und für | |
| Gesundheit, mit dem die EU die Lebensgrundlagen des Kontinents schützen | |
| wollte, erscheint mehr und mehr als Echo einer Zeit, in der einmal viel | |
| möglich schien. In der Gedanke aufkeimte, [2][dass die ökologische Krise | |
| unserer Zeit kein Nischenthema für Grüne ist, sondern eine Bedrohung für | |
| alle]. | |
| Dieser Gedanke ist zwar in der Welt – durchsetzen und wirksam werden konnte | |
| er beim Renaturierungsgesetz offensichtlich nicht. Die wesentlichen | |
| Maßnahmen, um die Natur wirklich wieder herzustellen sind hier so schwammig | |
| formuliert und mit Ausnahmen versehen, dass die Mitgliedsstaaten sie leicht | |
| umgehen können. | |
| Außerdem sind umkämpfte Vorgaben – etwa die [3][Wiedervernässung von | |
| Mooren] – in die weite Ferne verschoben. Sich irgendetwas vorzunehmen, das | |
| die Nachfolger der Nachfolgerinnen der Verantwortlichen irgendwann einmal | |
| umsetzen müssen, ist immer einfach. Doch Konflikte und Interessengegensätze | |
| verschwinden nicht, nur weil ihre Lösung in die Zukunft verschoben wird. | |
| ## Die Treibhausgase zählen, nicht die guten Absichten | |
| Und auch die ökologischen Krisen warten nicht, im Gegenteil. Das Klima wird | |
| nicht durch Absichtserklärungen oder die Aussicht auf Innovationen | |
| beeinflusst. Sondern einzig dadurch, welche Mengen von Treibhausgasen wir | |
| in die Atmosphäre entlassen. Und mit Torfmoosen, Insekten und Krill lässt | |
| sich nicht diskutieren: „Haltet durch, [4][begnügt euch mal ein paar | |
| Jahrzehnte mit ungeeigneten Lebensräumen, wir kriegen unsere Agrar- und | |
| Fischereipolitik gerade nicht anders geregelt].“ | |
| Bleibt die Erkenntnis: Die EU fällt anscheinend als bisher eher | |
| verlässlicher politischer Verbündeter für eine sozial-ökologische | |
| Transformation aus. Schon jetzt können sich vernünftige, progressive Kräfte | |
| gegen Rechtsextreme und Konservative, die mit ihnen gemeinsame Sache | |
| machen, nur noch mit Mühe durchsetzen. Sollten sich die Kräfteverhältnisse | |
| im nächsten Jahr weiter verschieben, wird vom Green Deal nicht mehr viel | |
| übrig bleiben. | |
| Dann bleibt die Konzentration aufs Kommunale. Vor Ort wird Verkehrspolitik | |
| gemacht, werden Bebauungspläne aufgestellt, fragen Schulen oder Ämter mit | |
| ihren Kantinen als Großverbraucher Lebensmittel nach. Dort lässt sich | |
| konkret Natur schützen und Landnutzung verändern. Das Gesetz zur | |
| Wiederherstellung der Natur hatte das nur zum Ziel. Was es dazu anbietet, | |
| ist zu wenig und es kommt zu spät. | |
| 10 Nov 2023 | |
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| [1] /EU-Einigung-bei-Land--und-Meeresschutz/!5972166 | |
| [2] /Waldumbau-in-Deutschland/!5962709 | |
| [3] /Streit-ueber-EU-Naturschutzverordnung/!5941517 | |
| [4] /!s=Moor&ExportStatus=Intern&SuchRahmen=Alle/ | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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