| # taz.de -- EU-Einigung bei Land- und Meeresschutz: Mehr Natur wagen | |
| > EU-Verhandler vereinbaren, die Natur bis 2030 auf 20 Prozent der Fläche | |
| > wiederherzustellen. Umweltschützer loben das, kritisieren aber Ausnahmen. | |
| Bild: Die Verordnung soll dazu beitragen, den Rückgang der Artenvielfalt zu st… | |
| Berlin taz | Vertreter der EU-Institutionen haben sich auf das Ziel | |
| geeinigt, die [1][Natur] auf mindestens 20 Prozent der Land- und | |
| Meeresfläche bis 2030 wiederherzustellen. Bis zu dem Jahr müssten die | |
| Mitgliedstaaten auch Maßnahmen ergreifen, um wenigstens 30 Prozent der in | |
| der geplanten Verordnung genannten Lebensraumtypen zu verbessern, die sich | |
| derzeit in einem schlechten Zustand befinden, [2][teilte der EU-Rat in der | |
| Nacht zum Freitag mit]. Betroffen sind zum Beispiel [3][Moore], [4][Wälder] | |
| und [5][Korallenbänke]. | |
| Die „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ soll dazu beitragen, | |
| den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, den Klimawandel zu reduzieren | |
| und die Ernährungssicherheit zu erhalten. Bislang sind mehr als 80 Prozent | |
| der europäischen Naturlebensräume nach EU-Angaben in einem schlechten | |
| Zustand. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Menge und die Vielfalt | |
| der wildlebenden Bestäuberinsekten in Europa dramatisch zurückgegangen. | |
| Die EU-Länder müssen Maßnahmen ergreifen, um bis Ende 2030 eine positive | |
| Entwicklung bei zwei von drei Indikatoren der Artenvielfalt auf | |
| Landwirtschaftsflächen zu erreichen. Dies sind laut EU-Parlament der Index | |
| über Wiesenschmetterlinge, der Anteil der Agrarflächen mit vielfältigen | |
| Landschaftsmerkmalen und der Bestand an organischem Kohlenstoff in den | |
| Mineralböden der Äcker. | |
| Die Mitgliedstaaten müssten zudem bis 2030 auf mindestens 30 Prozent der | |
| landwirtschaftlich genutzten Moorflächen Wiederherstellungsmaßnahmen | |
| ergreifen. Mindestens 7,5 Prozent sollen wiedervernässt werden. Die | |
| Wiedervernässung solle aber für Landwirte und private Landbesitzer | |
| freiwillig bleiben. Sie würde verhindern, dass diese Böden weiterhin so | |
| viel Treibhausgas ausstoßen. | |
| ## Kontroverses Agrarziel gestrichen | |
| „Die EU-Länder müssen außerdem den Rückgang der Bestäuberpopulationen bis | |
| spätestens 2030 umkehren und danach einen steigenden Trend erreichen, der | |
| mindestens alle sechs Jahre gemessen wird“, teilte das Parlament mit. | |
| Gestrichen wurde das ohnehin ziemlich unverbindliche Ziel im Entwurf der | |
| EU-Kommission, ein Zehntel der gesamten EU-Agrarfläche „mit | |
| Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt zu gestalten“. Für | |
| die Landwirtschaftsflächen vereinbarten die Institutionen zudem wie vom | |
| Parlament gewünscht eine „Notbremse“: Wenn die Lebensmittelpreise wegen | |
| einer unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Krise wie dem Ukraine-Krieg | |
| stark steigen, sollen die Ziele für längstens ein Jahr außer Kraft gesetzt | |
| werden können. | |
| Um den Zustand der Wälder zu verbessern, müssen der Einigung zufolge | |
| EU-weit zusätzlich 3 Milliarden Bäume gepflanzt werden. Auf 25.000 | |
| Flusskilometern sollen Barrieren entfernt werden. Zum Vergleich: Schon | |
| Deutschlands Bäche und Flüsse sind laut Bundesamt für Naturschutz insgesamt | |
| etwa 400.000 Kilometer lang. | |
| „Die EU-Länder müssen außerdem dafür sorgen, dass bis 2030 die Gesamtflä… | |
| der städtischen Grünflächen und die Baumkronen in städtischen | |
| Ökosystemgebieten im Vergleich zu 2021 nicht abnehmen“, berichtete das | |
| Parlament. „Nach 2030 müssen sie diese Werte erhöhen, wobei die | |
| Fortschritte alle sechs Jahre gemessen werden.“ | |
| Für all das soll jeder EU-Staat der Kommission in Brüssel jedes Jahr einen | |
| Plan mit Maßnahmen vorlegen. Die Kommission kann den Plan kritisieren, aber | |
| sie hat keine rechtlichen Druckmittel, um Mängel beheben zu lassen. | |
| ## Konservative freuen sich über Änderungen | |
| Der gefundene Kompromiss muss noch von den EU-Staaten und dem | |
| Europaparlament abgesegnet werden. Normalerweise ist das Formsache. In | |
| diesem Fall ist jedoch nicht sicher, dass genug Christdemokraten von der | |
| Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) dem Kompromiss zustimmen. Sie | |
| hatte zuvor den Verordnungsentwurf der Kommission heftig kritisiert, weil | |
| er die Ernährungssicherheit gefährde. | |
| „Die EVP-Fraktion wird die heutigen Ergebnisse vor den anstehenden | |
| Entscheidungen im Umweltausschuss und im Plenum ernsthaft prüfen und | |
| sorgsam abwägen“, sagte die CDU-Verhandlerin Christine Schneider. Sie | |
| betonte aber, dass die Verordnung nun „stark überarbeitet“ sei, und | |
| ergänzte: „Wir sind froh, dass sich die anderen Fraktionen in unsere | |
| Richtung bewegt haben“. Zum Beispiel sei „das umstrittene Ziel der | |
| Wiederherstellung der Natur auf das Niveau der 1950er Jahre“ gestrichen | |
| worden. | |
| Die für die Grünen an den Verhandlungen beteiligte Abgeordnete Jutta Paulus | |
| sprach von einigen schmerzhaften Kompromissen, etwa durch viele Ausnahmen | |
| von den Verpflichtungen. Insgesamt sei die Einigung aber „eine gute | |
| Grundlage, um dem Artensterben in Europa endlich entgegenzuwirken.“ Der | |
| [6][Naturschutzbund (Nabu) lobte trotz zahlreicher Abstriche], dass | |
| überhaupt „ein Text auf dem Tisch liegt mit Vorgaben für die | |
| Wiederherstellung aller Ökosysteme.“ | |
| 10 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Natur/!t5015057 | |
| [2] https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/11/09/nature-r… | |
| [3] /Biologin-ueber-Renaturierung/!5943604 | |
| [4] /Waldumbau-in-Deutschland/!5962709 | |
| [5] /Meereskonferenzen-in-der-Kritik/!5864880 | |
| [6] https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/naturschutz/europa/33254.html | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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