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# taz.de -- Meereskonferenzen in der Kritik: Schwere Zeiten für Korallen
> Den Ozeanen und ihren Bewohnern geht es schlecht. Aktuelle Konferenzen
> schaffen zwar Aufmerksamkeit – doch etwas fehlt.
Bild: Viele Worte, wenig Taten – das kritisieren Aktivist*innen, hier in Liss…
Berlin taz | „Die Ozeankonferenz hat 11.000 Menschen angezogen“, sagt Thilo
Maack, „hoffentlich bleibt von ihr mehr als rhetorisch hochtrabende
Versprechungen“. Der Greenpeace-Meeresexperte bringt es auf den Punkt: Die
einwöchige Konferenz der Vereinten Nationen zum [1][Meeresschutz] in
Lissabon, die Freitag zu Ende gegangen ist, hat viele Themen auf die
öffentliche Agenda gebracht und Ziele benannt. Doch hat sie weder
ausgewertet, inwieweit die Ziele vergangener Konferenzen umgesetzt wurden,
noch hat sie festgelegt, wie künftige Maßnahmen überprüft werden sollen.
Die Abschlusserklärung biete nicht mehr als Unverbindlichkeiten,
kritisierte ein breites Bündnis Umwelt- und Entwicklungsverbänden, darunter
der der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die
Welt und das Sharkproject.
Immerhin: Eine „Vielzahl von Einzelinitiativen wurden gestartet, die
Impulse für Tiefseebergbau, Fischerei und Unterwasserlärm“ gäben, räumte
das Verbändebündnis ein. So hätten die pazifischen Inselstaaten Palau und
Fidschi „mit einem Paukenschlag am ersten Konferenztag einen Schwerpunkt
für den weiteren Konferenzverlauf“ gesetzt, indem sie ein Moratorium für
Tiefseebergbau forderten. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) solle
vorerst keine Genehmigungen für einen Abbau am Meeresboden erteilen.
„Die Blue-Leaders, eine Gruppe von Staaten – [2][darunter auch Deutschland
– hat sich erneut für die Einrichtung von mindestens 30 Prozent
Schutzgebieten bis spätestens 2030 ausgesprochen] und verfolgt das Ziel,
noch in diesem Jahr ein Steuerungsinstrument zur Einrichtung von
Schutzgebieten auf der Hohen See zu verabschieden“, sagt Maack von
Greenpeace. Es gehe um nicht weniger als 43 Prozent der planetaren
Oberfläche.
Schutzgebiete seien wichtig und notwendig, aber kein Allheilmittel, sagt
Christina Aust vom Sharkproject International: „Gerade Hochseehaie wandern
unglaublich weit und halten sich nicht nur in vom Menschen vorgegebenen
Schutzgebieten auf. Um den Hai zu schützen, sei es wichtig, die
industrielle Fischerei extrem einzuschränken, Fangquoten stark zu senken
und alle Fangaktivitäten zu überwachen. Verstöße müssten umfangreich
aufgedeckt und geahndet werden.
## Folgen für Korallenriffe
Auch Korallenriffe leiden unter illegaler Fischerei – und unter
Versauerung, berichtet Katharina Fabricius, die sich als Leitende
Wissenschaftlerin am Australischen Institut für Meeresforschung mit den
Folgen des Klimawandels für Korallenriffe befasst. Aus Townsville im Osten
Australiens ist sie nach Bremen gereist, wo noch bis Freitag das große
wissenschaftliche Symposium der internationalen Korallenriff-Gesellschaft
stattfindet – erstmals in Europa.
Fabricius stellt ihre Forschungen zu den Auswirkungen erhöhter
Kohlendioxid-Konzentrationen im Ozean vor. Um zu verstehen, wie die Tiere
auf die Versauerung reagieren, untersucht die Biologin besondere
Korallenriffe in Papua-Neuguinea, die von Natur aus seit Jahrhunderten
erhöhten CO2-Konzentrationen ausgesetzt sind.
„Sie zeigen, dass Korallenriffe auch unter solchen Bedingungen leben
können“, sagt Fabricius, „aber sie verändern sich“. Korallen mit den
charakteristischen Verzweigungen sind darin selten, statt dessen dominieren
kugelförmige Arten. Verzweigte Korallen bieten einer Millionen Arten einen
Lebensraum, in den Riffen mit hohem CO2 können sich Fische oder Krebse
nicht verstecken, die Erosion ist dort höher, sie bieten weniger Nahrung.
„Steigt das CO2 weiter an, wird es auch künftig Korallenriffe geben, aber
sie werden sehr vereinfacht und weniger artenreich sein“, sagt Fabricius.
Die erhöhten Kohlendioxidwerte fördern zudem das Wachstum von Großalgen,
die mit den Korallen in Konkurrenz treten.
## Problem: Hitzewellen
Obwohl es dem Great Barrier Reef in Australien vergleichsweise besser geht
als Riffen in dicht besiedelten Gebieten, die zusätzlich unter illegaler
Fischerei litten, beobachte man dort ähnliche Prozesse. In Australien gab
es in den vergangenen [3][sieben Jahren vier starke Hitzewellen], die das
Riff geschädigt haben. Nach diesen „Störungen sind stets neue Korallen
nachgewachsen“, sagt Fabricius, „schnell wachsende Arten, die aber sehr
empfindlich sind“. Ein Teufelskreis: Das Riff erhole sich zwar, werde aber
immer weniger resilient, also weniger widerstandsfähig.
„Das alles hätten wir im Labor nicht beobachten können“, sagt Fabricius,
„dazu war Feldforschung nötig“. Der wissenschaftliche Austausch auf der
Konferenz in Bremen sei wichtig, betont sie. „Wir liefern die Daten und
Fakten, auf deren Basis andere ihre Entscheidungen treffen können“.
Wenn jetzt sehr rasant gute klimapolitische Entscheidungen getroffen
würden, dann würden es die Riffe weltweit doch noch schaffen, sagt
Fabricius. „Aber wenn wir in den nächsten zehn Jahren so weiter machen wie
bisher, dann verlieren wir unsere Riffe“.
8 Jul 2022
## LINKS
[1] /Meeresschutz/!t5008148
[2] /Steffi-Lemke-ueber-Naturschutz-im-Krieg/!5860810
[3] /Korallensterben-in-Australien/!5843810
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Schwerpunkt Artenschutz
Artenschutzkonferenz
Korallenriff
Meere
Fischerei
Korallen
Australien
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Klimawandel
Biodiversität
Robben
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