Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schließung des Berliner Flughafens: Tegel soll in den Vorruhestand
> Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft will den Flughafen wegen
> Corona für zwei Monate schließen. Doch die Entscheidung ist umstritten.
Bild: Harte Landung: Der Flughafen Tegel wird geschlossen – vorübergehend
Berlin taz | Berlins innerstädtischer Flughafen Tegel soll pausieren – erst
mal nur vorübergehend, vielleicht macht er aber danach auch gar nicht mehr
auf. Wegen dramatisch eingebrochener Passagierzahlen an beiden Berliner
Flughäfen aufgrund der Coronakrise hat der Aufsichtsrat der
Flughafengesellschaft (FBB) am Mittwoch beschlossen, die Notbremse zu
ziehen und einen Antrag auf temporäre Schließung bei der Luftfahrtbehörde
zu stellen – zumindest für zwei Monate, spätestens ab 1. Juni, wie
Engelbert Lütke Daldrup, Vorsitzender der Geschäftsführung der FBB, am
Mittwochabend in einer Videopressekonferenz mitteilte. Der Flugbetrieb
würde dann vorerst auf dem zweiten, wesentlich kleineren Flughafen
Schönefeld-Alt am Stadtrand konzentriert.
Allgemein war erwartet worden, dass auch die Eigentümer der FBB – die
Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – dieses Vorgehen
unterstützen. Offenbar konnten sie sich aber nicht einigen: Sie vertagten
sich am Mittwochabend „nach sehr langer und sehr intensiver Diskussion“ auf
ein weiteres Treffen in zwei Wochen, wie Rainer Bretschneider, Vorsitzender
des Aufsichtsrats der FBB, mitteilte.
Am Beschluss des Aufsichtsrats ändere dies jedoch nichts, betonte Lütke
Daldrup. „Wenn ein Bescheid der Behörde vorliegt, dass eine temporäre
Befreiung erlaubt wird und der Verkehr weiterhin so schwach ist wie bisher,
werden wir die Entscheidung umsetzen“, sagte er.
Laut Bretschneider hätten die Gesellschafter die Möglichkeit, „in den
Beschluss einzugreifen, wenn sie das wollen – sie haben es aber nicht
getan“. Welcher der drei Eigentümer eine einstimmige Einigung verhindert
habe, wollte er nicht sagen.
## Tegel verbrennt täglich 200.000 Euro
Als Geschäftsführer habe er die Verantwortung, finanziellen Schaden von der
FBB abzuwenden, sagte Lütke Daldrup und nannte die Summe von 200.000 Euro
täglich, die der Weiterbetrieb Tegels koste – ohne dass dabei nennenswerte
Einnahmen generiert würden. In Tegel und dem anderen Berliner Flughafen
Schönefeld werden laut Lütke Daldrup derzeit rund 1.000 Fluggäste
abgefertigt – am Tag. Das entspricht gerade mal einem Prozent der üblichen
Auslastung.
Der Machtkampf um die Schließung von Tegel hält schon länger an. Das Land
Berlin drängt bereits seit einem Monat auf eine temporäre Schließung; eine
Entscheidung Ende März hatte jedoch [1][vor allem der Bund blockiert].
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte am
Mittwochvormittag noch einmal eindringlich für eine Schließung geworben:
„Es macht keinen Sinn, zwei Infrastrukturen aufrechtzuerhalten mit Tegel
und dem alten Schönefelder Flughafen. Dass man sich jetzt konzentriert auf
einen Standort ist schon aus wirtschaftlichen Gründen richtig“, so Müller.
Allerdings ist durchaus möglich, dass [2][Tegel nach einer vorübergehenden
Schließung gar nicht mehr aufmacht]. Sollte der Flugverkehr bis in den
Herbst auf niedrigem Niveau verharren – wovon viele Luftfahrtexperten und
auch Lütke Daldrup selbst aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus und
entsprechenden Reisewarnungen ausgehen – dürfte es reichen, bis Oktober
Schönefeld zu betreiben und anschließend den BER zu öffnen.
Denn am Dienstag [3][war bekannt geworden], dass das zuständige Amt des
Landkreises Dahme-Spree dem BER-Hauptterminal die Betriebsgenehmigung
erteilt hat. Damit ist die größte Baustelle auf dem Gelände fertiggestellt
– mit je nach Rechnung acht beziehungsweise neun Jahren Verspätung.
Einer Eröffnung des BER wie geplant Ende Oktober steht nun fast nichts mehr
im Weg: „Wir haben das Versprechen, das wir Ende 2017 gegeben haben,
eingelöst“, sagte Lütke Daldrup am Mittwoch. Wenige Tage nach der
BER-Eröffnung würde Tegel planmäßig vom Netz gehen.
Wenn es nach dem Berliner SPD-Abgeordneten Jörg Stroedter ginge, könnte
Tegel dauerhaft dichtmachen. In den nächsten Monaten sei weiterhin mit
wenig Flugverkehr zu rechnen, erklärte der stellvertretende
SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. „Die Flughafengesellschaft
Berlin kommt weiter in eine finanzielle Schieflage, wenn nicht unnötige
Kosten wie die Offenhaltung von Tegel vermieden werden können.“
Auch die Fraktionsspitze der Grünen im Abgeordnetenhaus will lieber nach
vorne blicken: „Jetzt muss es darum gehen, die Nachnutzung von Tegel
voranzutreiben und die Finanzsituation der FBB von unabhängiger Seite
aufklären zu lassen“, so Antje Kapek und Silke Gebel in einer Mitteilung
vor der Sitzung der Gesellschafter. „Langfristig muss das Ziel angesichts
der Klimakrise sein, Flugverkehr zu ersetzen – und nicht auszubauen.“
## Die nächste Großbaustelle: Finanzen
Neben der nicht abschließend geklärten Frage der Tegel-Schließung dürfte
die finanzielle Lage der FBB die Debatte bestimmen. Denn tatsächlich wird
die Dauerbaustelle BER – Kostenpunkt gut 6,5 Milliarden Euro – von der
Großbaustelle Finanzen abgelöst: Die Flughafengesellschaft braucht
staatliche Unterstützung aufgrund der einbrechenden Passagierzahlen durch
die Coronakrise.
Zwar sei man „solide finanziert durch den Businessplan“, erklärte der
Flughafenchef. Allerdings drücke eine hohe Schuldenlast: „Wir werden
weitere Unterstützung benötigen.“ Derzeit planen die drei Gesellschafter
eine Eigenkapitalerhöhung von rund 300 Millionen Euro. Meldungen vom
Vortag, die FBB stünde vor der Insolvenz, wies Lütke Daldrup indes vehement
zurück.
Er prophezeite dem BER trotz der der aktuellen Situation gute
Zukunftsaussichten. Abhängig sei das aber davon, wie schnell
Reiserestriktionen wegen der Coronapandemie in Europa gelockert würden. Es
gebe eine große Nachfrage im Privatreiseverkehr in Berlin, so der
Flughafenchef; einen leichten Rückgang erwarte er im Geschäftsverkehr. Bis
der Flugverkehr wieder auf dem Niveau vor der Krise ankommen, dürften „zwei
bis drei Jahre“ vergehen.
29 Apr 2020
## LINKS
[1] /Debatte-um-Flughafen-Schliessung/!5675559
[2] /Schliessung-des-Berliner-Flughafens/!5671035
[3] /BER-Terminal-bekommt-Genehmigung/!5682050
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Rot-Rot-Grün
Schwerpunkt Coronavirus
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Flughafen Tegel
Engelbert Lütke Daldrup
Schwerpunkt Coronavirus
Engelbert Lütke Daldrup
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Flugreisen
Engelbert Lütke Daldrup
Luftverkehrswirtschaft
Berlin-Tegel
Finanzsenator Matthias Kollatz
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Flugverkehr und Tourismus in Berlin: Berufsoptimisten unter sich
Die Zahl der Fluggäste steigt zu Urlaubsbeginn deutlich auf 20.000 pro Tag.
Das macht auch der Tourismusbranche Hoffnung. Aber ist sie berechtigt?
Flughafen Tegel bleibt offen: Tegel hat noch nicht fertig
Tegel soll doch nicht ab dem 15. Juni schließen. Man brauche den Flughafen,
um einen sicheren Reiseverkehr unter Corona-Bedingungen zu gewährleisten.
Flughafengesellschaft stabil: Doch alles ganz schön fertig
Der BER ist bereit, von Insolvenz kann keine Rede sein: Laut Flughafenchef
Lütke Daldrup ist alles paletti – obwohl kaum ein Flieger abhebt.
Abgeordnetenhaus debattiert über BER: Auch eine Odyssee geht mal zu Ende
Die Irrungen des BER sollen nach amtlichem „Okay“ vorüber sein. Doch
FDP-Fraktionschef Czaja will den Flughafenboss abstrafen – was der Senat
ablehnt.
BER bald auf – Tegel bald dicht: Schon jetzt Debatte ums Fliegen
BER nimmt letzte Hürde, Tegel soll mangels Kunden schließen: Die
Auswirkungen der Pandemie auf den Flugverkehr sind immens. Ein
Wochenkommentar.
Flughafen BER vor Fertigstellung: Ein kleines Wunder
Das Hauptterminal ist freigegeben, die Eröffnung im Herbst naht. Nun kann
der Sinn von Flügen diskutiert werden.
BER-Terminal bekommt Genehmigung: Vom Fluchhafen zum Flughafen
Der Landkreis gibt das Hauptterminal zur Nutzung frei. Im Herbst soll dann
der ganze Flughafen eröffnet werden. Mal sehen, ob ihn dann jemand braucht.
Flughafen-Frage in Berlin: Kein Mensch braucht noch Tegel
Der Bund will Tegel offen halten – obwohl in Berlin im Vergleich zum
Vorjahr nur noch 2,5 Prozent Flüge gehen. Das ist absurd und kostet
Millionen.
Debatte um Flughafen-Schließung: Der Bund fliegt (noch) auf Tegel
Den Berliner Flughafen Tegel wegen zu geringer Auslastung zu schließen,
scheitert am Bund. Mitte April könnte sich das aber ändern.
Schließung des Berliner Flughafens: Harte Landung für Tegel
Der Senat würde den Flughafen mangels Auslastung gerne dicht machen –
zumindest vorübergehend. Dass es so kommen wird, ist fast unausweichlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.