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# taz.de -- Flughafen BER vor Fertigstellung: Ein kleines Wunder
> Das Hauptterminal ist freigegeben, die Eröffnung im Herbst naht. Nun kann
> der Sinn von Flügen diskutiert werden.
Bild: Bald sollen am BER auch Flugzeuge starten: Blick auf den Tower
Für viele ist es ein kleines Wunder: Der BER, die Dauerbaustelle im
märkischen Sand, dieser mehr als 6,5 Milliarden Euro teure „Fluchhafen“,
wird sehr wahrscheinlich fertig werden. Und zwar schon sehr, sehr bald. Zu
anderen Zeiten wäre die Nachricht von Dienstagabend, dass [1][die
zuständige Baubehörde das pannenbeladene Hauptterminal zur Nutzung
freigegeben] hat, eine Topmeldung gewesen.
Jetzt, in Corona-Zeiten, verhallt sie ein bisschen. Schließlich, und das
ist das Ironische an diesem kleinen Wunder, sind Flughäfen gerade so
überflüssig wie kaum etwas anderes. Nicht umsonst drängt die
Flughafengesellschaft darauf, [2][Tegel mangels Auslastung (vorerst nur)
temporär] zu schließen. Am Mittwoch wird darüber entschieden.
Doch zurück zum BER. Dass das Terminal fertig gestellt und abgenommen
wurde, ist eine kaum hoch genug einzuschätzende Leistung von Engelbert
Lütke Daldrup, dem Flughafenchef. Seine Vorgänger, darunter Flachpfeifen
mit großen Namen wie Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, waren trotz vollmundiger
Ankündigungen daran gescheitert, die vermurkste Baustelle zur ordnen,
Pfusch der renommierten Firmen (mit ebenso großen Namen) zu identifizieren,
eine Mängelliste zu erstellen, fehlerhafte Dübel zu identifizieren.
Selbst Lütke Daldrup wäre eine Entkernung des Gebäudes nach den ersten
Verschiebungen der Eröffnungen vor acht Jahren lieber gewesen. Doch er hat
sich durchgebissen und sogar das sogenannte „Monster“ gezähmt: die
fehlkonstruierte Entrauchungsanlage, die 2012 der Hauptgrund für die erste
Absage der Eröffnung war.
Der Flughafenchef hat damit Rot-Rot-Grün einen gleichfalls nicht zu
unterschätzenden Dienst erwiesen: Er hat die Koalition vom weltweit
kolportierten öffentlichen Makel befreit, Berlin könne keinen Flughafen
bauen – dass der Bund und das Land Brandenburg und deutsche Firmen an der
Misere Mitschuld tragen, wird ja gern ignoriert. Sollten auch die
Belastungstests in den kommenden Monaten erfolgreich sein – was als
wahrscheinlich gilt –, kann Rot-Rot-Grün unbelastet von der Dauerbaustelle
in Schönefeld in den kommenden Wahlkampf 2021 ziehen.
Und selbst wenn nicht alle Abläufe passen sollten – ein fertig gebauter ist
ja noch lange kein funktionierender Flughafen –, dürfte das am Image
weniger kratzen. Schließlich wird der BER wegen des drastischen Rückgangs
der Passagierzahlen durch die weltweite Pandemie noch eine ganze Weile
[3][nicht an seine Kapazitätsgrenzen stoßen], wie noch Anfang des Jahres
befürchtet wurde.
## Debatte über Verbot innerdeutscher Flüge
Die absehbar rechtzeitige Fertigstellung und die gleichzeitige Coronakrise
bietet Rot-Rot-Grün noch eine weitere politische Chance: Jetzt muss darüber
diskutiert werden, in welchem Umfang Flugreisen aus Klima- und
Lärmschutzgründen überhaupt noch angemessen sind.
Wäre also etwa ein Verbot innerdeutscher Flugreisen vom BER aus nicht
überfällig? Die Senatsverwaltungen etwa wollen innerdeutsche Dienstreisen
auch nach der Krise nur noch mit der Bahn machen. Und ist es nachhaltig,
den sogenannten Easyjet-Tourismus mit Billigfliegern, der den Tourismusboom
in Berlin in den vergangenen 15 Jahren im Wesentlichen begründet hat, in
gleichem Umfang wiederbeleben zu wollen?
Mit der Fast-Fertigstellung des BER werden diese Fragen wieder mehr
Bedeutung bekommen, ebenso wie der finanzielle Aspekt. Die
Flughafengesellschaft braucht Finanzspritzen aus Steuergeldern in Höhe von
hunderten Millionen Euro wegen der Krise und wegen der absehbar geringeren
Auslastung. Wie viel ist den BürgerInnen Berlins also ein Flughafen
überhaupt wert, wenn gleichzeitig wegen der stark steigenden finanziellen
Belastung der öffentlichen Haushalte durch die Coronakrise eventuell sozial
wichtigen Projekten der Geldhahn zugedreht wird?
29 Apr 2020
## LINKS
[1] /BER-Terminal-bekommt-Genehmigung/!5682050
[2] /Schliessung-des-Berliner-Flughafens/!5674984
[3] /Eroeffnung-des-Flughafens-BER/!5672874
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Engelbert Lütke Daldrup
Flugreisen
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Eröffnung
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
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Architektur
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Luftverkehrswirtschaft
Schwerpunkt Coronavirus
Engelbert Lütke Daldrup
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