# taz.de -- Schadensersatz wegen Kohleausstieg: RWE verklagt die Niederlande | |
> Ab 2030 darf in den Niederlanden keine Kohle mehr verbrannt werden. | |
> Deswegen fordert der deutsche Energiekonzern Schadensersatz. | |
Bild: Ausgeraucht: RWE-Kraftwerk muss die Kohleverstromung ab 2030 beenden | |
BERLIN taz | Das deutsche Energieunternehmen RWE verklagt die Niederlande – | |
wegen des Kohleausstiegs. 2019 hatte die niederländische Regierung | |
beschlossen, die Kohleverstromung bis 2030 zu beenden. RWE betreibt zwei | |
Kohlekraftwerke in den Niederlanden, eines in Geertruidenberg und eines in | |
Eemshaven. Diese dürfen ab 2025 beziehungsweise 2030 keine Kohle mehr | |
verbrennen. | |
Daher fordert der Konzern Schadenersatz – wie viel, möchte er nicht sagen. | |
In der Vergangenheit sprach RWE von mindestens zwei Milliarden Euro. | |
Verhandelt wird vor einem Schiedsgericht der Weltbank in Washington. „Die | |
Regierung bereitet sich auf das Verfahren vor, hält die Klage aber für | |
unbegründet“, sagt ein Sprecher des niederländischen | |
Wirtschaftsministeriums der taz. | |
RWE beruft sich mit der Klage auf den Energiecharta-Vertrag, der in den | |
neunziger Jahren in Kraft getreten ist und inzwischen von 54 Staaten | |
unterzeichnet wurde. Der Vertrag erlaubt es ausländischen Energiekonzernen, | |
Regierungen vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie aufgrund | |
politischer Entscheidungen Gewinnverluste befürchten. | |
Auch Deutschland wird auf Grundlage der Energiecharta verklagt. Wegen des | |
Atomausstiegs fordert der schwedische Energiekonzern Vattenfall [1][von der | |
Bundesrepublik mehr als vier Milliarden Euro Schadenersatz]. Nach der | |
Atomkatastrophe in Fukushima musste das Unternehmen seine Kraftwerke in | |
Brunsbüttel und Krümmel abschalten. Die Klage wurde 2012 eingereicht und | |
[2][läuft immer noch]. | |
RWE weist Vorwürfe zurück | |
„Der Energiecharta-Vertrag gefährdet die Bekämpfung der Klimakrise und die | |
Beschleunigung der Energiewende“, sagt Fabian Flues von der NGO Powershift. | |
Durch den Vertrag könnten Investoren Klagen in Milliardenhöhe gegen | |
Klimaschutzmaßnahmen einreichen und so Druck auf die Regierungen ausüben. | |
„Mit der Klage versucht RWE, die dringend notwendige Klimapolitik zu | |
sabotieren. Der Konzern zeigt hier sein wahres Gesicht als | |
Kohle-Dinosaurier“, sagt Flues. | |
RWE weist diesen Vorwurf zurück. „Wir unterstützen die Energiewende in den | |
Niederlanden und die damit verbundenen Maßnahmen zur CO2-Reduktion | |
ausdrücklich“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Das Unternehmen verfolge | |
selbst das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Die Klage habe RWE nur | |
deswegen eingereicht, weil die niederländische Regierung in die | |
Eigentumsrechte des Unternehmens eingreife „und keine adäquate | |
Kompensation“ vorsehe. „Das halten wir nicht für rechtens.“ | |
Sebastian Rötters von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald | |
sagt dazu: „RWE führt die eigene Werbekampagne ad absurdum, in der sich das | |
Unternehmen als Treiber der Energiewende präsentiert.“ Dabei sei RWE einer | |
der größten CO2-Emittenten Europas und habe 2015 bei der Inbetriebnahme des | |
Kohlekraftwerks Eemshaven längst gewusst, dass Kohleverbrennung „ein Akt | |
der Verantwortungslosigkeit“ sei. | |
Sowohl urgewald als auch Powershift fordern RWE dazu auf, die Klage | |
zurückzunehmen. „Noch wichtiger aber ist es, dass die Bundesregierung und | |
andere europäische Länder endlich die Reißleine ziehen und aus dem | |
Energiecharta-Vertrag aussteigen“, sagt Flues von Powershift. Nur so | |
könnten weitere Klagen verhindert und Reformen in der Klimapolitik | |
ermöglicht werden. | |
4 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Rieke Wiemann | |
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