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# taz.de -- SPD-Parteitag in Bonn: Knappe Mehrheit für Verhandlungen
> Der SPD-Parteitag stimmt nach langer Diskussion mit gut 56 Prozent für
> Koalitionsverhandlungen mit der Union.
Bild: Fraktionschefin und Parteivorsitzender nehmen das Abstimmungsergebnis zur…
Bonn taz | Kevin Kühnert geht mit entschlossenen Schritten an den drei
großen roten Buchstaben SPD vorbei zum Rednerpult. 13.09 Uhr, es wird still
im Saal Genf im World Conference Center in Bonn. Kühnert, der Anführer der
Revolte gegen eine neue Große Koalition, legt los.
„Ich habe immer gesagt, dass wir gut verhandelt haben.“ Er betont das
Gemeinsame, ist sachlich, nicht scharf. Kühnert bemängelt die „wahnwitzigen
Kehrtwenden seit der Wahl, die uns Vertrauen gekostet haben“. Und warum war
das Sondierungsergebnis erst „hervorragend“, wenn es kurz danach von vielen
in der SPD-Spitze „zerpflückt wurde“?
Das ist eine Spitze gegen Martin Schulz. Der SPD-Vorsitzende hatte die
Sondierung über den grüne Klee gelobt. „Wir sind in einer Endlosschleife,
die Groko nicht zu wollen, aber sie immer weiter zumachen“, sagt Kühnert.
„Das müssen wir beenden.“ Als Kühnert fertig ist, jubeln viele Delegierte.
Sie mögen ihn, ihren Rebell – aber sie lassen die Revolte ausfallen. Die
SPD wird in Koalitionsverhandlungen mit der Union eintreten. Aber sie hat
neue Bedingungen. Das ist die Essenz des Beschlusses, den die 642
Delegierten am Sonntag in Bonn fällten. 362 stimmen für die Aufnahme der
Koalitionsverhandlungen. Das sind 56,4 Prozent.
Ein Nein hätte Schulz wohl aus dem Amt gekegelt. Auch die übrige
SPD-Spitze, die sich geschlossen hinter das Sondierungspapier gestellt
hatte, wäre beschädigt gewesen. Neuwahlen hätten angestanden. Diese
Erschütterungen bleiben nun aus. Stattdessen: The Groko-Show goes on.
Eigentlich war früh absehbar, dass sich die Groko-Befürworter um Martin
Schulz durchsetzen würden.
## Spitze mit geschlossenen Reihen
Die SPD-Spitze änderte kurz vor dem Parteitag ihren Leitantrag und nahm
Bedingungen auf – die Brücke für die Skeptiker steht. Es müsse „konkret
wirksame Verbesserungen“ gegenüber dem Sondierungsergebnis geben, heißt die
Kompromissformel.
Schon die Ouvertüre war klug geplant. Malu Dreyer, die beliebte
Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, eröffnet den SPD-Parteitag. Dreyer
war lange eine erklärte Skeptikerin der Groko, sie warb für eine
Minderheitsregierung der Union. Jetzt darf sie ausführlich ihren
Sinnenswandel begründen.
Die SPD-Spitze ist ohnehin geschlossen für Koalitionsverhandlungen: Manuela
Schwesig, Karl Lauterbach, Ralf Stegner, Andrea Nahles, Olaf Scholz,
Stephan Weil. Schwesig merkt immerhin selbstkritisch an, dass die SPD
Führung auch mal aus eigenem Unvermögen falsch lag und komplett
unvorbereitet war als Jamaika scheiterte.
Aber kein SPD-Prominenter hält die Gegenrede. So suggeriert das Verfahren –
die Kontrolle durch Parteitag und am Ende das Basisvotum zum
Koalitionsvertrag –, dass das Nein möglich ist. Die Inszenierung dieses
Parteitages spricht eine andere Sprache. Er folgt der Choreographie der
Zustimmung. So war der Jubel für Kühnert laut, der für Martin Schulz
zurückhaltend. Aber es ist eine Minderheit, die so laut johlt und klatscht.
Und es ist keine siegesgewisse Zustimmung – es hat eher etwas davon, Dampf
abzulassen, ein Ventil, das den Druck im Topf senkt.
## Überzeugte Skeptiker bilden den Rahmen
Es ist typisch sozialdemokratisch: erst laut dagegen, dann leise dafür. Die
meisten RednerInnen sind skeptisch, ob es lohnt weiter zu verhandeln. Doch
der Tonfall der Kritikerinnen ist gedämpft. Viele betonen, dass sie auch
die Gründe der Ja-Sager respektieren. Ex-Juso Chefin Johanna Ueckermann ist
generell kritisch gegenüber fortgesetzten Großen Koalitionen. Scharfe
Attacken auf den Schlingerkurs von Martin Schulz? Fehlanzeige.
Die No-Groko-Fraktion scheint ihre Niederlage schon zu ahnen – und für die
Niederlage vorzubauen. Montag muss man ja weiter miteinander klar kommen.
Nur Andrea Nahles, eisern für die Regierungsbeteiligung, redet sich, als
wäre sie noch Jusochefin, in Rage: „Die Bürger“, brüllt sie in den Saal,
würden „uns den Vogel zeigen“, wenn die SPD nicht in die Regierung
eintreten würde.
Als letzter Redner plädiert um 16 Uhr kurz vor der Abstimmung Thorsten
Schäfer-Gümbel, der hessische SPD-Chef, nachdenklich für ein Ja. Er hat
sich als einziger bei den Sondierungen enthalten. Wenn, dann kann er
Zaudernde überzeugen. „Koalitionsverhandlungen werden schwierig“ sagt er.
Die Groko-Skeptiker Malu Dreyer und Schäfer-Gümbel am Beginn und Ende der
Debatte – es ist die perfekte Dramaturgie für die Pro-Fraktion.
21 Jan 2018
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Ulrich Schulte
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