| # taz.de -- Gesine Schwan über die Große Koalition: „Merkels Glanz ist verb… | |
| > Die Sozialdemokraten sollten in der Großen Koalition eigenständiger | |
| > werden, sagt Gesine Schwan. Vor allem müssten sie das Finanzministerium | |
| > übernehmen. | |
| Bild: Gesine Schwan findet, Merkel habe mal geglänzt | |
| taz: Frau Schwan, niemand aus der SPD-Spitze ist gegen die | |
| Regierungsbeteiligung – [1][aber fast die Hälfte des Parteitags]. Ist da | |
| etwas falsch gelaufen? | |
| Gesine Schwan: Nein, ich bin kein Fan von Geschlossenheit. Aber in diesem | |
| Fall war es nötig, dass die Führung geschlossen aufgetreten ist. Sonst wäre | |
| über die Medien der Eindruck entstanden, dass es um Ranküne, Machtspiele | |
| und persönliche Ambition geht. So wurde die Debatte als ernst und sachlich | |
| wahrgenommen. | |
| Die SPD erscheint mit Schulz’ Schlingerkurs als wankelmütig … | |
| Mag sein. Aber ohne die erste Absage an die Große Koalition und ohne den | |
| aktuellen Widerstand in der SPD gegen diese Regierung hätte die Union die | |
| SPD doch über den Tisch gezogen. Der Streit in der SPD über die | |
| Regierungsbeteiligung und die Auseinandersetzung mit der Union nutzen der | |
| Demokratie. Denn das zeigt, dass diese Parteien doch unterschiedlich sind. | |
| Das hilft, um der AfD das Wasser abzugraben. | |
| Ist Martin Schulz nach diesem knappen Ergebnis ein Parteichef auf Abruf? | |
| Andrea Nahles hat die mitreißende Rede gehalten. Es gibt ja die Vermutung, | |
| dass Schulz auf längere Sicht Nahles weichen wird. Ich halte diese Frage | |
| für nicht so wichtig. | |
| Warum? | |
| Wichtiger als Personalien ist die Frage, ob die SPD in der Regierung eine | |
| andere Rolle spielen wird als in der letzten Koalition. 2013 hat Sigmar | |
| Gabriel die Devise ausgegeben, dass die SPD bloß nicht streitbar oder | |
| querulatorisch erscheinen dürfe – weil Merkel so populär war. Deshalb | |
| wollte Gabriel keine Eigenständigkeit der SPD. Es gab 2013 in der | |
| Wirtschafts- und Europapolitik zudem kaum eine erkennbar | |
| sozialdemokratische Politik. | |
| Und warum soll die SPD diesmal nicht als Anhängsel der Union gesehen | |
| werden? | |
| Erstens: Merkels Glanz ist verblasst. Zweitens: Es ist auch Gabriel 2016 | |
| klar geworden, dass die symbiotische Art, mit der Union zu regieren, der | |
| SPD schadet. Das hat die SPD-Spitze endlich begriffen. Die dritte Bedingung | |
| ist die schwierigste: Die SPD muss die Unterordnung der Wirtschaftspolitik | |
| unter die stabilitätsfixierte Finanzpolitik in Europa beenden. | |
| Glauben Sie wirklich, dass die SPD mit Schäubles bisheriger Sparpolitik | |
| brechen will? | |
| Das ist nicht sicher, aber möglich. Die Conditio sine qua non dafür ist, | |
| dass die SPD den Posten des Finanzministers fordert. Das wird nicht leicht. | |
| Wenn Schulz Außenminister wird, wird die Union den Posten des | |
| Finanzministers beanspruchen. Das darf nicht passieren. Denn für die | |
| Europapolitik sind Kanzleramts- und Finanzminister die Schlüsselpositionen. | |
| Nur mit dem Finanzministerium hat die SPD die Chance klar zu machen, dass | |
| sie eigenständig etwas anders machen will. | |
| Die SPD behauptet, sich erneuern zu wollen. Ist es dafür nicht nötig, | |
| Parteichef und Ministeramt zu trennen? Ein Außenminister Schulz, der | |
| nebenbei die Partei renoviert, ist schwer vorstellbar … | |
| Ja – und nein. Dafür spricht, dass der Parteivorsitzende freier ist, wenn | |
| er sich nicht dem Kabinettszwang fügen muss. Andererseits ist das Kabinett | |
| der Schalthebel der Macht. Aber wichtiger scheint mir: Nur mit dem | |
| Finanzministerium kann die SPD sichtbar das symbiotische Verhältnis mit der | |
| Union beenden. | |
| Reicht das, um zu verhindern, dass die SPD wieder als bloßer | |
| Machtbeschaffer für die Union gilt? | |
| Ja, wenn sie das konkret macht. Dafür muss sie schnell Macron antworten. | |
| Der hat in der Rede in der Sorbonne gefordert, das Verhältnis von | |
| Solidarität und Eigenverantwortung in Europa zugunsten der Solidarität zu | |
| verändern. Da muss die SPD anknüpfen, zugunsten von mehr Hilfe, mehr | |
| Solidarität. Das Fatale war bisher, dass die SPD von vornherein Rücksicht | |
| auf die Beliebtheit von Kanzlerin Merkel genommen hat. Das ist jetzt | |
| vorbei. | |
| 23 Jan 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /SPD-Parteitag-in-Bonn/!5478719 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
| ## TAGS | |
| Gesine Schwan | |
| SPD | |
| Große Koalition | |
| Martin Schulz | |
| Europapolitik | |
| SPD-Fraktion | |
| Parteivorsitz | |
| Große Koalition | |
| GroKo | |
| SPD-Parteitag | |
| SPD | |
| SPD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kandidatur für SPD-Parteivorsitz: Linkes Duo will SPD führen | |
| Im Rennen um den SPD-Vorsitz treten Staatsminister Roth und die frühere | |
| NRW-Ministerin Kampmann an. Sie wollen diverser und digitaler sein. | |
| Gesine Schwan erwägt SPD-Parteivorsitz: Die Grande Dame will’s wissen | |
| Gesine Schwan kann sich vorstellen, SPD-Vorsitzende zu werden. Könnte eine | |
| Intellektuelle das? Mit ihr würde vieles anders. | |
| Beginn der Koalitionsverhandlungen: Groko in zehn Tagen | |
| Union und SPD haben die Koalitionsverhandlungen begonnen. Der vereinbarte | |
| Zeitplan ist ambitioniert. | |
| SPD vor GroKo-Verhandlungen: Und nun kommt die Basis | |
| Die SPD-Spitze hat den Parteitag knapp überstanden. Groko-Gegner planen | |
| Kampagnen für das Votum der Mitglieder. Wackelt das Ja noch mal? | |
| Reaktionen nach SPD-Votum zu GroKo: Union möge SPD bitte „überzeugen“ | |
| Die SPD-Spitze steht nach dem knappen Votum des Parteitags unter Druck. Sie | |
| soll nun bei der Union Nachbesserungen durchsetzen. | |
| Kommentar SPD-Abstimmung in Bonn: Hundert Jahre Kompromiss | |
| Die SPD wird an einer erneuten Großen Koalition nicht sterben. Sie dürfte | |
| aber weiter abmagern – zu einem Strich in der politischen Landschaft. | |
| SPD-Parteitag in Bonn: Knappe Mehrheit für Verhandlungen | |
| Der SPD-Parteitag stimmt nach langer Diskussion mit gut 56 Prozent für | |
| Koalitionsverhandlungen mit der Union. |