| # taz.de -- Rückgabe von NS Raubkunst: Museen im Zwielicht, Minister obenauf | |
| > Nazis, gestohlene Kunst, sexuelle Belästigung: Der Chef der | |
| > Staatsgemäldesammlungen ist nicht länger im Amt. Der Christsoziale Markus | |
| > Blume aber bleibt Bayerns Kunstminister. | |
| Bild: „Ein rechter Verhau“: Markus Blume (l.) und Anton Biebl | |
| Der Generaldirektor der staatlichen Gemäldesammlungen in München räumt | |
| seinen Posten. Doch mit der mutmaßlichen Verschleppung bei der Aufklärung | |
| von Raubkunstfällen habe das nichts zu tun, sagte der bayerische | |
| Kunstminister Markus Blume (CSU) in der vergangenen Woche. | |
| Bernhard Maaz, immerhin seit zehn Jahren Chef der staatlichen | |
| Gemäldesammlungen, wird ans Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte | |
| versetzt. Seinen alten Posten übernimmt vorläufig Anton Biebl, bisher | |
| Kulturreferent der Landeshauptstadt und künftiger Museumsmanager. | |
| Tatsächlich tut sich nach der [1][offensichtlichen Verschleppung bei der | |
| Rückgabe von NS-Raubkunst] ein zweiter Skandal auf, in dem es um sexuelle | |
| Belästigungen in den Räumen von Museen der Staatsgemäldesammlungen geht, zu | |
| denen auch die weltberühmten Pinakotheken gehören. | |
| ## „Ein rechter Verhau“ | |
| Dazu und zu der Frage, warum Generaldirektor Maaz durch Biebl ersetzt | |
| wurde, mochte sich [2][Kunstminister Blume] nicht näher äußern. „Es sind | |
| Vorwürfe in der ganzen Breite. Und man kann es auf Bairisch kurz machen: Es | |
| ist ein rechter Verhau“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. | |
| Mindestens zwei minderjährige Schülerinnen beklagten nach Informationen des | |
| Senders, sie seien sexuell bedrängt, nach Telefonnummern gefragt, | |
| körperlich berührt und durch Räume bis ins Museumscafé verfolgt worden. | |
| Videoanlagen sollen zudem zur Überwachung von Beschäftigten missbraucht | |
| worden sein. Aus einem Lagerraum seien Imitate von Reisepässen, die für ein | |
| Ausstellungsobjekt angefertigt worden waren, entwendet und an Mitarbeitende | |
| verteilt worden. | |
| Zudem gebe es den Vorwurf mangelnder Sicherheitsstandards. Auch ist von | |
| rassistisch motivierten Belästigungen die Rede. Insgesamt soll es sich um | |
| 19 intern dokumentierte Vorwürfe handeln, berichtete der Deutschlandfunk. | |
| Der neue Skandal in den Museumsräumen gab Kunstminister Blume die | |
| Möglichkeit, sich vom Chef der Staatsgemäldesammlungen zu trennen, ohne | |
| dass die Finger auf ihn selbst gerichtet wurden. Bei der Debatte um | |
| verschleppte Ansprüche auf Nazi-Raubkunst steckt der Minister schließlich | |
| selbst mit im Sumpf. | |
| ## Streit für Rückübertragung von Klee-Werken | |
| Blume hat dafür gesorgt, dass Kunstwerke wie die berühmte „Madame Soler“ | |
| von Pablo Picasso einer Überprüfung durch eine unabhängige Kommission | |
| entzogen wurden, obwohl Hinweise dafür vorliegen, dass es sich um das | |
| Eigentum von verfolgten Juden im NS-Staat handelte. Gleiches gilt für eine | |
| Reihe von Werken, darunter zwei Gemälden von Paul Klee, bei denen | |
| Nachfahren des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim für ihre | |
| Rückübertragung streiten. | |
| Zuletzt machte eine ominöse hausinterne Liste der Staatsgemäldesammlungen | |
| aus dem Jahr 2020 Furore, die an die Süddeutsche Zeitung (SZ) geleakt | |
| worden war. Ihr zufolge sollten knapp 200 Werke der | |
| Staatsgemäldesammlungen unter dem dringenden Verdacht stehen, als | |
| NS-Raubkunst ab 1933 ihren Besitzern gestohlen worden zu sein. Tatsächlich, | |
| so Blume, stünden aber „nur“ 97 Kunstwerke unter diesem Verdacht, der | |
| nunmehr eher vage sein soll. | |
| Anwälte der Nachfahren verfolgter Jüdinnen und Juden beklagen, sie seien | |
| nicht über diese Fälle informiert worden, wie es eigentlich verpflichtend | |
| vorgesehen ist. „Die Vorkriegseigentümer und ihre Erben sollten ermutigt | |
| werden, ihre Ansprüche auf Kunstwerke, die durch die Nationalsozialisten | |
| beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückgegeben wurden, anzumelden“, | |
| heißt es dazu eindeutig in den Washingtoner Prinzipien zur Rückgabe von | |
| NS-Raubkunst, die die Bundesrepublik unterzeichnet hat. | |
| ## Israelitische Kultusgemeinde schaltet sich ein | |
| Die Affäre um NS-Raubkunst im Besitz des Freistaates Bayern versetzte in | |
| den vergangenen Wochen diverse Amtssessel in gefährliche Schwingungen. Im | |
| März hatte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen | |
| Kultusgemeinde München und Oberbayern, den Finger in die Wunde gelegt. | |
| „Das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Politik und Museen in Sachen | |
| Restitution geraubten Gutes ist erschüttert“, schrieb sie in der SZ, „es | |
| darf nicht verspielt werden.“ Bekenntnisse zur historischen Verantwortung | |
| habe man lange genug gehört. Knobloch rief dazu auf, „schnellstmöglich | |
| Klarheit“ zu schaffen. | |
| Einer moralischen Instanz wie Knobloch können sich in München auch Minister | |
| schlecht entziehen. Markus Blume versprach denn auch, dass ein neues Team | |
| die bisher in den Staatsgemäldesammlungen unternommene Provenienzforschung | |
| untersuchen werde. | |
| Daraus soll im Sommer ein Gremium erwachsen, dem auch Vertreter von | |
| Opferverbänden angehören und das wiederum eine Kommission „Historische | |
| Verantwortung“ vorbereiten soll. Wer diese Kommission leiten werde, | |
| vermochte Blume nicht zu sagen. Eine weitere „Reformkommission“ soll | |
| Empfehlungen für eine Organisationsreform der bayerischen Kunstmuseen | |
| vorschlagen. | |
| „Minister Blume schiebt wieder einmal Verantwortung ab und spielt weiter | |
| auf Zeit“, erklärte dazu Rechtsanwalt Markus Stötzel, der | |
| Anspruchsberechtigte in NS-Raubgutfällen vertritt. Man wisse schon gar | |
| nicht mehr, wie viele Gremien, Kommissionen und Beauftragte es gebe. | |
| Stötzel beklagte, dass der Minister Informationsanliegen seit Wochen nicht | |
| beantworte. | |
| ## Die Kläger sterben weg | |
| Seine Klienten werden nicht jünger. Einer der Erben von mutmaßlich Alfred | |
| Flechtheim entzogenen Kunstwerken heißt Michael Hulton und ist 78 Jahre | |
| alt. Mit-Erbin Penny Hulton ist im vorigen Jahr im Alter von 96 Jahren | |
| verstorben. Für sie kommt jede Reform zu spät. | |
| Doch unabhängig davon, welche Änderungen am Ende in München bei der | |
| Rückgabe von NS-Raubkunst herauskommen – einen Erfolg wird sich | |
| Kunstminister Blume nicht mehr nehmen lassen. Er hat durch sein Veto dafür | |
| gesorgt, dass Picassos „Madame Soler“ nicht der beratenden Kommission | |
| NS-Raubkunst vorgelegt wird. | |
| Diese Kommission steht in diesem Jahr vor der Auflösung. Ersetzt wird sie | |
| nach Zustimmung aller Länderkabinette und des Bundeskabinetts durch ein | |
| Schiedsgericht. Mit Ansprüchen von Erben Verfolgter befasste Rechtsanwälte | |
| befürchten, dieses könnte in seinen Entscheidungen deutlich den | |
| Vorstellungen von deutschen Museen zuneigen – und den Nachfahren von Opfern | |
| weniger Gehör schenken. | |
| Blume hat einer Befassung von „Madame Soler“ durch das Schiedsgericht schon | |
| zugestimmt. | |
| 12 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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