# taz.de -- Rot-Rot-Grüner Haushalt im taz-Check: Kohle für die Kinder | |
> Ein Schwerpunkt im neuen Bildungshaushalt ist die bessere Qualifizierung | |
> von QuereinsteigerInnen. Damit zahlt Berlin für die Sparpolitik der | |
> letzten Jahre. | |
Bild: Das Bildungsressort profitiert besonders vom neuen Doppelhaushaltes | |
Es ist ein fetter Scheck, den die rot-rot-grüne Koalition nächste Woche | |
Donnerstag im Parlament verabschieden lassen will: Rund 57 Milliarden Euro | |
will die Landesregierung 2018/19 investieren. Zu den Profiteuren gehört vor | |
allem das Bildungsressort von Sandra Scheeres (SPD), das mit rund 8 | |
Milliarden Euro bedacht wird – eine Steigerung von 650 Millionen Euro im | |
Vergleich zu 2017. Umso genauer lohnt es sich, hinzuschauen, wohin das | |
viele Geld dort fließt und vor allem: warum. Denn tatsächlich zeigt der | |
Bildungshaushalt sehr schön, wie teuer Berlin nun für die Sparpolitik der | |
letzten Jahre bezahlt. | |
Da wären zunächst mal die QuereinsteigerInnen, neben den kaputten Schulen | |
das bildungspolitische Aufregerthema Nummer eins. Und der Bereich, wo jetzt | |
am meisten zusätzlich investiert wird, oder besser: werden muss. Knapp 60 | |
Millionen Euro lässt sich Rot-Rot-Grün das „Qualitätspaket“ kosten, mit … | |
die Seiteneinsteiger ohne Lehramtsstudium besser qualifiziert werden | |
sollen. | |
Konkret soll es einen vierwöchigen Crashkurs geben, bevor die Neulinge zum | |
ersten Mal vor einer Klasse stehen. Zudem sollen sie während der | |
18-monatigen berufsbegleitenden Ausbildung nur noch 17 statt wie bisher 19 | |
Stunden unterrichten müssen – und in den ersten zwei Monaten soll eine | |
erfahrene Lehrkraft im Unterricht assistieren. | |
Das sind sinnvolle Maßnahmen, an denen selbst die Opposition und die | |
dauerkritische Lehrergewerkschaft GEW nichts zu meckern haben. Erst | |
kürzlich hatten im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses ExpertInnen aus | |
der Lehrerausbildung gewarnt, dass die QuereinsteigerInnen, auf die die | |
Schulen dringend angewiesen sind, auf ihren neuen Job kaum vorbereitet | |
seien. Und während der stressigen Expressausbildung bleibe neben dem | |
Unterrichten kaum Zeit für eine nachhaltige Qualifizierung. | |
## An einigen Schulen soll es eine „Brennpunktzulage“ geben | |
Tenor: Mit Sorge sehe man den Qualitätsverlust im Grundschulunterricht, wo | |
dieses Jahr die Hälfte der Neueingestellten keinen Lehramtsabschluss hat. | |
Oder, wie es die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Hildegard | |
Bentele formulierte: Die mangelhafte Qualifizierung der QuereinsteigerInnen | |
sei „eine Ohrfeige für den bisherigen rot-rot-grünen Ansatz“. | |
Ein weiterer Posten wird um einiges kontroverser diskutiert: Rot-Rot-Grün | |
will LehrerInnen an Schulen, wo mehr als 70 Prozent der Kinder aus | |
Sozialhilfeempfängerhaushalten kommen, künftig eine Zulage zum Gehalt | |
zahlen: 8,6 Millionen Euro pro Jahr sind für diese „Brennpunktzulage“ | |
eingeplant, rund 3.000 Lehrkräfte wären betroffen. | |
Wie hoch die Zulage konkret ausfallen soll – rein rechnerisch wären jetzt | |
rund 250 Euro pro Monat für die LehrerInnen drin – und ob es womöglich eine | |
Staffelung je nach „Brennpunktfaktor“ der Schule geben soll, sei noch nicht | |
klar, sagt die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasić. | |
Allerdings findet die last minute noch in den Haushalt gerutschte Zulage | |
offenbar in der Bildungsverwaltung nicht unbedingt Anklang: Man arbeite | |
zwar nun einträchtig an den Details, die Idee sei dort aber ihrem Eindruck | |
nach „eher zögerlich“ aufgenommen worden, sagt Lasić. Eine Sprecherin von | |
Scheeres widerspricht: „Wir begrüßen diesen Vorschlag sehr.“ | |
## Nicht alle profitieren von der Zulage | |
Schulleitungen von betroffenen Schulen reagieren auf Nachfrage skeptisch: | |
Mehr Zeit durch weniger Unterrichtsverpflichtung, geringere Klassengrößen | |
und mehr Sozialarbeiter seien das, was die KollegInnen dringender bräuchten | |
als ein paar hundert Euro mehr. „Da mogelt man sich mal wieder um die | |
Qualitätsdebatte herum“, befindet der Vorsitzende der Berliner GEW, Tom | |
Erdmann. | |
Das stimmt allerdings nur halb, denn die Brennpunktzulage soll nicht nur | |
eine Art Schmerzensgeld sein. Ausgerechnet an den Schulen in schwierigen | |
Stadtteilen arbeiten nämlich viele QuereinsteigerInnen. Von der Zulage | |
profitieren aber nur voll ausgebildete LehrerInnen. Man erhoffe sich so | |
eine bessere „Lenkung“ der Fachkräfte, sagt Bildungspolitikerin Lasić. Ob | |
es ausreiche, dafür mit einem kleinen Geldgeschenk zu wedeln, „das wird man | |
sehen“, ist GEW-Chef Erdmann skeptisch. | |
Ein weiterer Posten, um dessen Sinnhaftigkeit gestritten wird: Ab 2019 soll | |
der Nachmittagshort in der Schule gebührenfrei werden – die Elternbeiträge | |
fallen also weg. 10 Millionen Euro sind dafür im Haushalt veranschlagt. Wie | |
bei der ab 2018 ebenfalls komplett gebührenfreien Kita kritisieren | |
Gewerkschaft und Opposition allerdings, dass das Geld besser in mehr | |
Personal investiert wäre. | |
## Mit Geld kann man nicht alles kaufen | |
Das wiederum führt zu einem ganz grundsätzlichen Problem, das Senatorin | |
Scheeres hat: Man kann mit Geld nicht alles kaufen. Selbst wenn man mehr | |
ErzieherInnen und LehrerInnen einstellen wollte, es steht zu bezweifeln, | |
dass man diese irgendwo findet. | |
Aus diesem Grund ist es auch immer noch billiger, eine Brennpunktzulage zu | |
verteilen, als etwa die Unterrichtsverpflichtung der LehrerInnen zu senken | |
– die zusätzlichen Fachkräfte dafür dürften kaum aufzutreiben sein. Auch, | |
weil Senatorin Scheeres erst zum vergangenen Wintersemester die Zahl der | |
Lehramtsstudienplätze an den Unis erhöhte – obwohl die SchülerInnen zahlen | |
seit 2012 steigen. | |
So sinnvoll der Qualitätspakt Quereinsteiger also ist: Die Wohltaten von | |
heute sind vor allem Schadensbegrenzung einer Politik von gestern. | |
8 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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