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# taz.de -- Abgeordnetenhaus beschließt Etat: Große Abrechnung
> Bei der Debatte um den ersten rot-rot-grünen Doppelhaushalt kritisiert
> Michael Müller indirekt den linken Koalitionspartner
Bild: Regierungschef Müller (SPD) dominierte die Debatte zum Landeshaushalt im…
„Realitätsverweigerung“ ist ein zentraler Begriff an diesem
Donnerstagvormittag im Abgeordnetenhaus. Sowohl bei den
Regierungsfraktionen wie auch bei der Opposition, die sich ebendas
gegenseitig vorhalten. Beide Seiten nutzen die Debatte über den
Landeshaushalt 2018/19 zu einer generellen Abrechnung. „Beim Geld zeigt
sich der Charakter – wir haben geliefert“, behauptet SPD-Fraktionschef Raed
Saleh. Sein Pendant von der CDU-Fraktion, Florian Graf, sieht das ganz
anders: „Sie sind keine geile Truppe, Sie sind die mit Abstand
unbeliebteste Regierung in Deutschland.“
Das mit der angeblich geilen Truppe war vor knapp zwei Wochen auf dem
Landesparteitag der Grünen zu hören gewesen. Da hatten sich die Delegierten
genauso für ein Jahr Rot-Rot-Grün, kurz R2G, gefeiert wie wenige Tage
später die Vorsitzenden der drei Koalitionsfraktionen für den ersten
eigenen Haushalt des Bündnisses. Rund 28 Milliarden Euro ist er 2018
schwer, 2019 sind es sogar 29 Milliarden. Niedrige Zinsen für die weiter
hohen Schulden und höhere Steuereinnahmen als erwartet lassen so hohe
Investitionen zu wie nie.
Aus Sicht der Koalitions-Oberen fließt das Geld natürlich in die richtigen
Felder. Für FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja hingegen ist vieles nur „eine
Sammlung voller Humbug, die die Bürger dieser Stadt mit viel Geld bezahlen
müssen.“ Wobei er gönnerhaft hinzufügt: „Nicht alles ist schlecht, aber
vieles ist schlecht gedacht in Ihrem Haushalt.“ Mehr Geld für Lehrer etwa
und ein vierwöchiger Crash-Kurs für Quereinsteiger hält auch Czaja für
richtig.
CDU-Mann Graf hält der Koalition Versagen in fünf großen Feldern vor: beim
Wohnungsbau, bei maroden Schulen, beim öffentlichen Nahverkehr, bei der
Polizei und beim BER. „In der Flughafenpolitik sind Sie auf ganzer Linie
gescheitert, Herr Regierender Bürgermeister“, wirft Graf Regierungschef
Michael Müller (SPD) vor. Was Linksfraktionschefin Carola Bluhm dazu
bringt, Graf daran zu erinnern, dass bis Ende 2016 seine CDU fünf Jahre
lang mit regiert hat. „Ich habe mich bei Ihrer Rede gefühlt wie in einer
casting show für heiße Luft“, sagt Bluhm.
Der von der Opposition so hart kritisierte Michael Müller tritt als Letzter
ans Mikrofon. Er attackiert die Opposition, räumt aber zugleich ein: „Ja,
es stimmt, es läuft nicht alles perfekt. Ich würde mir wünschen, dass
manches schneller geht, auf Bezirks- wie auf Senatsebene.“ Man könnte sich
nun fragen, ob er damit vor allem die wenige Meter links von ihm sitzende
Bausenatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei meint, von der Müller dem
Vernehmen nach schnelleres Bauen fordert.
Aber für diesen Gedanken bleibt nicht viel Zeit, weil Müller gleich die
nächste Botschaft an seinen roten Koalitionspartner sendet: „Wir müssen die
guten Jahre auch nutzen, um von den 59 Milliarden Euro Schulden los zu
kommen“ – was auch die Opposition fordert. Die Linkspartei hingegen hält
daran fest, nur die als Mindestbetrag im Koalitionsvertrag vereinbarten 80
Millionen in die Schuldentilgung zu stecken, nicht aber mehrere hundert
Millionen des absehbaren Jahresüberschusses.
Ganz klare Worte findet Müller zu den jüngsten antiisraelischen Protesten
nach der Ankündigung der USA, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen.
Nach einem Bekenntnis zu Asyl ohne Obergrenze fordert er von Zuwanderern
ein klares Bekenntnis zu den Werten des Grundgesetzes und wird konkret bei
Demonstrationen mit brennenden Israel-Flaggen: „Berlin duldet auch keinen
sich hinter der Politik eines US-Präsidenten versteckenden Antisemitismus“,
sagt Müller. Und bringt mit seinem Schlusssatz das Abgeordnetenhaus
geschlossen hinter sich: „Wir werden jedes Gesetz nutzen, dem ein Ende zu
bereiten.“
14 Dec 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Michael Müller
Haushalt
Schulden
Die Linke Berlin
Katrin Lompscher
Katrin Lompscher
Sozialpolitik
R2G Berlin
Haushalt
Gemeingut in BürgerInnenhand
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