| # taz.de -- Religiöse Siedler im Westjordanland: Im Namen Gottes | |
| > Durch das aggressive Bauen Israels rückt eine Zweistaatenlösung in weite | |
| > Ferne. Eine Recherche bei religiösen Siedlern im Westjordanland. | |
| Bild: Blick ins Westjordanland | |
| Wenn sich der Winzer Eliav Hillel für die Arbeit fertig macht und sein | |
| weißes Hemd überstreift, vergisst er nie, sich den Pistolengürtel um die | |
| Hüfte zu legen. Die Pistole ähnelt fast einem Schmuckstück, während Hillel | |
| die Flasche Chardonnay entkorkt, den Weinausgießer in den Flaschenhals | |
| steckt und mit eleganten Bewegungen Wein ausschenkt. Es ist ein trockener | |
| Jahrgang. | |
| Hillel ist einer von zwei Besitzern der Kabir Winery in Elon Moreh im | |
| Westjordanland. Seit rund 25 Jahren arbeiten dort keine | |
| Palästinenser*innen mehr. Nach einem Terrorangriff 2002 während der | |
| Zweiten Intifada, bei dem ein militanter Palästinenser das Feuer auf eine | |
| Familie in Elon Moreh eröffnete und vier Mitglieder tötete, habe man keine | |
| mehr beschäftigt, sagt Hillel. Die Pistole trage er zur Selbstverteidigung, | |
| obwohl er in 45 Jahren kein einziges Mal habe schießen müssen. Eigentlich | |
| sei Elon Moreh ein Paradies. „Gute Menschen, gute Aussichten. Ein gutes | |
| Leben.“ | |
| Die Kabir Winery ist nach eigenen Angaben eine „Boutique-Winzerei“, die für | |
| die Region seltene Rebsorten wie die französische Tannat anbaut. 21 Sorten | |
| auf etwa 22 Hektar Weinberg. Mehrere Auszeichnungen schmücken die seitliche | |
| Wand von Hillels Weinkeller. | |
| Elon Moreh ist eine orthodoxe Siedlung etwa 6 Kilometer nordöstlich von | |
| Nablus, festgekrallt am Abhang des Berges Kabir. Der Name kommt aus einer | |
| Passage in der Bibel. Demnach hieß der Ort so, an dem sich Abraham | |
| niederließ und an dem Gott ihm und seinen Nachkommen das Land versprach. | |
| ## „Eines Tages werdet ihr zurückkehren“ | |
| Der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Teselem zufolge ist die | |
| Siedlung Elon Moreh 1980 auf einem Areal entstanden, das Israel von den | |
| palästinensischen Dörfern Azmut, Deir al-Hatab und Salem konfisziert hat. | |
| Die frühere traditionelle Landwirtschaft hat das zerstört. | |
| „Jeremiah sagte, eines Tages werdet ihr zurückkehren und Wein in Samaria | |
| anbauen“, zitiert Eliav Hillel aus der Bibel. Hillel, 67 Jahre alt, | |
| Ex-IT-Programmierer, weiße Haare, langer, grauweißer Bart, trägt eine | |
| breite Kippa mit weiß-blauem Rand und macht keinen Hehl daraus: Religion | |
| ist sein Hauptantrieb für die Winzerei. Profit spiele eher eine | |
| untergeordnete Rolle. | |
| Wie viel Geld sie mit dem Wein aus der Siedlung machen, kann oder will | |
| Hillel nicht preisgeben. Exportiert werde nicht. Die 15.000 Flaschen jedes | |
| Jahr reichten nur für den heimischen Markt. Vor eventuellen Boykotten | |
| [1][oder Sanktionen] hat Hillel keine Angst. Das Material für die | |
| Produktion, Fässer und Reben kommen zwar aus dem Ausland, etwa aus | |
| Frankreich, aus Kanada oder den USA. Gekauft wird jedoch in Israel. Damit | |
| umgehen sie hier alle Probleme. | |
| Über dem Weinkeller befindet sich ein Restaurant. Zwei Säle, eine Terrasse, | |
| mehr als ein Dutzend Holztische. Die Gäste blicken auf das Tal des Kabir, | |
| auf die weißen Hochhäuser des palästinensischen Dorfs Azmut und auf die | |
| Weinberge, über denen eine israelische Flagge weht. Kellnerinnen tragen | |
| Schüsseln mit Salaten, gerösteten Süßkartoffelstreifen, Pesto-Aufstrichen | |
| und Lasagne mit Tomaten-Bechamel-Sauce. Vegetarisch, weil sich Käse nach | |
| rabbinischen Vorschriften nicht mit Fleisch verträgt. Alles ist koscher, | |
| alles hier ist religiös genehmigt. | |
| Gruppen von Frauen plaudern und essen, alle tragen um den Kopf gewickelte | |
| Kopftücher. Eine sagt, in ihrer Siedlung arbeiteten Araber*innen – vor | |
| allem in Handwerksjobs, die viele Israelis nicht mehr machen. | |
| ## Palästinenser*innen verdienen dort ihren Unterhalt | |
| So läuft das auch im Industriekomplex Barkan, 40 Kilometer südwestlich. | |
| Dort sitzt Davidi Ben-Zion, kariertes Hemd, auf einem Plastikstuhl in | |
| seinem Büro. Am Stuhl lehnt eine Aktentasche. Draußen laufen israelische | |
| und palästinensische Arbeiter*innen mit Kopftuch vorbei, suchen im | |
| Schatten Schutz vor der Hitze. Im Industriegebiet arbeiten seit Jahren | |
| beide Gruppen. Für Ben-Zion ein Beispiel gelungener Integration. Alle | |
| hätten gleiche Löhne, betont er. | |
| [2][Ein Bericht von Human Rights Watch] warf 2016 manchen dort ansässigen | |
| Unternehmen vor, Palästinenser*innen schlechter zu bezahlen. Zudem | |
| gab es juristische Streitigkeiten um den Besitz des Landes, auf dem der | |
| Komplex errichtet wurde. Manche Beobachter*innen betonen die | |
| wirtschaftliche Bedeutung des Gebiets für die Palästinenser*innen, die | |
| dort ihren Unterhalt verdienen. | |
| Nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023, die fast 1.200 Israelis | |
| tötete und 250 als Geiseln nahm, strich Israel 115.000 | |
| Palästinenser*innen in Israel und den Siedlungen die | |
| Arbeitserlaubnis. Dies führte zu einem Fachkräftemangel, etwa in der | |
| Landwirtschaft und auf dem Bau. Und im palästinensisch kontrollierten | |
| Westjordanland zu einem gefährlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. | |
| Inzwischen können der israelischen Behörde Cogat zufolge etwa 34.000 | |
| Palästinenser*innen wieder in Siedlungen und knapp 11.500 in Israel | |
| arbeiten. | |
| Ben-Zion, 39 Jahre alt, sieben Kinder, ist Vizechef des „Samaria | |
| Regionalrats“, der sich um 35 israelischen Siedlungen im nördlichen | |
| Westjordanland kümmert. Er ist Chef der Partei Unity for Israel und | |
| Vorstand des Jewish National Fund. Der Fonds kauft Land und vergibt Geld an | |
| Projekte in Siedlungen. Zudem hat Ben-Zion einen Verein für Mädchen in Not | |
| in der Siedlung Elon Moreh initiiert. | |
| Medien und israelische Nichtregierungsorganisationen melden nahezu täglich | |
| Attacken durch radikale Siedler auf Palästinenser*innen im | |
| Westjordanland. Auch immer wieder im Bezirk von Ben-Zion. Wie blickt er | |
| darauf? | |
| ## Mindestens 2.800 Siedlerangriffe seit dem 7. Oktober | |
| Ben-Zion sieht leicht angespannt aus, redet dann los. Siedlergewalt sei | |
| „nichts“, sagt er. Es handele sich höchstens um 40, 50 Teenager, die sich | |
| nicht im Griff hätten und randalierten. Das passiere überall, auch in den | |
| besten Städten, könnte man meinen. Polizei, Ministerien arbeiteten dagegen, | |
| Mindestens 2.800 Siedlerangriffe gab es im Westjordanland seit dem 7. | |
| Oktober 2023 laut dem Büro für die Koordinierung humanitärer | |
| Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA). Mindestens 18 | |
| Palästinenser*innen starben dabei, 942 wurden verletzt. Ein | |
| exponentieller Anstieg, verglichen mit den Jahren davor. | |
| Ben-Zion will davon nichts wissen. Er führt die Zahl auf Antisemitismus | |
| zurück, gestikuliert, lächelt unter der blauen Kippa, beteuert, man wolle | |
| hier keine Menschen, die Gewalt anwenden. | |
| Der Politiker geriet jedoch vor zwei Jahren selbst in eine Kontroverse, | |
| als er auf X dazu aufforderte, die palästinensische Stadt Huwara | |
| auszuradieren. Finanzminister [3][Bezalel Smotrich] likte den Post. Ein | |
| Terrorist aus Huwara hatte kurz davor zwei Israelis ermordet. Ben-Zion sagt | |
| auf Nachfrage, der Tweet sei „schlecht formuliert gewesen“ und haben „den | |
| falschen Eindruck erweckt“. Er verurteile jeden Angriff gegen Unschuldige | |
| und arbeite in seinem Alltag für die Koexistenz. | |
| „Wir sind hier, und wir bleiben hier“, sagt Ben-Zion. 500.000 Menschen, | |
| mehr als 150 Siedlungen – die könne man nicht so leicht abreißen wie damals | |
| die 21 Siedlungen im Gazastreifen, 2005 unter Premierminister Scharon. | |
| Der israelischen NGO Peace Now zufolge gibt es derzeit mindestens 141 | |
| israelische Siedlungen und 270 Außenposten im Westjordanland. Siedlungen | |
| sind wie Kleinstädte organisiert. Farmen oder vereinzelte Caravans oder | |
| Häuser fungieren oft als Außenposten. Eine halbe Million Siedlerinnen und | |
| Siedler wohnt im Westjordanland, zu einem Drittel sind sie laut Umfragen | |
| religiös, zu einem Drittel nationalistisch motiviert. Das restliche Drittel | |
| – und je nach Statistik sogar mehr – leben hier wegen der günstigeren | |
| Lebenshaltungskosten und der staatlichen Zuschüsse. Die Regierung gab für | |
| die Israelis in den Siedlungen in den vergangenen Jahren doppelt so viel | |
| aus wie für die in israelischen Städten. | |
| ## Immer Staaten planen Anerkennung Palästinas | |
| Die aktuelle rechtsreligiöse Koalition hatte erst im Mai 2022 neue | |
| Siedlungen genehmigt. Straßen, die zu den Siedlungen führen, werden | |
| ausgebaut, Bagger sind am Straßenrand zu sehen. 49 neue Siedlungen sind | |
| unter der neuen Regierung entstanden, mindestens 7 Außenposten wurden | |
| nachträglich legalisiert. Und jetzt kommt ein kontroverses Vorhaben, das | |
| jahrelang auf Eis lag. [4][Das sogenannte E1-Projekt] sieht den Bau von | |
| über 3.000 Häusern zwischen Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim vor. | |
| Damit wird das Westjordanland in zwei Teile geteilt, was die | |
| palästinensische Staatsbildung behindert. | |
| Doch dies ist in der Tat das Ziel des israelischen Finanzministers Bezalel | |
| Smotrich, der Mitte August seinen Plan in Maale Adumim vorgestellt hat. Es | |
| „[5][begräbt die Idee eines palästinensischen Staats“] und stärkt die | |
| „De-facto Souveränität“ im Westjordanland, zitierten ihn israelische | |
| Medien. Dieses Vorhaben wurde weithin kritisiert, auch von der deutschen | |
| Bundesregierung. | |
| Nach Frankreich planen immer mehr westliche Länder die Anerkennung | |
| Palästinas als Staat, doch die israelische Regierung verschärft ihren Kurs. | |
| Ende Juli hatte auch das Parlament einer Resolution zugestimmt, nach der | |
| das Westjordanland annektiert werden soll. Israelischen Expert*innen | |
| zufolge ist das eher als Symbolpolitik zu verstehen – ohne rechtliche | |
| Auswirkungen. Es handele sich um eine Demonstration der Popularität dieser | |
| Idee, sagt die Journalistin Lahav Harkov. Völlig unklar sei auch, mit | |
| welchen militärischen Kräften eine solche Annexion geschehen sollte und wie | |
| die demografische Balance Israels danach aussähe, wenn 3 Millionen Araber | |
| Israelis würden. | |
| Doch auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat in der | |
| Vergangenheit schon die Idee eines „Großisraels“ gutgeheißen. Mit diesem | |
| Begriff sind die biblischen Grenzen Israels gemeint und diese umfassen | |
| Teile von Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Libanon. [6][Die arabischen | |
| Länder reagierten empört.] | |
| Bei einer Konferenz Anfang Juni in Sderot nahe Gaza, haben drei Minister | |
| die Annexion der palästinensischen Gebiete befürwortet. Kulturgutminister | |
| Amihai Elijahu ging noch weiter und schloss Syrien und Libanon in die Pläne | |
| mit ein. | |
| Die Frage nach der Souveränität im Westjordanland beantwortet Davidi | |
| Ben-Zion nicht direkt. Er spricht von langsamen Prozessen, von einem | |
| Schritt nach dem anderen. „Die westliche Welt kann nicht verstehen, dass | |
| einige Probleme keine schnelle Lösung haben können. Die Lösung dieses | |
| Problems wird 50 Jahre in Anspruch nehmen.“ | |
| ## Viele Namen von Siedlungen haben religiöse Bezüge | |
| Nicht jeder sieht das so. Für Rabbiner Mosche Goldsmith, 61 Jahre alt, | |
| weiße Kippa, weißer Bart, ist Souveränität überflüssig. Das Westjordanland | |
| sei bereits israelisches Land, sagt er. „Gerade leben wir vom Meer bis zum | |
| Fluss. Wir sind souverän, dies ist unser souveränes Land. Gott hat die | |
| Souveränität erklärt.“ Goldsmith ist in den USA aufgewachsen und mit 21 | |
| Jahren in das von Israel besetzte Westjordanland gezogen. | |
| Rabbi Goldsmith ist ein ruhiger Mann, ein Mann des Glaubens, Autor eines | |
| Blogs über jüdisch-religiöse Themen und das Landleben in seiner Siedlung | |
| Itamar. Er sitzt in einem Raum, der nach Seife riecht, hinter Stacheldraht | |
| und einer weißen Synagoge. Auf dem Gotteshaus prangt die Aufschrift „In | |
| Gedenken an die Helden von Itamar“. Kampfjets dröhnen im Hintergrund. | |
| Hier, in dieser Siedlung etwa 6 Kilometer südöstlich von Nablus, lebt er | |
| seinen „idealistischen Traum“. Umgeben von stürmischem Wetter, so drückt … | |
| das aus. | |
| Itamar wurde 1984 gegründet, es ist ein Dorf mit inzwischen etwa 1.600 | |
| Menschen. Schlichte Häuser sind auf den kargen Hügeln zu sehen, es gibt | |
| Kinderspielplätze und Schulen.So wie viele Siedlungen hat auch der Name | |
| dieser hier einen religiösen Bezug: Itamar war der jüngste Sohn des | |
| Priesters Aaron. | |
| Goldsmith sagt, kein Jude sei vollständig, wenn er nicht auf dem Boden | |
| Israels lebe. Und damit meint er das biblische Israel. Gott habe dem | |
| jüdischen Volk dieses Land gegeben. Gottes Hand selbst habe sie hierher | |
| geführt. Zurückzukehren sei ihre Bestimmung. | |
| Dem israelischen Applied Research Institute of Jerusalem zufolge entstand | |
| Itamar auf Gebieten, die Israel von den palästinensischen Dörfern Awarta, | |
| Beit Furik, Janun und Aqraba konfiszierte und ihnen so wichtige | |
| Einkommensquellen entzog. | |
| Nach den Oslo-Abkommen der 1990er Jahre wurde die Siedlung dem Gebiet C | |
| zugeteilt, das nur vorübergehend von Israel zivil und militärisch regiert | |
| werden sollte. Doch noch heute ist das Gebiet C in israelischer Hand. Die | |
| Anzahl der Siedlungen und Außenposten ist exponentiell gestiegen. Die | |
| ersten sind unter israelischem Recht legal, die zweiten nicht. Nach | |
| internationalem Recht sind beide Siedlungswellen unrechtmäßig, so wie die | |
| israelische Besatzung des Westjordanlands seit 1967. | |
| ## „Wann mag die Welt Israel?“ | |
| Goldsmith redet ruhig, die Vorwürfe lächelt er weg. Israel müsse das tun, | |
| was für Israel gut sei, sagt er, Siedlergewalt gebe es nicht, alles | |
| sporadische Zwischenfälle, die Statistiken würden lügen. | |
| Palästinenser*innen hätten keine Angst im Alltag, und auch die Rede | |
| von einem Genozid in Gaza sei absurd. Die ganze Welt sei gegen die Jüdinnen | |
| und Juden. „Wann mag die Welt Israel? Wenn es in Auschwitz ist. Sie können | |
| Museen über uns errichten“, sagt er. | |
| Eine der wenigen Fragen, die Goldsmith wenigstens ein bisschen aus der | |
| Reserve lockt, ist die Frage nach den Ansprüchen der Palästinenser*innen, | |
| die seit Generationen im Westjordanland leben. Der Rabbi gestikuliert mit | |
| den Händen. „Wenn wir das Geschichtsspiel spielen, werden sie verlieren, | |
| weil wir seit Jahrtausenden hier sind“, sagt Goldsmith, der vor 40 Jahren | |
| aus Brooklyn hierher gezogen ist. „Wenn wir darauf schauen, wem das Land | |
| rechtmäßig gehört, dann ist es das Volk Israels.“ Die | |
| Palästinenser*innen hätten ihre Städte, um weiterzubauen. | |
| Außerhalb Itamars liegt ein illegaler Außenposten mit wenigen Häuser aus | |
| Holz, mit Blechdächern. Einige sind gerade im Aufbau, lediglich Skelette | |
| aus Metall. David Sterns Haus ist schon fertig, hier lebt er mit seiner | |
| Frau und vier Kindern. | |
| Stern, 44 Jahre alt, in den USA geboren und aufgewachsen, wohnt seit 23 | |
| Jahren in Israel und seit 16 Jahren im Westjordanland. Sein Haus ist modern | |
| eingerichtet mit Kamin, einer offenen Küche, einer Terrasse mit Holzlaminat | |
| und Parkettboden. Draußen hängen israelische Fähnchen, drinnen zieht der | |
| Duft von Zitronenmelisse durch die Räume. Sterns Frau stellt Seife her. | |
| Stern, ein robuster Mann, Ex-Marinesoldat, trägt ein schwarzes T-Shirt und | |
| eine breit gehäkelte Kippa. In Beige. So wie die Kippa, die er vor zwei | |
| Jahren trug, als er mit seiner Frau durch die palästinensische Kleinstadt | |
| Huwara fuhr, südlich von Nablus. | |
| ## Eine Spirale der Gewalt | |
| Als sich Stern und seine Ehefrau einem Verkehrskreisel näherten, überquerte | |
| ein Mann die Straße, hielt in der Mitte an und eröffnete das Feuer auf | |
| Sterns Auto. Vier Schüsse trafen Stern an Kopf, Brust und Arm. Er, der | |
| ebenfalls eine Waffe bei sich trug, schoss fast gleichzeitig und verletzte | |
| den Mann, der floh. Stern krempelt den Ärmel seines Shirts hoch und zeigt | |
| eine Narbe. Seine Frau blieb damals körperlich unverletzt, hat aber ein | |
| Trauma davongetragen. | |
| Einen Monat vor der Attacke hatten Terroristen zwei Israelis in [7][Huwara] | |
| erschossen, als Rache für den Tod von 11 Palästinenser*innen bei | |
| einer israelischen Razzia in Nablus. Das wiederum hatte eine Welle von | |
| heftigen Siedlerangriffen und Brandanschlägen in Nablus ausgelöst. Eine | |
| Spirale der Gewalt. | |
| Ein Wunder, dass er überlebt habe, sagt Stern heute, während ein Kleinkind | |
| mit Locken in den Raum rennt. Und dennoch kommt die Idee, woanders | |
| hinzuziehen, für ihn gar nicht infrage. „Dieses tiefe Sinngefühl und die | |
| Mission, die man hier im Alltag hat, erlebt man nicht anderswo“, sagt er. | |
| Er meint das Gefühl, zu etwas Größerem beizutragen. | |
| In der palästinensischen Perspektive ist dieses Größere die fortschreitende | |
| Besatzung der Region. In Sterns Perspektive sind die Siedlungen und | |
| Außenposten der Sicherheitsgürtel Israels. „Wenn wir hier sind, können sich | |
| Terroristen an diesem Ort nicht ausbreiten.“ Auch Gaza sollte wieder von | |
| Israelis besiedelt werden, findet Stern. „Wo es keine Siedler und keine | |
| Juden gibt, ist Niemandsland. Und das ist furchtbar, das hat schlimme | |
| Folgen.“ | |
| Stern redet ruhig und spricht von einer Art Apathie, die die Menschen hier | |
| befällt, wenn es um Sicherheit geht. Davon, dass er es | |
| Palästinenser*innen nicht übelnimmt, was mit ihm passiert ist. Jeder | |
| trage Verantwortung für das eigene Handeln. Von den | |
| Palästinenser*innen, sagt Stern, folge die Mehrheit der | |
| dschihadistischen Ideologie. Er habe jedoch auch mit anderen gesprochen. | |
| „Ich habe mehrere getroffen, die möchten israelische Staatsbürger werden.“ | |
| Von einer Zweistaatenlösung will Stern nichts wissen. Die internationale | |
| Gemeinschaft wolle sie. Doch dies sei jüdisches Land. So stehe es in der | |
| Bibel. | |
| 22 Sep 2025 | |
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| [1] /Bodenoffensive-in-Gaza-Stadt/!6110516 | |
| [2] https://www.hrw.org/report/2016/01/19/occupation-inc/how-settlement-busines… | |
| [3] /Sanktionen-gegen-israelische-Politiker/!6101391 | |
| [4] /Umstrittenes-israelisches-Bauprojekt/!6106021 | |
| [5] /Siedlungspolitik-im-Westjordanland/!6106065 | |
| [6] /Kritik-an-Israels-Vorgehen-/!6111862 | |
| [7] /Ohne-Arbeit-und-Geld-in-der-Westbank/!5996814 | |
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