# taz.de -- Regisseur Robert Eggers über „The Northman“: „Hinschmeißen … | |
> Der Regisseur Robert Eggers hat mit „The Northman“ einen Wikingerfilm | |
> gedreht. Er spricht über Schuhwerk, Essen mit Björk und die Härte | |
> Hollywoods. | |
Bild: Machismo, ausnahmsweise: Amleth (Alexander Skarsgård) in „The Northman… | |
taz: Herr Eggers, für Ihren Hauptdarsteller und Mitproduzenten Alexander | |
Skarsgård war ein Wikingerfilm wie „The Northman“ ein seit Kindestagen | |
gehegter Traum. Davon kann bei Ihnen nicht die Rede sein, richtig? | |
Robert Eggers: Nein, und ich staune selbst immer noch, dass ich einen | |
solchen Machofilm gedreht habe. Mit der Ausnahme von „Conan der Barbar“ | |
waren solche Geschichten bereits früher nicht meins. Und diese | |
[1][Vereinnahmung der Wikingermythen durch die rechte Szene und Neonazis] | |
hat mich erst recht abgeschreckt. Aber meine Frau war immer schon | |
begeistert von Island und allem, was damit zusammenhängt. Bei einer | |
gemeinsamen Reise dorthin konnte ich mich erst der Faszination der dortigen | |
Landschaften nicht entziehen – und dann auch nicht mehr diesen alten Sagen. | |
Trotz des besagten Machismo, der Sie sonst störte? | |
Die Gewalt, die Brutalität, die Zerstörung – das lässt sich aus solchen | |
Geschichten nicht herauslösen, deswegen kommt all das nun auch in meinem | |
Film vor. Für mich entscheidend war aber die Entdeckung, dass in diesen | |
alten Wikingersagen darüber hinaus noch sehr viel steckt: Poesie, | |
Naturalismus, die Emotionen großer Familiensagen. Das waren die Aspekte, | |
die mich letztlich dazu gebracht haben, einen Film wie „The Northman“ zu | |
drehen. Und natürlich die Tatsache, dass ich den [2][isländischen | |
Schriftsteller Sjón] kennengelernt habe, mit dem ich dann das Drehbuch | |
schrieb. Hätte der mir keine tieferen Einblicke in diese Mythologie | |
gegeben, gäbe es den Film vermutlich nicht. | |
Bislang haben Sie Ihre Drehbücher allein oder mit Ihrem Bruder Max | |
geschrieben. War die Zusammenarbeit mit jemandem von außen eine Umstellung? | |
Nicht wirklich, obwohl ich anfangs ein wenig Respekt davor hatte, mit einer | |
solchen literarischen Größe zusammenzuarbeiten. Aber ohne jemanden, der aus | |
Island kommt und sich mit der Geschichte der dortigen Wikinger und ihrer | |
Welt auskennt, hätte ich ein solches Drehbuch nicht schreiben wollen. | |
Abgesehen davon, dass sich schnell zeigte, dass er eben nicht nur ein | |
welterschütternd guter Autor ist, sondern wir uns auch sofort bestens | |
verstanden. So wie Björk es prognostiziert hatte. | |
Sie haben Sjón durch die isländische Sängerin Björk kennengelernt? | |
Genau. Auf der besagten Islandreise mit meiner Frau stellte eine gemeinsame | |
Bekannte den Kontakt zu Björk her, die es sich nicht nehmen ließ, direkt | |
für uns zu kochen. Und dazu lud sie auch Sjón ein, weil sie meinte, dass | |
wir prächtig miteinander klarkommen würden. Mir schien das absurd, weil sie | |
mich ja noch gar nicht kannte. Aber recht behielt sie trotzdem. | |
Deswegen war es dann auch ausgemachte Sache, dass sie in „The Northman“ | |
erst mal seit „Dancer in the Dark“ wieder auf der Leinwand zu sehen ist? | |
Ausgemachte Sache war das für sie nicht, denn ich glaube nicht, dass Björk | |
je wieder vor der Kamera stehen wollte. Aber weil sie mit Sjón und auch mit | |
unserem Komponisten Robin Carolan seit Langem befreundet ist und nun auch | |
meine Frau und mich ein bisschen kennt, waren die Umstände für sie vertraut | |
genug, um sich am Set wohlzufühlen. Außerdem hat sie ja auch nur zwei | |
Szenen, die konnten wir an einem Tag drehen. | |
Apropos Dreharbeiten: Sie sind bekannt für Ihre Detailverliebtheit und ein | |
Drängen auf Authentizität. Skarsgård trug etwa in seiner Rolle Schuhe, die | |
exakt so hergestellt wurden wie damals üblich – und hatte auch davon nur | |
ein Paar, um möglichst realitätstreu zu bleiben. Warum verwenden Sie so | |
viel Energie auf solche Kleinigkeiten? | |
Weil ich mir wünsche, dass das Publikum in meine Filme wirklich ein- und | |
abtaucht. Und das geht nur, wenn solche kleinen Details erstens vorhanden | |
und zweitens korrekt sind. Nichts ist schlimmer, als wenn Kleinigkeiten | |
einen aus einer Geschichte herausreißen. Oder das Setting einfach nicht | |
echt wirkt. Es gibt zum Beispiel einige Fantasy-Serien, die eigentlich | |
tolle Geschichten erzählen und spannende Figuren auffahren, mich aber | |
einfach nicht bis ins Letzte packen, weil den Bildern eine falsche | |
Künstlichkeit innewohnt. So etwas gilt es für mich unbedingt zu vermeiden. | |
Hatten Sie Bedenken, ob Ihre Art des Arbeitens und Ihr Stil sich umsetzen | |
lassen würden, als Sie bei „The Northman“ erstmals mit einem | |
Hollywoodstudio zusammenarbeiteten? | |
Klar hatte ich die. Das war ein großer Vertrauensvorschuss, den das Studio | |
mir entgegenbrachte. Und umgekehrt genauso. Denn eigentlich hatte ich null | |
Anspruch darauf, einen Film dieser Größenordnung zu drehen. Aber so | |
bescheiden, offen und ehrlich ich bezüglich meiner Unzulänglichkeit bin, | |
habe ich doch den Hochmut, Filmregisseur sein zu wollen. In diesem | |
Zwiespalt bewege ich mich also dauerhaft. | |
Es soll dann, wie man hört, während der Schnittphase des Films durchaus | |
geknirscht haben zwischen den Produzent*innen des Studios und Ihnen. | |
Wie schwer war das auszuhalten? | |
Während der Vorbereitung und der Dreharbeiten hätten alle Beteiligten nicht | |
unterstützender sein können. Und sie waren es auch im Schnitt, doch das | |
Problem war, dass ich in ihren Augen nicht das abgeliefert hatte, was ich | |
versprochen hatte. Nämlich den unterhaltsamsten Robert-Eggers-Film | |
überhaupt. Was dann kam, war die schmerzhafteste und anstrengendste | |
Erfahrung meines beruflichen Lebens. Es kamen immer wieder Änderungswünsche | |
und Anmerkungen, und natürlich war klar, dass wir die umsetzen. | |
Hinschmeißen war keine Option, und es kam auch nicht infrage, am Ende bei | |
der Premiere eines Films aufzutauchen, für den ich mich schäme. Sjón sagte | |
immer wieder zu mir: Wenn es uns nicht gelingt, diese Anmerkungen auf eine | |
Weise umzusetzen, auf die wir stolz sein können, dann arbeiten wir nur | |
nicht hart genug daran. Also habe ich so hart gearbeitet wie noch nie in | |
meinem Leben. Und was soll ich sagen: Durch die Wünsche des Studios ist der | |
Film am Ende besser geworden. Schmerzhaft, das zuzugeben, ist aber so. Doch | |
künftig drehe ich trotzdem wieder kleinere Filme, bei denen ich mehr | |
Kontrolle habe. Denn noch einmal möchte ich diese Erfahrung nicht machen. | |
27 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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