# taz.de -- Rechte Proteste wegen Energiekrise: Hoffen auf das Horrorszenario | |
> Führt die Energiekrise zu sozialen Unruhen von rechts? Thüringens | |
> Verfassungsschutzpräsident warnt vor einem Zusammenbruch des öffentlichen | |
> Lebens. | |
Bild: Eine Frau auf einem Querdenkenprotest mit Plüschtier auf dem Rücken | |
BERLIN taz | [1][Die AfD] heizt schon mal die Stimmung an. „Wir gehen | |
düsteren Zeiten entgegen“, teilte die Partei zuletzt mit. Es drohe ein | |
„Währungsverfall, Blackout und Zusammenbruch des Sozialsystems“. Die Ampel | |
habe Deutschland in „eine wirtschaftliche Kriegslage hineinmanövriert“. | |
Nicht minder befeuern die Rechtsextremen der „Freien Sachsen“ die Panik. | |
Deutschland drohe ein „Energielockdown“ und eine „Krise beispiellosen | |
Ausmaßes“, heißt es dort. Die Regierung aus „Klimafanatikern und | |
Russlandhassern“ fahre „das Land an die Wand“. Ihr Appell: „Es wird Zeit | |
für die Welle der Energieproteste!“ | |
Die Aufrufe bleiben auch den Sicherheitsbehörden und | |
[2][Bundesinnenministerin Nancy Faeser] (SPD) nicht verborgen. Und sie | |
steigern dort die Sorge vor extremistischem Sprengstoff für den Herbst. „Es | |
kann festgestellt werden, dass Kreise, [3][die schon die Coronaproteste | |
geprägt haben], auf der Suche nach neuen Themen mit Protestpotenzial sind“, | |
erklärt dazu Faesers Sprecher. „Je nach Entwicklung der | |
Energieversorgungssituation und der sozialen Folgen der Kostensteigerungen | |
ist eine Entwicklung zu einer mit den Coronaprotesten vergleichbaren | |
Größenordnung möglich.“ Die Sicherheitsbehörden hätten dies im Blick. | |
Weit deutlicher wird Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. „Es | |
ist nicht hilfreich, Schreckensszenarien herbeizureden“, sagte er der taz. | |
Die Sicherheitsbehörden dürften aber auch kein Worst-Case-Szenario | |
verheimlichen. Und das würde eintreten, wenn [4][Russland kein Gas mehr | |
liefere] und dieses nicht nur zum Heizen fehle, sondern auch die | |
Industrieproduktion in Teilen zusammenbrechen lasse, so Kramer. | |
Die Folge wären „ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit und | |
vernichtete Existenzen“. Was es bedeute, wenn dazu großflächige | |
Stromausfälle kämen, „muss ich wohl nicht ausformulieren“. Nach den | |
[5][„katastrophalen Erfahrungen bei der Krisenbewältigung“] der | |
Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz vor einem Jahr wäre zu erwarten, | |
„dass das öffentliche Leben in weiten Teilen zusammenbricht“, so Kramer. | |
„Es wird spannend, wie dann die Versorgung sichergestellt und vor allem die | |
öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet werden soll.“ Und zu all | |
dem könnten auch noch neue Coronamaßnahmen und größere Migrationsbewegungen | |
durch Hungersnöte infolge des Ukrainekriegs kommen. | |
## Nicht zwingend Mobilisierungserfolg der Rechten | |
Auch Kramer konstatiert, dass „ausländische und inländische Kräfte aktuell | |
die Verunsicherung und Angst in unserer Bevölkerung weiter zu befeuern | |
versuchen, die AfD ganz vorne mit dabei“. Die vergangenen | |
„Querdenken“-Proteste könnten damit „ein Kindergeburtstag im Vergleich z… | |
kommenden Herbst und Winter“ werden. Im schlimmsten Fall kämen dazu noch | |
„Sabotage und Terrorangriffe verschiedenster Gruppierungen“, was ein | |
„hoffentlich unrealistisches Horrorszenario“ bleibe, so Kramer. | |
Ganz so drastisch sieht es Pia Lamberty, Geschäftsführerin des | |
Cemas-Instituts, noch nicht. Die Energiekrise werde „natürlich auch im | |
verschwörungsideologischen und rechtsextremen Milieu aufgegriffen und | |
teilweise begrüßt, in der Hoffnung, dass so der Systemsturz schneller | |
voranschreitet“, sagte auch sie der taz. | |
Die Rede sei dort von einem „großen Erwachen“ und einem „heißen Herbst�… | |
auf den sich die Regierung einstellen müsse. Lamberty betont aber auch: „Es | |
muss nicht so kommen, dass die Krise automatisch ein Mobilisierungserfolg | |
der extremen Rechten wird.“ Die Proteste, die es aufgrund der sich | |
zuspitzenden Lage geben wird, müssten sich dafür nach rechts abgrenzen und | |
die Politik „wirkliche Lehren“ aus der Pandemie ziehen, so Lamberty. | |
„Demokratische Leerstellen werden von Rechtsextremen genutzt. Deswegen ist | |
es wichtig, solche Lücken zu schließen.“ | |
19 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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