# taz.de -- Pro und Contra Feiertag am 8. März: Nutzt der neue Feiertag der Sa… | |
> Heute erklärt das Abgeordnetenhaus in Berlin den Frauentag zum | |
> gesetzlichen Feiertag. Ist das wirklich im Sinne der Frauenpolitik? Zwei | |
> Gastbeiträge. | |
Bild: Nutzt der Feiertag der Frauenbewegung? Oder schadet er ihr gar? | |
## Der Feiertag ist genau richtig | |
Es wäre ein Missverständnis zu meinen, der neue Feiertag am 8. März wäre | |
nur zum Feiern gut. Vor 100 Jahren durften Frauen das erste Mal wählen. | |
Danach ging es holpernd, stolpernd vorwärts, aber auch heute gibt es noch | |
genug zu tun. Ob ungleiche Bezahlung, ungleiche Besetzung der Parlamente, | |
sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Gewalt gegen Frauen, die gläserne | |
Decke, an die viele Frauen beim Karrieremachen irgendwann stoßen: All diese | |
Evergreens der Frauenpolitik sind ja nicht mit dem Feiertag behoben. | |
Im Gegenteil: Der 8. März soll Gedenk-, Erinnerungs- und Feiertag sein. | |
Zumindest ein Mal im Jahr werden alle daran erinnert, dass Frauen nach wie | |
vor nicht gleichgestellt sind. Im Grundgesetz steht ja: „Der Staat fördert | |
die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern | |
und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Das laut | |
einzufordern, dafür gibt es jetzt einen Feiertag. | |
Viele jubeln ja, einfach weil sie am 8. März nicht zur Arbeit müssen. Für | |
mich ist der neue Feiertag viel mehr, eine Anerkennung unserer Anliegen, | |
für die auch ich lange gekämpft habe, ein politisches Highlight in diesem | |
Jahr. Und weil wir ja so schön freihaben, können wir auch alle zur | |
zentralen Demo gehen, die immer am 8. März stattfindet, und unsere Rechte | |
einfordern. Die Demonstration wird dieses Jahr sicherlich viel größer als | |
sonst. Wir können auch auf eine der zahlreichen Veranstaltungen gehen, uns | |
informieren oder diskutieren. Da bietet der neue 8. März wunderbare | |
Möglichkeiten. | |
Wenn dann irgendwann all die Nachteile für Frauen beseitigt sein sollten | |
und die Männer beschweren sich, weil sie ins Hintertreffen geraten: Falls | |
ich das noch erleben darf, können wir den Frauentag auch gerne in | |
Gleichstellungstag umbenennen. | |
Anja Kofbinger, 59, engagiert sich seit 30 Jahren in der Frauenpolitik. | |
Seit zwölf Jahren ist sie frauen- und gleichstellungspolitische Sprecherin | |
der Grünen im Abgeordnetenhaus. | |
## Der Feiertag ist eine Herausforderung für Feminist*innen | |
Die Forderung nach einem Feiertag am 8. März besteht in feministischen | |
Kreisen schon lange. Dass sie nun endlich umgesetzt wird, ist auch Ausdruck | |
davon, dass es eine erstarkende autonome Frauen*bewegung gibt. Gleichzeitig | |
stellt gerade für diese der Feiertag auch eine Herausforderung dar. Denn er | |
birgt die Gefahr, wichtige Zusammenhänge unsichtbar zu machen und | |
langfristig die Mobilisierung zur Frauen*kampftagsdemo, an der zuletzt | |
10.000 Menschen teilgenommen haben, zu schwächen. | |
Die Argumentation für den Feiertag ignoriert nämlich, dass für die | |
allermeisten Frauen Lohnarbeit eben bei Weitem nicht die einzige Arbeit | |
ist. Der Zeitverwendungsstudie zufolge leisten Frauen im Schnitt „nur“ 16 | |
Stunden entlohnte und dafür 30 Stunden unentlohnte Arbeit pro Woche. Für | |
viele Frauen ist es die unbezahlte Sorgearbeit, die ihre Stellung auf dem | |
Arbeitsmarkt noch prekärer macht. Teilzeitfalle, mangelnde | |
Aufstiegschancen, geringere Löhne und schließlich Altersarmut stehen auf | |
demselben Blatt. Männer hingegen leisten pro Woche im Schnitt 25 Stunden | |
Erwerbsarbeit und dafür nur 19 Stunden unbezahlte Arbeit. Schon rein | |
statistisch gesehen kommt ein Feiertag daher Männern sehr viel mehr zugute. | |
Um Missverständnissen vorzubeugen: Zusätzliche Feiertage sind trotzdem | |
absolut wünschenswert. Nur der Zusammenhang zur spezifischen Situation von | |
Frauen und ihren Kämpfen hakt. Hinzu kommt, dass an einem Feiertag auch | |
Kitas und andere Einrichtungen geschlossen sind. Viele Frauen werden sich | |
deshalb um ihre Kinder kümmern müssen und können schlechter an Aktionen | |
teilnehmen. Ganz zu schweigen von der verständlichen Versuchung, einen | |
Feiertag so frei wie möglich zu gestalten. Der Kampftag könnte dann zu | |
einem schon-lange-nicht-mehr-revolutionären 1. Mai verkümmern. Zum Glück | |
hat sich die Frauen*streik-Bewegung entschlossen, sich dieser | |
Herausforderung entschlossen zu stellen. | |
Alex Wischnewski, 33, ist aktiv im Frauenstreik-Komitee Berlin. | |
24 Jan 2019 | |
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