# taz.de -- Frauenstreik am 8. März: Frauen wollen die Republik lahmlegen | |
> Aktivistinnen planen einen bundesweiten Frauenstreik. Jetzt treffen sie | |
> sich zur Vernetzung. Männer dürfen mitmachen – „aber nicht in erster | |
> Reihe“. | |
Bild: Vorbild Argentinien: Hier streikten Frauen 2016 | |
Züge fielen aus, Läden blieben geschlossen, Hausarbeit blieb liegen: Mehr | |
als fünf Millionen Spanierinnen legten laut Veranstalterinnen beim | |
feministischen Streik im März ihre Arbeit nieder – und Teile des Landes | |
lahm. Frauen mit pinken T-Shirts zogen durch die Straßen, trommelten mit | |
Kochlöffeln auf Töpfen und skandierten ihre Forderungen: mehr Rechte, mehr | |
Lohn, weniger sexualisierte und häusliche Gewalt. | |
Geht es nach Kerstin Wolter und Alex Wischnewski, wird am 8. März 2019 auch | |
in Deutschland gestreikt. Die beiden Mitarbeiterinnen der Linkspartei haben | |
das Netzwerk „Frauen*streik“ ins Leben gerufen, das sich gerade bundesweit | |
aufstellt. Am Wochenende findet ein erstes Vernetzungstreffen in Göttingen | |
statt, bei dem es um Arbeitsstrukturen, Protestformen und Mobilisierung für | |
einen feministischen Streik auch hierzulande gehen soll. | |
„Wir haben die Streiks in den vergangenen Jahren in Spanien, Polen und | |
Argentinien mitbekommen“, sagt Kerstin Wolter. „Und wir glauben, dass der | |
Moment gekommen ist, in dem auch hierzulande ein Streik ansteht: Wir müssen | |
uns dagegen wehren, dass Rechte und Neoliberale die Gesellschaft an die | |
Wand fahren.“ | |
Ein erstes lokales Treffen in Berlin fand bereits im Mai statt. Seitdem | |
gründeten sich Frauen*streik-Komitees in rund einem Dutzend Städten, | |
darunter Hamburg, Augsburg, Leipzig, Köln, Jena und Freiburg. Bundesweit | |
aktiv, schätzt Wolter, seien derzeit mehrere hundert Frauen, die zum Teil | |
aus autonomen Frauengruppen kommen, als Künstlerinnen arbeiten, als | |
Einzelpersonen aktiv oder in Gewerkschaften organisiert sind. | |
Parteipolitisch gebunden, sagt Linksparteimitglied Wolter, sei der | |
„Frauen*streik“ nicht, neben Linken machten auch einige Grüne mit. „Die | |
Frauen, die bisher dabei sind, kommen aus völlig unterschiedlichen | |
Kontexten – in Bezug auf politische Organisierung, aber auch in Bezug auf | |
Sprache, Herkunft und soziale wie kulturelle Hintergründe.“ Die Website des | |
Frauen*streiks soll deshalb bald in fünf Sprachen verfügbar sein, darunter | |
Türkisch und Farsi. | |
Ein nicht zu unterschätzendes Hindernis allerdings gibt es hierzulande: | |
Zwar gibt es ein Streikrecht in der Bundesrepublik. Aber politisch | |
motivierte Arbeitsniederlegungen sind in der Bundesrepublik nach der | |
gängigen Rechtsprechung nicht zulässig – im Unterschied zu Streiks als | |
Mittel in Tarifauseinandersetzungen. Deshalb werden Gewerkschaften kaum zu | |
einem feministischen Streik aufrufen, der dem in Spanien gleicht. | |
## Wo sind die Gewerkschaften? | |
Immerhin gebe es Gewerkschafterinnen, sagt Wolter, die bereits „großes | |
Interesse am Frauen*streik zeigen“. Noch im November soll auch mit ihnen | |
besprochen werden, wie weit sie gehen können und wollen. „Wir hoffen, dass | |
die Gewerkschaften gesellschaftliche Legitimation und Druck aufbauen und es | |
kollektive Entscheidungen von Arbeitsniederlegungen geben wird“, sagt | |
Wolter. „Aber wer streikt, soll natürlich keine Gefahr laufen, den Job zu | |
verlieren.“ | |
Ohnehin solle Streik auch verstanden werden als Sichtbarmachung der | |
verschiedenen Forderungen in der Öffentlichkeit. So hätten in Spanien zum | |
Beispiel viele Frauen Schürzen aus Fenstern gehängt, Aktionen in den Pausen | |
organisiert oder zu politischen Mittagessen aufgerufen. Und schließlich | |
ziele der Streik bewusst nicht nur auf Bereiche von Lohnarbeit, sondern | |
gerade auch auf diejenigen, in denen Frauen nicht entlohnte Arbeit | |
verrichten wie Haushalt, Kinderbetreuung oder Pflege. | |
Ein Papier des Berliner Netzwerks, das beim Treffen am Wochenende zur | |
Diskussion gestellt werden soll, schlägt vor, zehn bis zwanzig konkrete | |
Forderungen aufzustellen, zum Beispiel in den Bereichen Rechte für | |
trans*Personen, Schwangerschaftsabbruch oder Rechte für illegalisierte | |
Frauen. Gäste aus Großbritannien, Spanien und der Schweiz, wo Frauen schon | |
1991 streikten, werden kommen. Insgesamt hofft Wolter auf drei- bis | |
vierhundert Teilnehmerinnen. Angesprochen seien Frauen, Lesben, trans* und | |
inter*Personen. Männer, sagt Wolter, seien beim Streik zwar unterstützend | |
willkommen – aber nicht „in der ersten Reihe“. | |
9 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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