| # taz.de -- Politologe über Konflikte im Kaukasus: „Moskau verliert an Einfl… | |
| > Der Politologe Paata Zakareischwili forscht zu Konfliktlösungen im | |
| > Südkaukasus. Er sieht die Macht Russlands in der Region schwinden – und | |
| > hofft auf Frieden. | |
| Bild: Nur einer von vielen Konfliktherden im Kaukasus: Georgien | |
| taz: Herr Zakareischwili, der Konflikt in Bergkarabach zeigt, wie | |
| unerwartet der Ausgang eines langen Konflikts sein kann. Wie könnte sich | |
| die Lage in Abchasien und Südossetien entwickeln? | |
| Paata Zakareischwili: Wenn wir nach [1][Bergkarabach] oder in die Ukraine | |
| blicken, macht das nicht gerade Mut. Karabach ist eines der traurigsten und | |
| die Ukraine ein schreckliches Beispiel. Für mich sind solche Szenarien | |
| absolut inakzeptabel. Wir müssen unseren abchasischen und ossetischen | |
| Mitbürgern fortwährend Signale senden, dass Georgien jeden Gedanken an eine | |
| gewaltsame Lösung dieses Konflikts ausschließt. | |
| taz: Welche Rolle spielt Russland? | |
| Zakareischwili: Russland ist ein Feind, der heute mit Gewalt über das | |
| Schicksal der Ukraine entscheidet und 2008 gewaltsam in die international | |
| anerkannten Gebiete Georgiens einmarschiert ist. Leider wurde durch diesen | |
| Krieg zwischen Georgien und Russland ein Zustand geschaffen, in dem heute | |
| nach internationalem Recht und der Gesetzgebung Georgiens ein Teil des | |
| georgischen Territoriums besetzt ist. | |
| taz: Die Regierungspartei Georgischer Traum hat vor den Wahlen am 26. | |
| Oktober vorgeschlagen, sich bei Abchasien und Ossetien zu entschuldigen. | |
| Was halten Sie davon? | |
| Zakareischwili: Das war eine reine PR-Kampagne von Bidsina Iwanischwili | |
| (Oligarch und Gründer des Georgischen Traums; Anm. d. Red.). Er wollte sich | |
| nicht bei den [2][Osseten] entschuldigen, sondern die Vereinigte | |
| Nationalbewegung (Partei von Ex-Präsident Micheil Saakaschwili; Anm. d. | |
| Red.) demütigen, um seinem Konkurrenten Stimmen wegzunehmen und ihn zu | |
| diskreditieren. Diese Entschuldigung hat nichts mit einem Phänomen wie | |
| Vergebung zu tun, die auf einem Schuldgefühl beruht. Ich schließe eine | |
| hypothetische Entschuldigung nicht aus, aber dies sollte ein vorbereiteter | |
| Prozess sein. | |
| taz: In Georgien hegen dennoch viele die Hoffnung, dass Russland Abchasien | |
| und Ossetien zurückgeben werde. Wie realistisch ist das? | |
| Zakareischwili: Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat sofort erklärt, | |
| dass Moskau keine Schritte zur Änderung des Status quo von Abchasien und | |
| Ossetien erwäge. Warum ist klar: Russland will seine Verbündeten nicht | |
| verlieren. Die Armenier lamentieren übrigens immer noch darüber, dass sie | |
| auf Unterstützung von Russland gesetzt hätten, Moskau das Land jedoch im | |
| Stich gelassen habe. Auf Moskau kann man nicht zählen. Ich möchte nicht, | |
| dass unsere Mitbürger, die Abchasen und Osseten, von der Gnade Russlands | |
| abhängig sind. | |
| taz: Der [3][Friedensvertrag zwischen Armenien und Aserbaidschan] wurde | |
| noch nicht unterzeichnet. Warum? | |
| Zakareischwili: Aserbaidschan argumentiert, dass die Präambel der | |
| Verfassung Armeniens eine Passage enthalte, in der es eindeutig heißt, dass | |
| Bergkarabach Teil Armeniens sei. Baku behauptet, es könne nicht sicher sei, | |
| dass Armenien nicht doch Ansprüche an Aserbaidschan habe. Armenien hat | |
| seine eigene Antwort: Man habe sich bereits darauf geeinigt, das Abkommen | |
| zu unterzeichnen und dieses werde über der Verfassung stehen. Es ist | |
| schwierig, beide Seiten zu kritisieren. Wir alle warten auf Frieden | |
| zwischen Aserbaidschan und Armenien, der Frieden im Südkaukasus insgesamt | |
| hängt davon ab. | |
| taz: Inwieweit wirkt sich der Ukrainekrieg auf den Südkaukasus und die | |
| dortigen Konflikte aus? | |
| Zakareischwili: Wir beobachten den Krieg in der Ukraine genau, weil | |
| Russland als Aggressor auch eigene Ansprüche auf den Kaukasus geltend | |
| macht. Je nachdem, ob Russland seine Ziele in der Ukraine erreicht, kann es | |
| diese auch im Südkaukasus verwirklichen. Umgekehrt gilt: Wenn Russland | |
| seine Ziele in der Ukraine nicht erreichen kann, wird es entlang seiner | |
| gesamten Staatsgrenze, auch gegenüber dem Südkaukasus, schwächer. Kurzum: | |
| Nicht nur die Ukraine an sich ist wichtig, sondern auch wie Russland aus | |
| diesem Krieg herausgeht. | |
| taz: Wie hat sich Russlands Einfluss in der Region im Laufe der Jahre | |
| verändert? | |
| Zakareischwili:Moskau ist dabei, deutlich an Einfluss in der Region zu | |
| verlieren. Dementsprechend haben wir neue Akteure, wie die Türkei. | |
| taz: Und was ist mit China? | |
| Zakareischwili: Der Südkaukasus gleicht ein wenig einem Kohl: drei Staaten, | |
| drei Blätter und obendrüber drei externe Akteure mit Interessen im | |
| Südkaukasus – Iran, die Türkei und Russland. Etwas weiter oben gibt es noch | |
| ein Blütenblatt, die Nato und die EU. Innerhalb dieses Kohls schwelen immer | |
| noch ungelöste Konflikte, zumindest in Abchasien und Südossetien. Vor | |
| diesem Hintergrund hat, grob gesagt, China in diesem Kohl keinen Platz. | |
| Iran, die Türkei und Russland hingegen haben ihre eigenen zivilisatorischen | |
| Bindungen zum Südkaukasus, sei es durch Religion oder Sprache. In China | |
| gibt es nichts Vergleichbares. Das Einzige ist die Wirtschaft und das | |
| reicht nicht, um eine Expansion durchzuführen. Daher habe ich keine große | |
| Angst vor China. Sorgen hingegen bereiten mir strategische Allianzen mit | |
| China, die der Georgische Traum anstrebt. Das widerspricht eindeutig der | |
| georgischen Verfassung. | |
| 8 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kristina Marabyan | |
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