# taz.de -- Aserbaidschan und Armenien: Auf der Trump-Route zum Frieden? | |
> Präsident Alijew und Regierungschef Paschinjan unterzeichnen in | |
> Washington eine Vereinbarung. Der US-Präsident triumphiert. Nach ihm soll | |
> sogar ein Transportkorridor zwischen den Ländern benannt werden. | |
Bild: Stellen hier schon mal die TRIPP-Route nach: Ilham Aliyev (l) reicht Niko… | |
Berlin taz | Werden Armenien und Aserbaischan das Kriegsbeil endlich | |
begraben? Die beiden Südkaukasusrepubliken könnten einem Friedensabkommen | |
einen entscheidenden Schritt näher gekommen sein: Am Freitag | |
unterzeichneten der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew und der | |
armenische Regierungschef Nikol Paschinian in Anwesenheit von US-Präsident | |
Donald Trump im Weißen Haus in Washington eine Erklärung über einen | |
Verzicht auf eine militärische Konfrontation. | |
„Es ist uns gelungen, Frieden zu schaffen“, sagte Trump. „Sie haben 35 | |
Jahre lang gekämpft und jetzt sind sie Freunde.“ Nicht minder euphorisch | |
äußerte sich Alijew. Baku und Jerewan würden nun ein Ende der | |
Pattsituation, der Konfrontation sowie des Blutvergießens einleiten und | |
„unseren Kindern eine strahlende und sichere Zukunft bieten“, sagte er. | |
„Heute haben wir einen bedeutenden Meilenstein in den Beziehungen zwischen | |
Armenien und Aserbaidschan erreicht, indem wir den Grundstein dafür gelegt | |
haben, eine bessere Geschichte zu schreiben als die, die wir in der | |
Vergangenheit hatten“, kommentierte Paschinjan das Dokument, das noch kein | |
vollwertiger Friedensvertrag ist. Der genaue Wortlaut der Vereinbarung soll | |
am 11. August veröffentlicht werden. | |
Die territorialen Feindseligkeiten zwischen Baku und Jerewan gehen auf die | |
später 80er Jahre zurück. Der Krieg um die mehrheitlich von | |
Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach, der 1994 endete, kostete | |
30.000 Menschen das Leben. In den Folgejahren versuchte die Minsk-Gruppe | |
der OSZE unter der Leitung der USA, Frankreich und Russlands zwischen den | |
Konfliktparteien zu vermitteln, jedoch gelang es ihr nicht, eine friedliche | |
Lösung herbeizuführen. | |
## 44 Tage Krieg | |
Ende September 2020 brach erneut Krieg aus. Er dauerte 44 Tage, bis ein von | |
Russland vermittelter Waffenstillstand in Kraft trat. [1][Aserbaidschan | |
eroberte nicht nur sieben an Bergkarabach angrenzende und von Armenien | |
besetzte Kantone zurück, sondern auch Teile von Bergkarach selbst – | |
darunter die wichtige Stadt Suscha (arm.: Suschi.)] | |
Zum Showdown aus armenischer Sicht kam es im September 2023, als | |
aserbaidschanische Truppen mit freundlicher militärischer Unterstützung der | |
Türkei eine „antiterroristische Operation“ starteten. Die Regierung von | |
Bergkarabach kapitulierte, [2][die übergroße Mehrheit der 120.000 | |
Karabach-Armenier*innen wurde vertrieben.] Heute erkennt das offizielle | |
Jerewan Bergkarabach als souveränes Territorium Aserbaidschans an. | |
Seitdem verhandeln beide Seiten über einen Friedensvertrag, und seit März | |
dieses Jahres liegt ein entsprechender Text vor. Am 10. Juli trafen sich | |
Alijew und Paschinjan zu Gesprächen in Abu Dhabi, diese erbrachten jedoch | |
keine konkreten Ergebnisse. | |
Am Freitag in Washington ging es jedoch nicht nur um Fortschritte bei der | |
Finalisierung eines Friedensabkommen. Die USA unterzeichneten separate | |
Abkommen mit Aserbaidschan und Armenien, um die Kooperation in den | |
Bereichen Energie, Handel und Technologie, einschließlich künstlicher | |
Intelligenz, auszubauen. Trump hob zudem die Beschränkungen für eine | |
militärische Zusammenarbeit mit Baku auf, die 1992 unter der Regierung von | |
George H.W. Bush aufgrund des Ersten Karabach-Krieges verhängt worden | |
waren. | |
## Offene Handelsrouten | |
Ein entscheidender Punkt bei den Wirtschaftsbeziehungen ist auch die | |
Wiedereröffnung von Handelsrouten im Südkaukasus, die seit den 90er Jahren | |
geschlossen waren. Von besonderer Bedeutung dabei ist der sogenannte knapp | |
40 Kilometer lange Sangesur-Korridor, der in „Trump-Route für | |
internationalen Frieden und Wohlstand“ (TRIPP) umbenannt werden soll. | |
Er führt durch die zu Armenien gehörende südliche Region Sjunik und würde | |
Aserbaidschan mit der Autonomen Republik Nachitschewan (461.500 | |
Einwohner*innen) verbinden, die an die Türkei grenzt. Washington soll | |
Pachtrechte für den Transport-Korridor erhalten, das Projekt jedoch unter | |
armenischer Gerichtsbarkeit stehen. Die USA sollen das Land an ein privates | |
US-Unternehmen verpachten, das Bau und Verwaltung übernimmt. | |
In diesem Zusammenhang ist die Rede von einer Eisenbahnlinie, Öl- und | |
Gasleitungen sowie Glasfaserleitungen, um den Transport von Gütern und | |
Menschen zu ermöglichen. Die Verhandlungen über den Betreiber des Korridors | |
beginnen nächste Woche. | |
Trump erklärte am Freitag gegenüber Journalist*innen, die Route werde | |
Aserbaidschan mit seiner Exklave „unter vollem Respekt für die Souveränität | |
Armeniens“ verbinden. Armenien sei mit den USA eine Partnerschaft zum | |
Ausbau der Straße eingegangen, die auf bis zu 99 Jahre verlängert werden | |
könnte. | |
## Noch kein Grund zum Feiern | |
Das Projekt werde „Investitionen fördern und die Führungsrolle der USA als | |
Hauptakteur bei der Konfliktlösung stärken“, sagte Paschinjan. Alijew | |
merkte an, dass die „Trump-Route“ Barrieren in den Beziehungen zwischen den | |
beiden Ländern beseitigen werde. | |
Laut Laurence Broers von der Londoner Denkfabrik Chattam House sei es noch | |
zu früh, um die Einigung vom Freitag als Durchbruch feiern zu können. Dafür | |
fehlten noch zu viele Informationen. „Wir sind also noch nicht am Ziel, | |
auch wenn eine zunehmende Dynamik und ein erneuertes Engagement für den | |
Frieden natürlich willkommen sind“, zitiert ihn Radio Freies Europa. | |
Auch eine Reihe anderer Fragen ist immer noch offen. So hatte Alijew von | |
Armenien eine Änderung der Verfassung gefordert, da sie laut der Regierung | |
in Baku territoriale Ansprüche gegen Aserbaidschan enthalte. | |
Paschinjan hatte dem widersprochen und darauf hingewiesen, dass die | |
internationalen Verträge Armeniens Vorrang vor der nationalen Gesetzgebung | |
hätten. Auch hatte er die Möglichkeit eines Referendums nicht | |
ausgeschlossen. Dieses könne jedoch erst nach den Parlamentswahlen 2026 | |
stattfinden. | |
9 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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