# taz.de -- Konflikt Armenien und Aserbaidschan: Ein kleines Licht am Ende des … | |
> Zwischen Aserbaidschan und Armenien gibt es noch keinen Frieden. Doch | |
> menschlich steht man sich manchmal näher, als die Politik glauben ließe. | |
Bild: Das ehemals armenisch-besiedelte Bergkarabach wird nun von Aserbaidschan … | |
Seit November letzten Jahres haben die aserbaidschanischen Behörden | |
begonnen, erneut massiv gegen unabhängige Medien vorzugehen. Die Polizei | |
führte Razzien in den Redaktionen von Abzas Media und Toplum TV durch. Etwa | |
20 Journalisten wurden wegen erfundener inkriminierter Artikel festgenommen | |
und angeklagt. Journalisten, die nicht in der Lage waren, das Land zu | |
verlassen, waren von Festnahmen oder einem Ausreiseverbot bedroht. | |
Da Ayla ihre Heimat rechtzeitig verlassen konnte, begann sie ein neues | |
Leben im Exil und mietete eine Wohnung bei einer einheimischen Frau an, die | |
zufällig Armenierin war. Schon bald sollte sich herausstellen, dass die | |
Vermieterin sie in ihren schwierigsten Tagen unterstützten würde. | |
„Einen Monat, nachdem ich Aserbaidschan verlassen hatte, wurde ich von | |
einem Auto angefahren. Dabei brach ich mir den Arm. Psychisch war ich sehr | |
angeschlagen und beschloss, keine Anzeige bei der Polizei zu erstatten.“ | |
Weil ihre Vermieterin um den schwierigen Zustand von Ayla wusste, entschied | |
sie sich, ihr zu helfen. „Der Mann, der mich angefahren hatte, weigerte | |
sich, die Behandlung zu bezahlen. Meine Vermieterin musste sich von | |
Polizisten beschimpfen lassen, als sie versuchte, mich zu beschützen.“ | |
## Georgien ist ein multinationales Land | |
Georgien ist ein Nachbarland von Aserbaidschan. Wenn dort Aktivisten, | |
Journalisten und Mitglieder von Oppositionsparteien unter Druck geraten, | |
denken sie als Erstes daran, in Georgien Zuflucht zu suchen. Ein weiterer | |
wichtiger Aspekt ist, dass Georgien ein multinationales Land ist: Armenier, | |
Griechen, Kurden und Aserbaidschaner beispielsweise können kommunizieren | |
und haben häufig ein gemeinsames Umfeld. | |
Wie gesagt: Auch in den schwierigsten Momenten ließ Aylas Vermieterin sie | |
nicht allein. Dabei hatte Aserbaidschan erst vor wenigen Monaten, am 19. | |
und 20. September 2023, [1][eine „Antiterroroperation“ in Stepanakert | |
(Khankendi) durchgeführt, die mit der ethnischen Säuberung von | |
Armenier:innen endete.] Innerhalb von zwei Wochen mussten 120.000 | |
armenische Einwohner fliehen. | |
Bis zum 21. September 2020, noch vor Kriegsbeginn, hatten sich die | |
Zivilgesellschaft und Journalisten an zahlreichen friedenserhaltenden | |
Aktivitäten beteiligen oder Materialien über den Konflikt erstellen können. | |
Allerdings herrschte auch in dieser Hinsicht keine völlige Freiheit. | |
Wenn ein aserbaidschanischer Bürger im Zusammenhang mit einem Projekt an | |
internationalen Treffen in Armenien oder Bergkarabach (Arzach) teilnahm, | |
erwartete ihn oder sie nach der Reise ein weiteres Treffen – allerdings mit | |
den Strafverfolgungsbehörden Aserbaidschans. | |
## Inhaftierung als „Volksfeinde“ | |
Nach dem Krieg veränderte Aserbaidschan seine Gangart. Da die unabhängige | |
Zivilgesellschaft bis auf die Grundmauern zerstört wurde und nur noch | |
regierungsfreundliche Organisationen übrig sind, dürfen Journalisten und | |
Aktivisten im Großen und Ganzen „nicht“ über den Konflikt und den Frieden | |
mit den Armeniern sprechen. Dieses Recht ist eine heikle Angelegenheit und | |
den Behörden vorbehalten. | |
Während des Krieges schlossen sich [2][Journalisten und Aktivisten] – meist | |
Menschen unterschiedlicher sozialer Gruppen und Nationalitäten – zusammen | |
und forderten in einem Brief ein Ende des Krieges. Das genügte, um die | |
Beteiligten Beleidigungen, Drohungen und Verhören durch die | |
Strafverfolgungsbehörden auszusetzen. | |
Damals schien sich niemand um die Forderung nach Frieden und einem Ende des | |
Krieges zu kümmern. Doch nach einiger Zeit brachten Aktivisten dieses Thema | |
zur Sprache – sahen sich dann aber mit vielen Problemen konfrontiert. Auch | |
ein Studium der Geschichte rettete einige nicht vor der Inhaftierung als | |
„Volksfeinde. | |
Iqbal Abilow ist ein junger Historiker, von dem man nicht erwartet hätte, | |
dass er für die Haltung armenischer Historiker verantwortlich gemacht | |
werden würde. Der Historiker, der in Belarus aufgewachsen ist und dort | |
studiert hat, wird beschuldigt, Skype zu nutzen, um mit armenischen | |
Kollegen in Kontakt zu bleiben. Besagte Kollegen, Vardan Voskanian und | |
Garnik Asatrjan, sollen angeblich für den armenischen Sicherheitsdienst | |
arbeiten, was jedoch nicht nachweisbar ist. Auch das änderte nichts an der | |
Situation von Iqbal Abilow. | |
## Die Propagandamaschine Aserbaidschans läuft auf Hochtouren | |
Im August dieses Jahres, wurde ein junger wissenschaftlicher Mitarbeiter an | |
der Karls-Universität in Prag, Bahruz Samadow, festgenommen. Samadow ist | |
vor allem für seine Kritik an der aserbaidschanischen Regierung und deren | |
Militäraktionen gegen die Armenier bekannt. Mit der | |
gesellschaftspolitischen Lage in Aserbaidschan ging er hart ins Gericht. | |
Auch hatte er sich Aktivisten angeschlossen, die gegen den Krieg in | |
Bergkarabach sind. | |
Mittlerweile ist klar, dass die aserbaidschanischen Behörden keine Eile | |
haben, Frieden mit Armenien zu schließen. [3][Sie denken nicht einmal | |
darüber nach, welchen Schaden diese Situation einfachen Menschen zufügen | |
könnte.] | |
Die Propagandamaschine in Aserbaidschan läuft auf Hochtouren – sogar Aylas | |
Mutter hat sie davor gewarnt, ihrer Vermieterin zu vertrauen, „weil diese | |
Armenierin ist“. „Als meine Mutter mich besuchte, habe ich sie einander | |
vorgestellt. Sie sind Freundinnen geworden …“. Aylas Geschichte ist wie ein | |
kleines Licht am Ende des Tunnels – aber klappt das vielleicht auch mit | |
Diplomatie? | |
Ayla Mansurova heißt anders und ist eine Journalistin aus Aserbaidschan. | |
Die 30-Jährige verließ ihr Heimatland nach einer Razzia in ihrer Redaktion. | |
Jetzt lebt sie in der georgischen Hauptstadt Tbilisi. | |
8 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Osteuropa-Workshop-und-Bergkarabach/!6005449 | |
[2] /Presse-in-Aserbaidschan/!5974858 | |
[3] /Aserbaidschanische-Einflussnahme/!5990919 | |
## AUTOREN | |
Aytan Farhadova | |
## TAGS | |
Osteuropa – ein Gedankenaustausch | |
Armenien | |
Aserbaidschan | |
Meinungsfreiheit | |
Propaganda | |
Friedensverhandlungen | |
Schwerpunkt Bergkarabach | |
Aserbaidschan | |
COP29: Klimakonferenz in Baku | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Armenien und Aserbaidschan: Friedensabkommen im Südkaukasus | |
Armenien und Aserbaidschan haben sich auf ein Friedensabkommen geeinigt. | |
Zuletzt war 2023 Krieg zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken | |
ausgebrochen. | |
Frieden in der Ukraine: Faule Deals | |
Donald Trump behauptet, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine | |
innerhalb kürzester Zeit beenden zu können. Ist das realistisch? | |
Konflikt um Bergkarabach: Armenien in Alarmbereitschaft | |
Ein Jahr nach der Flucht von hunderttausend Menschen aus Bergkarabach | |
bleibt die Lage in Armeniens Grenzdörfern angespannt. Besuche vor Ort. | |
Konflikt um Bergkarabach: Wasser als Waffe | |
Nach der Rückeroberung von Bergkarabach hat Aserbaidschan dort massiv in | |
den Ausbau der Wasserkraft investiert. Mit welchem Kalkül? | |
Klimakonferenz in Aserbaidschan: „Ein Versuch, Krieg reinzuwaschen“ | |
Der nächste Weltklimagipfel findet in Aserbaidschan statt – trotz fataler | |
Menschenrechtslage, Aggressionen gegen Armenien und der Gunst Russlands. |