| # taz.de -- Südosseten im Ukraine-Krieg: Sterben für Putin | |
| > Freiwillige aus Südossetien kämpfen in der Ukraine. Die von Georgien | |
| > abtrünnige Republik ist politisch und wirtschaftlich von Russland | |
| > abhängig. | |
| Bild: Zchinwali, Südossetien. In der Ukraine kämpfen Menschen aus der abtrün… | |
| „Wir sterben, damit Georgien lebt“. Dieser Satz stand vor einigen Monaten | |
| auf Häuserwänden im Zentrum der georgischen Hauptstadt Tbilissi auf. | |
| Bereits 36 Freiwillige aus der südkaukasischen Republik sind in der Ukraine | |
| ums Leben gekommen, beim Kampf gegen die Armee Russlands. Aber es sterben | |
| nicht nur sie. In der Ukraine kämpfen auch Menschen aus den abtrünnigen | |
| georgischen Regionen Südossetien und Abchasien – jedoch auf Seite | |
| Russlands. | |
| Das bisher letzte Kriegsbegräbnis in Zchinwali, der Hauptstadt der nicht | |
| anerkannten Republik Südossetien, fand am 11. Januar statt. Bestattet wurde | |
| der 21-jährige Tamerlan Ostaew, der als Freiwilliger in den Krieg gezogen | |
| war. Das regionale Nachrichtenportal „E-Osetia“ schreibt, dass er bereits | |
| am 26. September „in Kämpfen mit ukrainischen Neonazis“ umgekommen sei, | |
| aber es erst Monate später gelungen war, seine Leiche nach Südossetien zu | |
| überführen. Ostaew ist mindestens der dreiundzwanzigste südossetische | |
| Freiwillige, der seit dem 24. Februar 2022 in der Ukraine ums Leben kam. | |
| In Südossetien leben schätzungsweise 53.000 Menschen. Im August 2008 brach | |
| hier ein Krieg aus. Wie es in dem Bericht der Europäischen | |
| Untersuchungskommission heißt, versuchte Georgien „nach einer Reihe von | |
| Provokationen“, die Kontrolle über die abtrünnigen Regionen | |
| wiederzuerlangen. Russland, das in den Jahren zuvor begonnen hatte, an die | |
| Einwohner der nicht anerkannten Republik Pässe auszugeben, verteidigte | |
| „seine Staatsbürger“. Der Krieg endete mit einer Niederlage Georgiens, | |
| Russland erkannte anschließend die Unabhängigkeit Südossetiens an. Dies | |
| taten auch Venezuela, Nicaragua, Syrien und der pazifische Inselstaat | |
| Nauru. | |
| ## Gründe für freiwilligen Kriegseinsatz | |
| Der Konfliktforscher Zurab Bendianischwili erklärt, dass sich sowohl | |
| Süodosseten als auch Georgier als Freiwillige für die Ukraine meldeten, | |
| weil sie keinen Krieg im eigenen Land wollen. Nicht, weil sie wirklich | |
| glaubten, dass es in der Ukraine Neonazis gäbe. „Sie kämpfen, weil sie | |
| Angst vor einer Niederlage Russlands haben“, so Bendianischwili. | |
| Der 56-Jährige hat viele Jahre in Zchinwali gelebt und pflegt seine | |
| Kontakte dorthin bis heute. Nach dem Krieg von 2008 gründete er [1][eine | |
| Nichtregierungsorganisation für Begegnungen zwischen Georgiern und | |
| Osseten], um die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den | |
| Menschen wiederherzustellen | |
| ## Aktueller Konflikt mit langer Geschichte | |
| [2][Der Krieg von 2008 war allerdings auch nicht der erste Konflikt]. | |
| Bereits 1991, in der Zeit des Zerfalls der Sowjetunion, hatte Südossetien, | |
| das damals noch Teil Georgiens war, seine Unabhängigkeit erklärt. Georgien | |
| weigerte sich, diese anzuerkennen und entsandte Truppen. | |
| In Zchinwali wird befürchtet, dass Georgien das wiederholen könne. Und | |
| allein die Tatsache, dass Georgien sich um einen EU-Beitritt bemüht, kann | |
| vielen von Zurabs Bekannten diese Angst nicht nehmen. „Sie glauben nicht, | |
| dass Europa irgendjemanden schützen könne“, sagt er. Darüber hinaus hängt | |
| Südossetien wirtschaftlich völlig von Russland ab. Russland finanziert zu | |
| hundert Prozent die Arbeit der Regierung der nicht anerkannten Republik. | |
| Die Menschen ernähren ihre Familien mit russischem Geld und bekommen | |
| russischen Renten. Sie sind schlicht 'verpflichtet, Russland zu | |
| unterstützen’“. | |
| ## Kehrseiten der russischen Staatsbürgerschaft | |
| [3][Doch russische Pässe und russisches Geld haben auch ihre Kehrseite]. | |
| Für Männer zwischen 18 und 30 Jahren mit russischer Staatsangehörigkeit | |
| bedeutet das, zur Armee oder in den Krieg zu müssen. Doch längst nicht alle | |
| sind bereit zu kämpfen. Viele erhoffen sich seit vergangenem Februar von | |
| Zurab Hilfe beim Erhalt der georgischen Staatsbürgerschaft. „Nicht, um Teil | |
| der georgischen Gesellschaft zu werden, sondern um nach Europa emigrieren | |
| zu können.“ | |
| Viele dieser Anträge werden abgelehnt. Zurab kann nicht abschließend | |
| erklären, warum. Einerseits hat die georgische Regierung das | |
| Einbürgerungsverfahren für Menschen aus den abtrünnigen Regionen | |
| vereinfacht. Andererseits emigrieren aus Georgien jährlich Zehntausende | |
| Menschen und die Regierung möchte hier die Statistik nicht noch mehr | |
| verschlechtern. | |
| Zurab vermutet, dass derzeit auf Seiten der russischen Armee einige hundert | |
| Freiwillige aus Südossetien kämpfen. Und trotz der Abhängigkeit von | |
| Russland betrachten die Familien der Freiwilligen deren Einsatz nicht als | |
| notwendiges Opfer. „Das Leben der jungen Leute ist für sie sehr viel | |
| wichtiger als ein Sieg des Kremls“, so der Konfliktforscher. | |
| Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die georgisch-ossetischen | |
| Beziehungen? Zurab erinnert daran, dass die Freiwilligen auch schon früher | |
| zum Kämpfen in die Ostukraine gegangen sind. Jetzt seien Begegnungen | |
| schwieriger geworden, aber „wir werden deshalb nicht zu Feinden“. | |
| Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
| 25 Mar 2023 | |
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| [3] /Referendum-ueber-Beitritt-zu-Russland/!5845618 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sandro Gvindadze | |
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