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# taz.de -- Russisch-georgische Beziehungen: Visafrei nach Moskau
> Viele Georgier*innen stehen Russland skeptisch gegenüber. Doch der Kerml
> versucht offenbar, sanft politischen Druck auf das Land im Süden
> auszuüben.
Bild: Menschen gehen im März in Tbilisi auf die Straße, um gegen die sogenann…
Berlin taz | Georgier*innen können künftig wieder visafrei nach
Russland einreisen. Ein Visum wird jedoch nötig, sollten sie dort länger
als 90 Tage bleiben oder eine Arbeit aufnehmen wollen. Zudem will Moskau
Direktflüge nach Tbilisi, die Hauptstadt der Südkaukasusrepublik, wieder
aufnehmen. Laut Angaben des russischen Außenministeriums sollen es sieben
Direktflüge pro Woche geben. Entsprechende Dekrete, die Kremlchef Wladimir
Putin Mitte dieser Woche unterschrieben hatte, sollen am kommenden Montag
in Kraft treten.
Das Visaregime hatte Russland im Jahr 2000 mit dem Ziel des
Anti-Terror-Kampfes eingeführt, Georgien zog kurz darauf nach. Als Folge
des russisch-georgischen Krieges um die Region Südossetien 2008 – Russland
hält seitdem mit Abchasien und [1][Südossetien 20 Prozent des georgischen
Staatsgebietes besetzt] – brach Tbilisi die beiderseitigen diplomatischen
Beziehungen ab. 2012 hob der damalige georgische Staatschef [2][Michail
Saakaschwili] die Visapflicht für Russ*innen wieder auf.
Direktflüge von Russland nach Georgien waren am 20. Juni 2019 durch ein
Putin-Dekret aufgehoben worden. Grund dafür waren Massenproteste in
Tbilisi, deren Auslöser der russische Duma-Abgeordnete Sergei Gawrilow war.
Er hatte im Rahmen einer Veranstaltung auf dem Sessel des georgischen
Parlamentspräsidenten Platz genommen – für viele Georgier*innen eine
Provokation.
Diese ablehnende Haltung eines Großteils der georgischen Gesellschaft
gegenüber allem Russischen hat sich seit dem Beginn von Moskaus
Angriffskrieg gegen die Ukraine eher noch verstärkt. Unlängst musste die
Regierung einen Gesetzesentwurf unter dem [3][Druck von Protesten fallen
lassen], der finanziell aus dem Ausland unterstützte [4][Medien und
Nichtregierungsorganisationen] nach russischem Vorbild zu „ausländischen
Agenten“ erklärt hätte.
## Verbot von „LGBTQ-Propaganda“
Anfang Mai distanzierte sich die Regierungspartei Georgischer Traum in
weiser Voraussicht von Plänen ihres Verbündeten, der Sozialistischen
Partei, einen Gesetzesentwurf über ein Verbot von „LGBTQ-Propaganda“ im
Parlament einzubringen.
Bei der Außenpolitik der Partei Georgischer Traum ist jedoch eine
Hinwendung nach Russland unübersehbar, während sie sich gleichzeitig
zunehmend vom Westen distanziert. So hat sich die Führung in Tbilisi nicht
den Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges angeschlossen.
Begründet worden war das mit der „Gefahr, eine zweite Front zu eröffnen“.
Gleichzeitig haben Zehntausende Russ*innen, vor allem, seit der
Teilmobilisierung vom vergangenen Herbst, Zuflucht in Georgien gesucht.
Viele Georgier*innen beobachten diese Entwicklung mit Argwohn, weckt
diese doch Ängste vor einer russischen Landnahme der anderen Art.
Russlands Außenminister Sergei Lawrow hatte bereits im Januar davon
gesprochen, Direktflügen zwischen Moskau und Tbilisi hatte wieder
aufzunehmen. „Wir sehen, wie sehr Georgien, wie fast alle anderen Länder
auch, unter dem Druck des Westens steht, der öffentlich fordert, sich den
Sanktionen gegen die Russische Föderation anzuschließen“, sagte Lawrow.
„Dieses kleine Land und seine Regierung haben den Mut, zu sagen, dass sie
sich von ihren Interessen, den Interessen ihrer Wirtschaft leiten lassen.
Das verdient Respekt.“
## Keine offizielle Erlaubnis
Die Reaktionen auf Wladimir Putins Dekrete vom 10. Mai stießen in Tbilisi
auf unterschiedliche Reaktionen. Wirtschaftsministerin Mariam Kwriwischwili
beeilte sich zu sagen, Georgien sei für Flüge russischer Fluggesellschaften
offen, jedoch nur solcher, die nicht von westlichen Sanktionen betroffen
seien. Bisher habe Tbilisi noch keine offizielle Erlaubnis erteilt.
Die Antwort von Staatspräsidentin Salomé Surabischwili fiel, wie erwartet,
harsch aus. „Eine weitere russische Provokation! Die Wiederaufnahme von
Direktflügen und die Abschaffung der Visaregelung mit Georgien ist
inakzeptabel, solange Russland seine Aggression in der Ukraine fortsetzt
und unser Gebiet besetzt“, schrieb sie auf Twitter.
Die Kandidatur Surabischwilis für das höchste Staatsamt war seinerzeit vom
Georgischen Traum unterstützt worden. Surabischwili, seit [5][2018
Präsidentin und qua Verfassung mit bescheidenen Machtbefugnissen]
ausgestattet, ist mittlerweile zu einer Gegenspielerin der Regierung
avanciert – vor allem in Sachen Ukraine-Krieg.
Auch von der Oppositionspolitikerin und Parlamentsabgeordneten Ana
Zitlidze, kam scharfe Kritik. „Wieder einmal ist deutlich geworden, dass
für die Regierung in Georgien Russland und Putin Verbündete sind. Diese
Entscheidung kann als weitere Stellungnahme betrachtet werden, was der
Georgische Traum seit elf Jahren und besonders in letzter Zeit getan hat,
um dem europäischen Kurs zu schaden sowie dem Verfahren zur Erlangung des
EU-Kandidatenstatus.“
Dieser Status war Tbilisi im Juni vergangenen Jahres verweigert worden.
Stattdessen muss das Land einen 12-Punkte-Plan abarbeiten. Dieser sieht
wichtige Reformen vor – Stichworte sind Errichtung einer unabhängigen
Justiz, De-Oligarchisierung sowie Antikorruptionskampf.
Doch was will Russland mit dieser Entscheidung politisch erreichen? Das
fragte sich auch der Politikanalyst Gija Chuchaschwili – und hat eine These
parat: „Russland war der Ansicht, dass die Grundlage für die
Wiedereingliederung Georgiens ausreicht und hat eine entsprechende
strategische Entscheidung getroffen. Für Russland ist es vor dem
Hintergrund des verlorenen Krieges in der Ukraine besonders wichtig, zu
demonstrieren, wie ein gelungenes Beispiel für die Rückkehr eines
postsowjetischen Landes in seinen Orbit mit Softpower aussieht.“
12 May 2023
## LINKS
[1] /Suedosseten-im-Ukraine-Krieg/!5924189
[2] /Menschenrechte-in-Georgien/!5904446
[3] /Georgien-stimmt-gegen-NGO-Gesetzentwurf/!5921111
[4] /Georgien-stimmt-gegen-NGO-Gesetzentwurf/!5921111
[5] /Salome-Surabischwili-gewinnt-Stichwahl/!5554745
## AUTOREN
Barbara Oertel
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