# taz.de -- Selenski von ESC ausgeschlossen: Höhepunkt der Heuchelei | |
> Der ukrainische Präsident darf beim ESC kein Grußwort halten. Begründung: | |
> Der Abend sei unpolitisch. Aber was sollen dann die gelb-blauen Farben? | |
Bild: Gaststar Aljoscha aus der Ukraine beim ESC in Liverpool | |
Der Eurovision Song Contest (ESC) scheitert in diesem Jahr aufs | |
Unangenehmste an seiner eigenen Ideologie, eine reine | |
Unterhaltungsveranstaltung zu sein. Schon immer war das reine Behauptung, | |
schon immer wurde die Bühne für politische Botschaften genutzt, und schon | |
immer hat der ESC immer dann darauf gepocht, unpolitisch zu sein, wenn es | |
politisch heikel wurde – erinnert sei an die Austragung in Aserbaidschan | |
oder das Verbot des georgischen Beitrags „We Don’t Wanna Put In“. | |
Der ESC ist neben Fußballturnieren und EU-Parlamentswahlen der einzige | |
Moment, in dem ganz Europa zusammenkommt. „United by Music“ (Vereint durch | |
Musik), lautet auch das diesjährige Motto des Eurovision Song Contest, | |
dessen Finale an diesem Samstag ausgetragen wird. Dass die Organisatoren | |
dieses kontinentalen Schlagerpop-Wettbewerbs [1][nun ausgerechnet den | |
ukrainischen Präsidenten von der Veranstaltung ausschließen], statt sich | |
mit ihm zu verbinden, ist der Höhepunkt [2][einer sowieso schon | |
heuchlerischen Ausgabe dieser altehrwürdigen Veranstaltung]. | |
Eigentlich hätte sich der diesjährige ESC „ESC in Exile“ nennen müssen. | |
Denn er hätte nach den Regeln eigentlich in der Ukraine stattfinden müssen | |
– eine ukrainische Band gewann im vergangenen Jahr. Die Ukraine erklärte | |
sich freudig bereit, die Veranstaltung trotz des Kriegs ausrichten zu | |
wollen. Doch die Organisatorin des ESC, die European Broadcasting Union, | |
lehnte dankend ab und beschloss, die Show im fernen Liverpool stattfinden | |
zu lassen. | |
Was für ein Unfair Play, der Ukraine diesen Wunsch abzuschlagen. Was wäre | |
es für ein großer europäischer Moment gewesen, wenn der ganze Kontinent der | |
Ukraine hätte dabei zuschauen können, wie sie das Leben feiert und sich | |
europäische Künstler und Künstlerinnen in praktischer Solidarität üben. Die | |
Begründung der Organisatoren, die Regeln des ESC machten es unmöglich, dass | |
Selenski spreche, weil die Veranstaltung unpolitisch sei, ist absurd. | |
## Herzmotive in blau-gelb | |
Es stellt sich die Frage, welche unpolitische Aussage der ESC eigentlich | |
tätigen will, indem er seine Moderatorinnen in blau-gelbe Kostüme steckt, | |
sein Herzmotiv blau-gelb färbt? Unfreiwillig enthüllt der ESC, was sowieso | |
schon lange kritisiert wird: dass hinter der Geste, alles mögliche in | |
blau-gelbe Farbe zu tunken, vor allem eines ist: die Vermarktung des guten | |
Gewissens. Das Fahneschwenken als Zeichen, auf wessen Seite man steht, wird | |
immer bedeutungsloser. Jedenfalls dann, wenn „auf der Seite der Ukraine | |
stehen“ bedeutet, dass man die Wünsche der Ukraine nicht berücksichtigt. | |
Abgesehen davon wäre es spannend gewesen, was der aus der | |
Unterhaltungsbranche kommende Präsident Selenski einem vermeintlich | |
unpolitischen Publikum zu sagen gehabt hätte. | |
12 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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