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# taz.de -- Georgien und Ukrainekrieg: Böses Erwachen
> Georgien bemüht sich im Ukrainekrieg um Unparteilichkeit. Dabei ist das
> Land in den vergangenen Monaten deutlich an Russland herangerückt.
Bild: Proteste für den ehemaligen georgischen Staatspräsidenten Saakaschwili …
Berlin taz | Unter dem Titel „Nicht für uns: Warum sich [1][Georgien immer
weiter Putin annähert]“ analysierte Wladimir Krawtschenko, Kolumnist für
internationale Politik des ukrainischen Webportals Zerkalo nedeli, unlängst
die Beziehungen zwischen Kyjiw und Tbilissi. Das Verhältnis, so der
ernüchternde Befund, habe seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen
die Ukraine am 24. Februar 2022 massiv gelitten.
„Georgien bewegt sich auf dem dünnen Eis der Neutralität und ist in den
vergangenen Monaten immer deutlicher weg von der Ukraine und dem Westen in
Richtung Russland abgedriftet“, schreibt Krawtschenko. „Die georgische
Regierung versucht, zwischen Kyjiw und Moskau, dem Westen und Russland zu
balancieren. Daraus will sie auch noch eigenen Profit ziehen.“
Die Fakten, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, sprechen für sich. Die
Regierungspartei Georgischer Traum (KO), seit 2012 an der Macht und einer
gewissen Nähe zu Russland verdächtig, hat sich den westlichen
Russland-Sanktionen wegen des Ukrainekriegs nicht angeschlossen. Eine Bitte
Kyjiws nach Überlassung von Buk-Luftabwehrsystemen, die Georgien in den
nuller Jahren in der Ukraine gekauft hatte, wurde vor Kurzem abschlägig
beschieden.
Damit einher geht eine entsprechende Rhetorik führender Vertreter*innen
der KO, die die georgische Opposition, aber auch westliche
Politiker*innen und Diplomat*innen beschuldigen, Georgien in den
Krieg hineinziehen zu wollen.
Die vornehme Zurückhaltung der Südkaukasusrepublik findet in Russland, das
mit den Regionen Abchasien und Südossetien 20 Prozent des georgischen
Territoriums besetzt hält, Anklang. In einer Pressekonferenz am 18. Januar
2023 nannte Außenminister Sergei Lawrow die Entscheidung der georgischen
Regierung, sich nicht den Sanktionen anzuschließen, mutig und lobte deren
Bemühen, sich westlichem Druck zu widersetzen. Zudem begrüßte er die
Möglichkeit, alsbald wieder Direktflüge zwischen der Russischen Föderation
und Georgien aufzunehmen.
Dieser Vorschlag geht auf den Duma-Abgeordneten Sergei Gawrilow zurück –
jenen Mann, dessen Auftritt im georgischen Parlament 2019 in Tbilissi zu
gewaltsamen Massenprotesten mit über 200 Verletzten geführt hatte. Gawrilow
empfahl unlängst, nicht nur den Flugverkehr, sondern auch die
diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wiederherzustellen.
## Abkehr vom Westen
Auch innenpolitisch sind in Georgien Tendenzen einer Abkehr vom Westen
unübersehbar. Ein Beispiel dafür ist der [2][Umgang mit Michail
Saakaschwili]. Der frühere Staatspräsident, der ukrainischer Staatsbürger
ist, verbüßt wegen Amtsmissbrauchs in Georgien eine sechsjährige
Haftstrafe. Trotz schwerwiegender gesundheitlicher Probleme und ungeachtet
zahlreicher, auch internationaler Appelle wird ihm eine medizinische
Behandlung im Ausland verweigert. Die Causa Saakschwili hat mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts, dafür aber umso mehr mit einem
persönlichen Rachefeldzug zu tun, der politisch motiviert ist.
Für Aufregung sorgte auch die Ankündigung einer Gruppe von formal
unabhängigen, jedoch der KO nahestehenden Abgeordneten namens „Volksmacht“,
zeitnah einen Gesetzentwurf über sogenannte ausländische Agenten im
Parlament einzubringen. So sollen sich Medien und
Nichtregierungsorganisationen, die mindestens 20 Prozent ihrer Mittel im
Ausland generieren, in ein spezielles Register eintragen lassen. Bei
Zuwiderhandlung drohen Geldstrafen von umgerechnet 9.000 Euro. Die
Betroffenen fürchten mit einem Blick auf Russland, dass sie stumm
geschaltet werden sollen. Zu Recht, denn die KO hat bereits Zustimmung
signalisiert.
Der Schlingerkurs der Regierungspartei steht in krassem Gegensatz zu den
Wünschen weiter Teile der Gesellschaft, die durch Georgiens Niederlage im
russisch-georgischen Krieg um Südossetien 2008 nachhaltig traumatisiert
ist. Bei Umfragen spricht sich eine Mehrheit regelmäßig für einen Beitritt
zur Nato und EU aus. Daher verwundert es nicht, dass viele die Absage
Brüssels im vergangenen Juni, Georgien zu einem EU-Beitrittskandidaten zu
machen, als Schlag ins Gesicht empfanden. Hinzu kommt, dass der Zuzug
zehntausender Russ*innen vor allem seit der Teilmobilmachung im
vergangenen Herbst die georgische Gesellschaft ohnehin vor eine
Zerreißprobe stellt.
Es gehe Russland nicht darum, die Beziehungen zu Georgien zu normalisieren,
sondern dort nach einem stärkeren ideologischen Standbein zu suchen, heißt
es in einem Meinungsbeitrag des Webportals jam.news. „Moskau dürfte den
Druck auf die Regierung Georgiens erhöhen, damit sich diese angesichts der
Konfrontation mit dem Westen besser an die neue Moskauer Realität anpasst.“
Das lässt nicht Gutes erwarten.
24 Feb 2023
## LINKS
[1] /Gesetz-in-Georgien/!5916476
[2] /Gesetz-in-Georgien/!5916476
## AUTOREN
Barbara Oertel
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