Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Georgisches NGO über Agenten-Gesetz: „Ein strategischer Schritt …
> Der Jurist Guram Imnadse hält die Rücknahme des umstrittenen NGO-Gesetzes
> in Georgien für eine Farce. Die Regierung bewege sich in Richtung
> Russland.
Bild: Mehr als 80 Prozent der Georgier stehen hinter einem EU-Beitritt – Prot…
taz: Seit Dienstagabend ist Ihre NGO mit tausend anderen auf der Straße, um
gegen das „Agenten-Gesetz“ zu protestieren. Was würde sich ändern?
Guram Imnadse: Erst einmal ist es ein deutlicher demokratischer Rückschritt
und eine geopolitische Verschiebung, da es sich klar gegen den
pro-westlichen Weg richtet, den die georgische Verfassung garantiert.
Gleichzeitig schafft es ernsthafte Probleme für NGOs und unabhängige
Medien, insbesondere für kleine Online-Medien. Zum Beispiel kennzeichnet
der Gesetzesentwurf Organisationen wie uns als „ausländische Agenten“,
obwohl wir im Sinne unserer Bevölkerung handeln, vor allem
schutzbedürftiger Menschen. Eigentlich ist dieser Gesetzesentwurf Teil
eines größeren Problems, einer größeren Kampagne, die [1][vor etwa zwei
Jahren begann] und darauf abzielt, den zivilgesellschaftlichen Sektor zu
delegitimieren.
Wie meinen Sie das?
Es heißt, wir seien gegen den Staat und die staatlichen Interessen, zum
Beispiel gegen die Kirche. Georgien ist ein ziemlich konservatives Land und
unsere Gesellschaft ist religiös. Es funktioniert also. Dieser neue Entwurf
legalisiert die Regierungsbehauptungen formal. Darüber hinaus enthält der
Entwurf besonders problematische Änderungen: Er gewährt einigen staatlichen
Institutionen, wie dem Justizministerium, Zugriff auf alle Informationen,
die in der Organisation gespeichert sind, einschließlich personenbezogener
Daten, auch unserer Begünstigten. Bei Medien könnten Angaben zu Quellen
gemacht werden. Eine Bedrohung der Informationsfreiheit.
Ihre NGO könnte gar nicht mehr arbeiten, weil Sie ausländische Gelder
bekommen…
Ja, unsere Partner sind ausländische Akteure: die USA oder die Europäische
Kommission. Wir haben keine Gelder von georgischen Akteuren oder
Institutionen. Aber das bedeutet nicht, dass wir lediglich im Interesse
dieser Spender handeln. Wir verwenden diese finanzielle Hilfe nur, um
unsere Visionen und Prinzipien effektiv umzusetzen und den Menschen in
Georgien zu helfen.
In den vergangenen Jahren hat die Regierung der Partei Georgischer Traum
nicht alle Versprechen gehalten. Haben Sie sich darüber gefreut, dass sie
den Gesetzesentwurf nun zurückziehen möchte?
Die einzige Möglichkeit, den Entwurf zurückzuziehen, besteht darin, in
einer zweiten Plenarsitzung tatsächlich dagegen zu stimmen. Sie haben die
Mehrheit, so haben sie am vergangenen Dienstag dafür gestimmt. Sie wollen
es zurückziehen, aber gleichzeitig sagen sie, dass es notwendig ist. Ich
sehe es also als einen strategischen Schritt zurück. Und jetzt werden sie
ihre Propagandainstrumente einsetzen, um ihre Ziele und Wünsche
durchzubringen.
Die [2][pro-russische Gruppe Macht des Volkes hat den Entwurf initiiert].
Seit Jahren steckt sie hinter einer wirksamen Medienstrategie in Georgien.
Auch der Russland-nahe Milliardär Bidzina Iwanischwili, Gründer des
Georgischen Traums, bleibt im Land einflussreich…
Ganz genau. Selbst wenn das Parlament diesen Entwurf jetzt nicht annimmt,
wird die schmutzige Propaganda gegen den zivilgesellschaftlichen Sektor und
gegen westliche Partner mit Sicherheit fortgesetzt. Heute Morgen wachten
wir mit Plakaten an den Wänden auf, die die Aktivisten als Verräter
bezeichneten.
Etwa 80 Prozent der Bevölkerung [3][steht hinter einem EU-Beitritt]
Georgiens. Wie gespalten ist die georgische Gesellschaft?
Ja, sie ist sehr gespalten, und dafür gibt es zwei Hauptfaktoren. Zunächst
einmal sind die Oppositionsparteien in diesem Land wirklich schwach und
auch delegitimiert. Das ist der Grund, warum die Regierungspartei
Georgischer Traum immer noch so viele Wähler hat. Der zweite Grund ist,
dass sich die Regierungspartei immer noch als pro-westlich bezeichnet. Sie
haben nicht offiziell erklärt, dass sie ihren politischen Kurs ändern und
sich in Richtung einer pro-russischen Politik bewegen. Der Georgische Traum
nutzt aber Informationsmittel und Propaganda, um zum Beispiel das Narrativ
zu verbreiten, dass der Westen versucht, Georgien in einen Krieg gegen
Russland zu verwickeln, um so eine zweite Kriegsfront zu schaffen. Deshalb
hat die Unterstützung für den Westen in den letzten Monaten in unserer
Gesellschaft nachgelassen.
Im Juni vergangenen Jahres bekam die Ukraine den EU-Kandidatenstatus,
Georgien nur eine Empfehlung. War es ein Fehler der EU, Georgien nicht
gleich auch als EU-Kandidat mit an Bord zu nehmen?
Absolut, meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, wenn Georgien im Juni
2022 den EU-Kandidatenstatus bekommen hätte, denn unsere Regierung hätte
dann weniger Spielraum für solche Manöver gehabt. Aber ich denke, es ist
noch nicht zu spät, um für den Kandidatenstatus zu kämpfen. Wir tun unser
Bestes und zwingen unsere Regierung, alle notwendigen Reformen umzusetzen,
um allen zwölf Empfehlungen der Europäischen Kommission nachzukommen. Aber
wir wissen, dass sich die Regierung der Tatsache bewusst ist, dass diese
Reformen möglicherweise nicht ihrem eigenen Interesse dienen. Spürbare
Reformen in der Justiz oder die Stärkung unabhängiger staatlicher
Institutionen werden sicherlich den politischen Einfluss der
Regierungsparteien schwächen. Und mit dieser Idee sind sie alles andere als
glücklich.
Dann werden Sie wohl weiter protestieren?
Der Protest wird weitergehen, denn der Gesetzesrückzug ist nicht offiziell
bewilligt worden. Außerdem wurden mehr als 100 Demonstranten festgenommen.
Sie müssen freigelassen werden.
Aus dem Englischen Sabina Zollner
9 Mar 2023
## LINKS
[1] /Menschenrechtler-ueber-Proteste-in-Georgien/!5728474
[2] /NGO-Gesetz-in-Georgien/!5917367
[3] /Aktivist-zur-EU-Perspektive-Georgiens/!5860683
## AUTOREN
Gemma Teres Arilla
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Georgien
EU-Beitritt
Lkw
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Georgien
Georgien
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streik auf der Raststätte Gräfenhausen: Lkw-Fahrer fordern weiteren Lohn
Der seit Wochen bestreikte Fuhrunternehmer Mazur hat nur einen Teil der
ausstehenden Löhne gezahlt. Die Trucker bestehen auf weitere 97.000 Euro.
Annalena Baerbock in Georgien: Besuch in bewegten Zeiten
Außenministerin Annalena Baerbock reist nach Georgien. Man sehe den Druck,
dem das Land ausgesetzt sei, sagte sie vorher – auch von russischer Seite.
Demonstrationen in Georgien: EUphorisch
Zehntausende Georgier gehen gegen das „Ausländische Agenten“-Gesetz auf die
Straße. Kids raven zu Sirenen. Der Protest hat vorerst Erfolg.
NGO-Gesetz in Georgien: Gegen das „russische Gesetz“
Die regierende Partei Georgischer Traum hat ein Gesetz zur Registrierung
von NGOs verabschiedet. Zu Gegenprotesten vor dem Parlament kommen
Tausende.
Georgische Autorin über Sowjetunion: „Eine patriarchale, gewalttätige Zeit�…
Russland werde unter Putin seine Geschichte nie aufarbeiten können, sagt
die aus Georgien stammende Theaterregisseurin und Autorin Nino
Haratischwili.
Georgien und Ukrainekrieg: Böses Erwachen
Georgien bemüht sich im Ukrainekrieg um Unparteilichkeit. Dabei ist das
Land in den vergangenen Monaten deutlich an Russland herangerückt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.